Neues zu Online-Eigentümerversammlungen
Im Oktober ist eine weitere Reform des Wohnungseigentumsrechts in Kraft getreten, die die Durchführung von Eigentümerversammlungen betrifft.
Historie:
Bis zum 30.11.2020 fand die Beschlussfassung in Wohneigentumsanlagen nur auf zwei Wegen statt: entweder in einer Eigentümerversammlung, zu der sich die Teilnehmer persönlich in einem Raum trafen, sog. Präsenzversammlung. Oder aber der Beschluss kam in einem Umlaufverfahren zustande, wobei dieser Beschluss stets der Allstimmigkeit bedurfte.
Seit 01.12.2020 kann beschlossen werden, dass für einen einzelnen Gegenstand die Mehrheit der abgegebenen Stimmen im Umlaufverfahren genügt, § 23 Absatz 4 WEG. Zu den Einzelheiten verweisen wir auf unsere Arbeitshilfe im Kanzleiforum März 2023.
Zudem kann seither beschlossen werden, dass Wohnungseigentümer an der Versammlung auch ohne Anwesenheit an deren Ort teilnehmen und sämtliche oder einzelne ihrer Rechte ganz oder teilweise im Wege elektronischer Kommunikation ausüben können, § 23 Absatz 1 Satz 2.Es musste somit stets eine Präsenzveranstaltung durchgeführt werden. Jedoch konnten sich einzelne oder alle Eigentümer gleichzeitig online zuschalten, wenn diese Möglichkeit grundsätzlich in der jeweiligen Gemeinschaft eröffnet worden ist. Der Verwalter musste aber in jedem Fall vor Ort sein und jedem Einzelnen stand stets die Möglichkeit offen, in Präsenz an der Veranstaltung teilzunehmen.
Diese Möglichkeit besteht auch weiterhin.
Neuregelung durch das Gesetz zur Zulassung virtueller Wohnungseigentümerversammlungen
Seit 17.10.2024 (Gesetz wurde verkündet im BGBl. I 2024, Nr. 306 am 16.10.2024) können die Eigentümer daneben aber auch mit mindestens drei Vierteln der abgegebenen Stimmen beschließen, dass die Versammlung innerhalb eines Zeitraums von längstens drei Jahren ab Beschlussfassung ohne physische Präsenz der Wohnungseigentümer und des Verwalters an einem Versammlungsort stattfindet oder stattfinden kann (virtuelle Wohnungseigentümerversammlung). Die virtuelle Wohnungseigentümerversammlung muss hinsichtlich der Teilnahme und Rechteausübung mit einer Präsenzversammlung vergleichbar sein, § 23 Absatz 2 WEG.
Aus der Gesetzesbegründung BR-Drs 508/23 vom 13.10.2023 ist ersichtlich, von welchen Erwägungen sich der Gesetzgeber leiten ließ: Die Möglichkeit der hybriden Versammlung bleibt daneben bestehen. Da auch beschlossen werden kann, dass die virtuelle Versammlung „stattfinden kann“, entscheidet in einem solchen Fall der Verwalter dann nach pflichtgemäßem Ermessen wie im Aktienrecht, ob er eine Präsenz- eine hybride oder eine rein digitale Onlineversammlung einberuft. Damit könne den Interessen der Beteiligten Rechnung getragen werden. Da eine Mehrheit von 75 % der abstimmenden Eigentümer die virtuelle Versammlung befürworten müsse, bilde diese Mehrheit ein starkes Indiz für das berechtigte Interesse, obgleich die Präsenzversammlung wie im Aktienrecht weiterhin als Regelfall angesehen werde. Die Befristung des Modells auf 3 Jahre sei vorgesehen worden, weil die Haltung der Eigentümer sich ändern könne. Dann müsse neu beschlossen werden.
Wer nicht virtuell teilnehmen könne, solle sich helfen lassen oder einen Vertreter schicken. Indessen übersieht der Gesetzgeber, dass in zahlreichen Gemeinschaftsordnungen Vertreterbeschränkungen geregelt sind. Meist ist eine Vertretung nur durch einen anderen Eigentümer, Beirat oder Verwalter zulässig. Wenn ein Eigentümer aber gerade in einem Punkt allein steht und die anderen Eigentümer erst von seiner Meinung überzeugen will, wird er kaum einen Vertreter schicken können oder wollen. Hier wird sich weites Streitpotenzial öffnen.
Da die virtuelle Versammlung – anders als die hybride- der Präsenzversammlung gleichwertig sein muss, scheiden Telefon- oder Chatkonferenzen aus. Sämtliche Rechte (Rede- und Stimmrecht) müssen einschränkungslos online ausgeübt werden können, so dass nur eine Videokonferenz in Echtzeit mit allen Rechten, ggf. auch barrierefrei nutzbar, in Frage kommt.
Besonders abstrus ist der Hinweis des Gesetzgebers auf die DSGVO Art. 6, 7. Diese Regelungen seien einzuhalten. Das heißt: Die Einwilligung jedes einzelnen Eigentümers zur Datenverarbeitung im konkreten digitalen Format ist erforderlich und bekanntlich ist die Einwilligung datenschutzrechtlich nur wirksam, wenn sie vollkommen freiwillig erteilt worden ist, nach Belehrung über sämtliche Rechte. Bei der Einführung des Versammlungsformats kann der Einzelne aber mit Dreiviertelmehrheit zunächst überstimmt und anschließend faktisch von der Teilnahme ausgeschlossen werden, wenn er nicht ganz und gar freiwillig dem Format doch noch zustimmt! Die Zustimmung zum Versammlungsmodus an sich, so der Gesetzgeber in seiner Begründung, sei aber keine Einwilligung in Datenverarbeitung, die sei zusätzlich und gesondert erforderlich; der Verwalter muss also umfassend über Risiken und Rechte belehren und umfassend informieren!
Zusätzlich wurde in § 48 Abs. 6 neu geregelt, dass bis einschließlich 2028 mindestens einmal im Jahr eine Präsenzversammlung durchzuführen ist, falls die Wohnungseigentümer hierauf nicht durch einstimmigen Beschluss verzichten.
Man könnte meinen, dies verschafft den technikfernen Präsenzwilligen noch etwas Luft, sich umzustellen. Weit gefehlt, denn der Gesetzgeber hat sogleich ein Instrumentarium bereitgestellt, dass es ermöglicht, diese Schonzeit ganz legal und folgenlos zu umgehen.
Ein Verstoß gegen diese Pflicht führt nämlich weder zur Nichtigkeit noch zur Anfechtbarkeit der dennoch rein virtuell gefassten Beschlüsse, § 48 Absatz 6 WEG.
In seiner Begründung führt der Rechtsausschuss in Drs. 20/12146 vom 03.07.2024 aus, eine unbillige Benachteiligung einzelner Eigentümer könne es auch bei Präsenzveranstaltungen geben, wenn ein Eigentümer nämlich wegen körperlicher Beeinträchtigungen nicht anreisen könne. Zudem empfiehlt der Rechtsausschuss den Verwaltern, vor der Beschlussfassung über Unterstützungsleistungen für Technikunkundige zu beraten und diese auch konkret anzubieten. Eine solche Unterstützung könne z. B. in der Teilnahme in den Geschäftsräumen des Verwalters oder bei Miteigentümern bestehen, auch technische Hilfe in der Wohnung sei denkbar.
Noreen Walther
Rechtsanwältin