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Nachträgliche Verschattungsanlagen in der WEG

Der BGH hat zur Frage von Ansprüchen auf Verschattung sonniger Eigentumswohnungen und den Voraussetzungen von Duldungs- bzw. Rückbauansprüchen Stellung genommen, Urteil vom 20.07.2018, Az. V ZR 56/17.

 

Der Fall:

Ein Sondereigentümer verklagte einen anderen auf Beseitigung von Jalousien, die letztere nachträglich an ihrer Einheit angebracht hatten. In der Baugenehmigung von 2003, insb. in deren Bestandteil „Allgemeine Baubeschreibung“, war vermerkt, dass es „im vorgelagerten Stahlrahmen noch Jalousien zur Verschattung“ gebe. Jene waren aber tatsächlich nicht in der Bauausführung enthalten. Im Bauträgervertrag 2004 zwischen Bauträger und Beklagtem war nur Bezug auf die Teilungserklärung und die diesbezüglichen Pläne genommen, in der eine Verschattung gerade nicht erwähnt wurde. Die Beklagten waren lediglich auf die Existenz einer Baugenehmigung und ein Einsichtsrecht diesbezüglich hingewiesen worden. 2012 beschlossen die Eigentümer mehrheitlich, dass es den Eigentümern gestattet sei, Jalousien zu installieren, wobei über Ausführung und Realisierung noch gesondert entscheiden werden sollte.

 

Die Entscheidung:

Der BGH verwies den Fall an die Vorinstanz zurück, um folgende offenen Punkte zu klären:

  1. Ist der Beschluss aus dem Jahr 2012 wirksam und unanfechtbar zustande gekommen, so dass sich daraus eine Duldungspflicht ableitet?

    Der BGH misst dem Beschluss offenbar eine Grundsatzqualität zu, ohne dabei – mangels Bestimmtheit – die Frage der Nichtigkeit zu beleuchten. Es erscheint nicht nachvollziehbar, weshalb die Beklagten aufgrund der bloßen Grundsatzfrage bereits berechtigt gewesen sein sollten, nach eigenem Gutdünken Jalousien anzubringen, obgleich die Eigentümer über die Art und Weise gerade nicht entscheiden sollten.

  2. Können die Beklagten belegen, dass öffentlich-rechtliche Erfordernisse zur Verschattung bestehen?

    Sollte der Beschluss keine Rechtsgrundlage für die Anbringung und damit auch für eine Duldungspflicht bieten, könnte sich eine solche jedoch aus der Verpflichtung ableiten lassen, das Bauwerk erstmalig ordnungsgemäß herzustellen, so wie es die Baugenehmigung vorsah. Zu prüfen ist, ob es sich um eine Auflage in der Baugenehmigung handelte oder eine Verschattungspflicht bspw. durch § 3 Abs. 4 Energieeinsparverordnung Stand 2001 vorgeschrieben ist.

  3. Falls keine bauliche Erforderlichkeit für Verschattung besteht, ist zu prüfen, ob den Klägern durch die Anlage überhaupt ein relevanter Nachteil im Sinne der §§ 22 Abs. 1 , 14 WEG entstanden ist bzw. falls die doppelt qualifizierte Mehrheit für eine Modernisierung vorliegen sollte, ob der Kläger unbillig benachteiligt wird durch die Verschattung, § 22 Abs. 2 WEG.

    Auch wenn ein Nachteil zu Lasten des Klägers mit der Verschattung verbunden wäre (z. B. deren Sichtbeeinträchtigung), könne ein Mehrheitsbeschluss gegen deren Willen bestandskräftig werden, wenn nicht angefochten werde.

Selbst wenn kein förmlicher Mehrheitsbeschluss die Verschattung erlaube, könne deren Rückbau aber nicht verlangt werden, wenn das Beseitigungsverlangen rechtsmissbräuchlich wäre, weil der Beklagte alsbald wieder eine Gestattung verlangen könne – insb. weil die bauliche Maßnahme keine Nachteile begründe.

 

Noreen Walther
Rechtsanwältin

Aktuelle Information Nr. 45/2018

Rechtsanwälte Strunz ♦ Alter, Chemnitz