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Vergleichsmieterhöhung auf der Basis eines Mietspiegels aus einer Nachbargemeinde

Das AG Flensburg hat im Urteil vom 29.11.2017 zu Az. 68 C 84/17 die Frage der Anwendbarkeit eines Mietspiegels einer anderen Gemeinde im Rahmen eines Mieterhöhungsverlangens zur Anpassung an die ortsübliche Vergleichsmiete behandelt.

 

Der Fall

Eine Wohnraumvermieterin in Flensburg begehrte vom Mieter die Zustimmung zur Mieterhöhung und bezog sich dabei auf den Mietspiegel der Stadt Kiel, weil ein Mietspiegel für Flensburg nicht existierte. Sie erachtete die Städte als vergleichbare Nachbargemeinden.

 

Hintergrund

Mieterhöhungsverlangen zur Anpassung an die ortsübliche Vergleichsmiete können gem. § 558a BGB durch einen Mietspiegel, eine Auskunft aus einer Mietdatenbank, ein Sachverständigengutachten oder die Benennung von Vergleichswohnungen begründet werden. Sofern ein qualifizierter Mietspiegel existiert, ist dieser vorrangiges Begründungsmittel. Gem. § 558a Abs. 4 S. 2 BGB kann der Vermieter auch auf einen veralteten oder einen Mietspiegel „einer vergleichbaren Gemeinde“ verweisen, wenn kein Mietspiegel vorhanden ist.

 

Die Entscheidung

Das AG Flensburg erachtete die Klage als unzulässig, weil das Mieterhöhungsverlangen nicht wirksam begründet sei. Es könne dahinstehen, ob die Städte Kiel und Flensburg tatsächlich vergleichbar seien. Der Mietspiegel von Kiel sei jedenfalls auf Flensburg nicht anzuwenden, weil es sich nicht um Nachbargemeinden handele. Dies stelle ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal dar, weil nur bei Nachbargemeinden von einem vergleichbaren Wohnungsmarkt ausgegangen werden könne.

Flensburg und Kiel verfügten weder über eine gemeinsame Stadtgrenze, noch grenzten sie an denselben Landkreis an und gehörten auch nicht dem selben Landesteil an. Die Entfernung betrage 68 km bzw. in Fahrzeit mit dem Auto eine Stunde.

 

Hinweis

Der Gesetzeswortlaut enthält den Begriff der „Nachbargemeinde“ nicht. Dennoch wird in Rechtsprechung und Literatur als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal gefordert, dass die Gemeinde nicht nur vergleichbar, sondern auch benachbart sein müsse. Umstritten ist dabei die Definition des Nachbarbegriffs. Zum Einen wird vertreten, dass die Gemeinden aneinandergrenzen müssten. Andererseits ist die Rechtsprechung durchaus auch großzügig bei Entfernungen (so für die Vergleichbarkeit von Berlin und Hamburg noch vor der Erstellung des Berliner Mietspiegels LG Berlin MM 1992, 21).

In der Literatur wird beim Gemeindevergleich der regionalen Lage größere Bedeutung zugemessen und so z. B. eine Gemeinde in Nord- und Süddeutschland als nicht vergleichbar eingeordnet. Weiteres Hilfsmittel könne die Einordnung anhand der Definition der Zentralität und Verdichtung der Bundesforschungsanstalt für Landeskunde und Raumordnung in neun Kreistypen sein. Es müsse jedoch insgesamt eine vergleichende Bewertung, insbesondere anhand der Einwohnerzahl, der Gemeindegröße, der wirtschaftlichen kulturellen und sozialen Infrastruktur, dem Grad der Industrialisierung, der verkehrstechnischen Erschließung und der Anbindung an Versorgungszentren durchgeführt werden, vgl. Börstinghaus in Schmidt-Futterer´s Kommentar zum MietR 13. Aufl 2017, § 558a BGB, Rn. 44 ff.

Auch wenn eine Großstadt unmittelbar an eine kleinere Gemeinde angrenze, kann aber der Mietspiegel der Großstadt nicht verwendet werden, auch nicht mit einem großzügigen prozentualen Abschlag, weil die Städte nicht miteinander vergleichbar seien, so der BGH im Urteil vom 13.11.2013, Az. VIII ZR 413/12. Wesentliches Merkmal der Vergleichbarkeit ist nach der Rechtsprechung die Wohnungsmarktgröße und insbesondere die Einwohnerzahl, vgl. AG Aschaffenburg, 25.07.2013, Az. 115 C 779/12. Erforderlich sei zudem, dass die Auswahlentscheidung für den Mietspiegel der Nachbargemeinde im Mieterhöhungsverlangen erläutert und begründet wird, d. h. warum gerade diese Gemeinde ausgewählt worden ist, vgl. AG Ahrensburg, 21.09.2011, Az. 49 C 949/11.

 

Noreen Walther
Rechtsanwältin

Aktuelle Information Nr. 15/2018

Rechtsanwälte Strunz ♦ Alter, Chemnitz