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EuGH: tarifvertragliche Verfallsfrist von 15 Monaten für Urlaub bei Krankheit zulässig

In seiner Schultz-Hoff-Entscheidung vom 20.01.2009 (vgl. Aktuelle Information 11/2009) hatte der EuGH entschieden, dass bei längerer Krankheit Urlaub nicht gem. § 7 Abs. 3 Bundesurlaubsgesetz mit Ablauf des 31.03. des jeweiligen Folgejahres erlischt. Damit stellte sich die Frage, ob Urlaubsansprüche unbegrenzt angesammelt werden können. Der EuGH stellte in seiner Entscheidung vom 22.11.2011 (Az.: C-214/10) klar, dass jedenfalls eine tarifvertragliche Einschränkung zulässig ist.

Sachverhalt

Der Kläger in der vom EuGH zu beurteilenden Sache war in der Zeit von Januar 2002 bis September 2003 arbeitsunfähig krank und bezog ab Oktober 2003 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31.08.2008 Rente wegen voller Erwerbsminderung. Im März 2009 beanspruchte er klageweise Urlaubsabgeltung für die Jahre 2006, 2007 und 2008 für jeweils 30 Arbeitstage pro Kalenderjahr. Der auf das Arbeitsverhältnis anzuwendende Manteltarifvertrag sah vor, dass der Urlaubsanspruch nach 15 Monaten nach Ablauf des Kalenderjahres, für das der Urlaub beansprucht wird, erlischt. Das Arbeitsgericht gab der Klage statt. Das Landesarbeitsgericht Hamm legte die Frage, ob Urlaub unbegrenzt angesammelt werden kann oder durch Tarifvertrag eine Einschränkung möglich ist, dem EuGH zur Entscheidung vor.

Entscheidung

Der EuGH beantwortete die Vorlagefrage des Landesarbeitsgerichts Hamm dahingehend, dass eine tarifvertragliche Verfallsfrist von 15 Monaten zulässig ist. Aus der Schultz-Hoff-Entscheidung ergebe sich zwar, dass bei längerer Krankheit eines Arbeitsnehmers Urlaub nicht am 31.03. des Jahres verfalle und damit angesammelt werden könne. Diese Schlussfolgerung gelte jedoch im Hinblick auf den Sinn und Zweck des in Art. 31 Abs. 2 der Grundrechtecharta und in Art. 7 der Richtlinie 2003/88 verankerten Anspruchs auf Urlaub nicht uneingeschränkt. Ein unbegrenztes Ansammeln des Urlaubs entspreche nicht dessen Zweck der Erholung von den Arbeitsaufgaben. Die Regelung, nach der der Urlaubsanspruch durch Zeitablauf erlischt, muss sowohl den Belangen des Arbeitnehmers, der längerfristig krank ist, als auch den Belangen des Arbeitgebers Rechnung tragen. Die Verfallsfrist muss dabei deutlich länger sein als der Übertragungszeitraum von 3 Monaten gem. § 7 Abs. 3 Bundesurlaubsgesetz. Eine Regelung, die ein Erlöschen des Urlaubsanspruchs nach 15 Monaten vorsieht, sieht der EuGH als zulässig an.

Fazit

Es bleibt abzuwarten, ob das Bundesarbeitsgericht sich dieser neuen EuGH-Rechsprechung anschließt. Die neue Entscheidung des EuGH ist zu begrüßen. Es wird ausdrücklich klargestellt, dass ein unbegrenztes Ansammeln von Urlaubsansprüchen bei längerer Krankheit nicht dem Sinn und Zweck des europäischen Anspruchs auf Urlaub entspricht. Offen bleibt, ob diese Rechtsprechung auf entsprechende arbeitsvertragliche Regelung übertragbar ist.

Jacqueline Klemd
Rechtsanwältin