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Unwirksamkeit von Schriftformheilungsklauseln in Mietverträgen

Im Urteil vom 27.09.2017 zu Az. XII ZR 114/16 hat der für Geschäftsraummiete zuständige 12. Zivilsenat des BGHs Schriftformheilungsklauseln wegen Umgehung der gesetzlich zwingenden Bestimmung des § 550 BGB als unwirksam beurteilt. Mietverträge mit einer Laufzeit von mehr als einem Jahr bedürfen nach § 550 BGB der Schriftform. Wird diese nicht gewahrt, kann der Vertrag nach einem Jahr mit gesetzlicher Frist ordentlich gekündigt werden. Schriftformfehler sind daher immer wieder willkommener Anlass, sich von einem unliebsam oder unrentabel gewordenen langfristigen Mietverhältnis loszusagen.

Der Fall

Die Mietvertragsparteien schlossen im Jahre 1998 einen Gewerberaummietvertrag. Im Jahre 2006 vereinbarten sie in einem ersten Nachtrag eine Indexmietklausel sowie eine Schriftformheilungsklausel. Nach deren Inhalt sei den Parteien bekannt, dass der Mietvertrag mit einer Laufzeit von mehr als einem Jahr der Schriftform bedürfe, die Parteien wollten diese Schriftform einhalten und sich deshalb gegenseitig verpflichteten, auf jederzeitiges Verlangen einer Partei alle für die Erfüllung der gesetzlichen Erfordernisse erforderlichen Handlungen vorzunehmen und Erklärungen abzugeben. Im Jahre 2009 vereinbarten die Parteien in einem zweiten Nachtrag eine Verlängerung der Mietzeit bis ins Jahre 2020. Zugleich verpflichteten sie sich nochmals, den Mietvertrag nicht wegen Nichteinhaltung der Schriftform zu kündigen sondern erforderlichenfalls formheilende Maßnahmen zu ergreifen.

Im Jahre 2011 bat die – nach Grundstücksveräußerung neu in den Vertrag eingetretene – Vermieterin den Mieter um Änderung der Wertsicherungsklausel, dem der Mieter insoweit zustimmte, als er handschriftlich auf dem Schreiben der Vermieterin die Worte vermerkte: „6 % einverstanden“ und dieses Schreiben an die Vermieterin zurücksandte. Die Vermieterin bestätigte die Mietkorrektur um 6 % in einem Schreiben. Der Beklagte entrichtete fortan die erhöhte Miete. Im Jahre 2014 erklärte die Vermieterin die ordentliche Kündigung des Mietvertrages unter Berufung auf die jederzeitige Kündbarkeit des Vertrages wegen des Schriftformmangels.


Rechtliche Hinweise zur Einordnung

Der Ursprungsvertrag aus dem Jahre 1998 war unbefristet und unterlag daher nicht dem Schriftformerfordernis. Der Nachtrag aus dem Jahre 2006 begründete eine Indexmieterhöhungsklausel, die gemäß § 3 Preisklauselgesetz zur Wirksamkeit eine mindestens zehnjährige Vertragsbindung des Vermieters erfordert. Auch der Nachtrag im Jahre 2009 sollte eine weitere Befristung um mehr als ein Jahr zum Ziel haben, sodass auch insoweit das Schriftformerfordernis des § 550 BGB zu beachten war.


Die Entscheidung des BGH

Die im Jahre 2011 erfolgte Änderung der Wertsicherungsklausel erfolgte schriftformwidrig und führte zur jederzeitigen Kündbarkeit des Geschäftsraummietvertrages unter Anwendung der gesetzlichen Kündigungsfristen.

