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Vertragsabschluss durch den WEG-Verwalter ohne Beschluss

Mit dem Urteil des Landgerichts Frankfurt/Main vom 25.02.2021 zu Az. 2-13 S 146/19 liegt eine der ersten veröffentlichten Gerichtsentscheidungen dazu vor, welche Verträge der Verwalter ohne vorherige Beschluss-fassung der Eigentümer abschließen darf.

 

Der Hintergrund:

Nach der bisherigen Gesetzesfassung bedurfte der Verwalter für jede Entscheidung über den Abschluss eines Vertrages im Namen der Wohnungseigentümergemeinschaft einer Ermächtigung durch Beschluss, soweit nicht Gefahr in Verzug bestand. Diese Ermächtigung konnte auch durch einen Vorratsbeschluss, unabhängig vom Einzelfall, erteilt werden. Dieser musste aber u. a. nicht nur eine Beschränkung der Kostenausgabe für den Einzelfall, sondern auch für die Summe aller Einzelfälle im Wirtschaftsjahr normieren– ähnlich der Systematik bei einer Kleinreparaturklausel in der Wohnraummiete. Häufig waren Ermächtigungen auch in Verwalterverträgen geregelt, diese Klauseln galten aber in vielen Fällen wegen der hohen Anforderungen an Formularklauseln als unwirksam. Während Beschlüsse, auch wenn sie ordnungsgemäßer Verwaltung widersprechen, bei unterlassener Anfechtung bestandskräftig und damit bindend werden, kann die Unwirksamkeit einer Formularklausel noch Jahrzehnte nach Vertragsabschluss festgestellt werden.

Zum 01.12.2020 ist die Reform des WEG in Kraft getreten, hierbei wurden die Verwalterkompetenzen grundlegend überarbeitet. Der Verwalter ist nunmehr gegenüber der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer berechtigt und verpflichtet, die Maßnahmen ordnungsmäßiger Verwaltung zu treffen, die

  1. untergeordnete Bedeutung haben und nicht zu erheblichen Verpflichtungen führen oder
  2. zur Wahrung einer Frist oder zur Abwendung eines Nachteils erforderlich sind. Da dies recht unkonkret ist, können die Wohnungseigentümer die Rechte und Pflichten des Verwalters durch Beschluss einschränken oder erweitern, § 27 WEG neue Fassung.

 

Die Entscheidung:

Nach Ansicht des LG Frankfurt/Main könne der Verwalter über den Abschluss von Versorgungsverträgen eigenständig entscheiden, denn es handle sich um eine Maßnahme von untergeordneter Bedeutung, die nicht zu erheblichen Verpflichtungen führe.

Die Entscheidung wird vermutlich in Verwalterkreisen auf regen Zuspruch stoßen, doch ist sie nicht ohne Risiken:

Zunächst ist abzusehen, dass diese Entscheidung in ihrer Pauschalisierung der Versorgungsverträge stark kritisiert werden wird, so schon Hogenschurz, ibr-online, Werkstattbeitrag 21.06.2021. Ein Bezugsvertrag für Strom ist kurzfristig kündbar und mit deutlich geringeren finanziellen Verpflichtungen für die Eigentümer verbunden als ein langfristiger Wärmelieferungsvertrag. Letzteres kann kaum als Vertrag von untergeordneter Bedeutung bezeichnet werden, nicht nur angesichts der Laufzeiten, sondern auch wegen der hohen Kosten.

Des Weiteren entbindet § 27 WEG den Verwalter nicht etwa von den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung. Er darf nur – nach pflichtgemäßem Ermessen – anstelle der Eigentümer entscheiden, muss aber deren mutmaßlichen Willen berücksichtigen. Das Haftungsrisiko steigt also. Und wenn die Eigentümer drei Vergleichsangebote für eine fundierte Auswahl benötigen, gilt das für eigenverantwortliche Entscheidungen des Verwalters mindestens ebenso.

 

Praxishinweis:

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Noreen Walther
Rechtsanwältin