§ 550 BGB erfordert, dass die wesentlichen Vertragsbedingungen, insbesondere Mietobjekt, Miethöhe, Mietdauer und Parteien, sich aus einer durch beide Parteien zu unterzeichnenden Urkunde ergeben. Wenn diese Inhalte auf mehrere Urkunden, Nachträge oder Anlagen ausgelagert werden, müssen die Parteien im Interesse der Wahrung der Urkundeneinheit die Zusammengehörigkeit der Schriftstücke zweifelsfrei kenntlich machen. Diese müssen dabei nicht unbedingt körperlich verbunden werden, es genügt auch eine gedankliche Verbindung bspw. durch Bezugnahme vom aktuellen Nachtrag auf den Ausgangsvertrag und alle ergänzenden Urkunden. Die beiden Nachträge genügen dem insoweit, als die Nachträge jeweils in der Überschrift den Bezug enthielten zum Ursprungsvertrag („1. Nachtrag zum Mietvertrag vom 08.12.1998“…). Es sei nicht erforderlich, dass auch der Urvertrag von 1998 Vermerke auf spätere Nachträge enthalte.

Die Wertsicherungsklausel, welche im Jahre 2011 vereinbart wurde, beinhaltete eine die Miethöhe betreffende und somit vertragswesentliche Abrede. Dem Schreiben fehlt jedoch eine Bezugnahme auf den Ausgangsvertrag und die Nachträge.

Der BGH verwehrte der klagenden Vermieterin dennoch den Räumungsanspruch unter Hinweis auf den Grundsatz von Treu und Glauben gem. § 242 BGB. Demnach dürfe sich zwar grundsätzlich jede Vertragspartei auf die Nichtwahrung der Schriftform berufen und deshalb einen Vertrag ordentlich kündigen, der dem Schriftformerfordernis nicht genügt. Wenn jedoch ausnahmsweise die vorzeitige Beendigung zu einem schlechthin untragbaren Ergebnis führen würde, könne die Kündigung rechtsmissbräuchlich sein. Die Mietsteigerung, welche 2011 vereinbart wurde, war allein für die Vermieterin günstig und ist auch allein auf deren Drängen hin erfolgt. Sie diente allein den Interessen der Vermieterin. Es sei treuwidrig, wenn die Vermieterin die bei dieser Gelegenheit eingetretene Verletzung der Schriftform zum Anlass nimmt, den Vertrag vorzeitig zu kündigen.

Anlass der sehr ausführlichen Entscheidung war jedoch zugleich die Frage, inwieweit die Vermieterin aufgrund der 2006 und 2009 jeweils vereinbarten Schriftformheilungsklauseln gehindert war, die Kündigung zu erklären, obwohl es darauf wegen der geschilderten Treuepflichtverletzung im konkreten Fall nicht ankam.

Der BGH betrachtet Schriftformheilungsklauseln als Umgehung des gesetzlichen Erfordernisses im Sinne von § 550 BGB. Dieser knüpfe eine ganz konkrete Rechtsfolge an die Verletzung der Schriftform – nämlich die jederzeitige Kündbarkeit nach Ablauf der Mindestlaufzeit von einem Jahr. Diese gesetzliche eindeutige Anordnung solle nicht durch vertragliche Abreden umgangen werden können.

Bereits im Jahre 2014 hatte der BGH entschieden, dass eine solche Heilungsklausel jedenfalls spätere Grundstückserwerber nicht binden könne. Nunmehr hat er Schriftformheilungsklauseln als stets unwirksam eingeordnet. Insbesondere habe der Gesetzgeber im Rahmen der Mietrechtsreform 2001 die Gelegenheit nicht wahrgenommen, eine entsprechende Regelung im BGB aufzunehmen, um eindeutig zu normieren, dass lediglich unbeteiligte Grundstückserwerber geschützt werden sollen. Demnach müsse davon ausgegangen werden, dass er auch 2001 die gesetzliche Folge der Unwirksamkeit der Befristungsabrede ohne weitere Einschränkungen anordnen wollte.

Schriftformheilungsklauseln sind somit nach aktueller Rechtsprechung weder schädlich noch nützlich. Umso höher sind die Anforderungen an die rechtssichere Gestaltung eines Geschäftsraummietvertrages, da auch insoweit in der Regel sehr hohe Investitionen im Raum stehen und Verluste schnell beträchtliche Ausmaße erreichen können.

 

Noreen Walther
Rechtsanwältin

Aktuelle Information Nr. 04/2018

Rechtsanwälte Strunz ♦ Alter, Chemnitz