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Beschlusskompetenz von Untergemeinschaften im WEG

Nach Ansicht des BGH im Urteil vom 10.11.2017 zu Az. V ZR 184/16 kann Untergemeinschaften im WEG durch die Gemeinschaftsordnung die Kompetenz eingeräumt werden, ohne Beteiligung der übrigen Eigentümer über Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen zu beschließen, soweit diese die jeweilige Untergemeinschaft betreffen und sogleich die Kostenverteilung im Innenverhältnis der Mitglieder der Untergemeinschaft geregelt wird.

 

Sachverhalt

In der streitgegenständlichen Gemeinschaftsordnung ist eine Klausel enthalten, wonach die Sondereigentümer der aus drei Häusern bestehenden Mehrhausanlage verwaltungs- und abrechnungsmäßig jeweils selbständige Untergemeinschaften bilden, die, soweit möglich, so behandelt werden sollen, als wenn sie drei selbständige Eigentümergemeinschaft wären, ohne dass damit den Untergemeinschaften Rechtsfähigkeit eingeräumt wird. Nach der Klausel sind die jeweiligen Untergemeinschaftseigentümer berechtigt, sämtliche ausschließlich ihr Gebäude betreffende Entscheidungen, unter Ausschluss der übrigen Eigentümer zu treffen, zu eigenen Versammlungen zu laden und Beschlüsse „mit Wirkung für die Untergemeinschaft zu fassen“. Kosten und Lasten sollen dabei für die drei Untergemeinschaften, soweit möglich, getrennt ermittelt und abgerechnet werden, jede Untergemeinschaft so selbständig wie möglich und zulässig verwaltet werden.

In einer separaten Versammlung einer Untergemeinschaft wurde eine Beschlussfassung zur teilweisen Erneuerung des Außenputzes, das Gebäude der Untergemeinschaft betreffend, herbeigeführt. Die Finanzierung im Kostenrahmen von 4.300 € sollte aus der Instandhaltungsrücklage erfolgen. Eine andere Untergemeinschaft beschloss in ihrer separaten Eigentümerversammlung die Beauftragung eines Unternehmens mit Feuchtigkeitsuntersuchungen innerhalb einer Wohnung dieser Untergemeinschaft im Kostenrahmen von 2.000 €, wobei die Kosten über die laufenden Kosten finanziert werden sollten.

Ein Eigentümer focht beide Beschlüsse mit der Maßgabe an, dass den Untergemeinschaften keine Beschlusskompetenz zukomme. Er unterlag in allen drei Instanzen.

 

Die Entscheidung

Der BGH stellte zunächst fest, dass jeder Eigentümer die für die Untergemeinschaften gefassten Beschlüsse unabhängig von seiner Zugehörigkeit zu einer dieser Untergemeinschaften anfechten kann, soweit er deren Beschlusskompetenz anzweifelt. Die Klage war auch gegen die übrigen Eigentümer zu erheben, selbst wenn nicht alle übrigen Eigentümer Mitglieder der betroffenen Untergemeinschaften sind.

Der BGH räumt jedoch den Untergemeinschaften eigene Beschlusskompetenzen ein. § 10 Abs. 2 S. 2 WEG gebe den Eigentümern die Möglichkeit, vom Grundsatz der gemeinschaftlichen Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums nach § 21 Abs. 1 WEG abweichende Vereinbarungen bspw. in Gemeinschaftsordnungen zu treffen und insoweit Untergemeinschaften mit eigener Verwaltungszuständigkeit und selbständiger Beschlussfassungskompetenz auszustatten. Dies sei in der vorliegenden Klausel der Gemeinschaftsordnung erfolgt. Diese ermögliche es den Mitgliedern der Untergemeinschaft, unter Ausschluss der anderen Eigentümer die Durchführung von Instandsetzungsmaßnahmen zu beschließen, soweit diese ausschließlich das Gebäude der jeweiligen Untergemeinschaft betreffen und die Kosten allein von deren Mitgliedern getragen werden.

Obwohl in der Klausel geregelt ist, dass Beschlüsse lediglich „mit Wirkung für die jeweilige Untergemeinschaft gefasst werden dürfen“, bedeutet dies – unverständlicherweise – für den BGH nicht im Umkehrschluss, dass die Gemeinschaft keine Beschlüsse fassen dürfe, die im Außenverhältnis nur durch eine Verpflichtung der Gesamtgemeinschaft umgesetzt werden könnten.

Der BGH gesteht zwar zu, dass durch einen solchen Beschluss im Außenverhältnis immer die Mitglieder der Gesamtgemeinschaft in Haftung gebracht werden, auch wenn sie nicht an der Untergemeinschaft sind, weil die Untergemeinschaften selbst nicht rechtsfähig und damit nicht in der Lage sind, Verträge mit Außenstehenden, wie Handwerksunternehmen, abzuschließen. Ein solcher Sanierungsvertrag kann daher immer nur mit der rechtsfähigen Wohnungseigentümergemeinschaft insgesamt und dem Bauunternehmer geschlossen werden. In der Konsequenz bedeutet dies, dass übrige Eigentümer zwangsläufig für Sanierungsverträge haften, an deren Beschlussfassung sie gar nicht beteiligt gewesen sind. Diese Folge sei jedoch hinzunehmen, da es anderenfalls nicht möglich wäre, das Ziel der Verselbständigung der Untergemeinschaften, wie es in der Regelung in der Gemeinschaftsordnung zum Ausdruck kommt, zu erreichen. Nach der Klausel seien zudem die jeweiligen Untergemeinschaften zur getrennten Ansammlung von Instandhaltungsrücklagen verpflichtet, um die getrennte Ermittlung und Abrechnung der Kosten und Lasten überhaupt zu ermöglichen.

Irrelevant sei auch, dass die Gemeinschaftsordnung zu einer Zeit errichtet wurde, als der Gesetzgeber die Teilrechtsfähigkeit und die quotale Außenhaftung in § 10 Abs. 8 WEG noch nicht normiert hatte und somit noch die im Außenverhältnis unbeschränkte gesamtschuldnerische Haftung gesetzlich galt. Die Interessenlage, die zur abweichenden Regelung in der Gemeinschaftsordnung geführt hat, sei vergleichbar gewesen. Die in der Gemeinschaftsordnung eingeräumte Beschlusskompetenz überschreite die gesetzlichen Grenzen von Treu und Glauben nicht und höhle auch die personenrechtliche Gemeinschaftsstellung der Wohnungseigentümer sowie den Kernbereich der Mitgliedschaftsrechte nicht aus. Da auch Regelungen zulässig sind, wonach die Mitglieder der Untergemeinschaft allein für Beschlussfassungen über Wirtschaftspläne und Jahresabrechnungen zuständig sind, die auf das jeweilige Haus entfallende Kostenpositionen betreffen, könne nichts anderes für die Beschlussfassung über Instandsetzungsmaßnahmen zum betroffenen Gebäude gelten. Anders wäre dies, wenn die Beschlüsse das Grundstück oder mehrere Gebäude beträfen.

Die übrigen an der Untergemeinschaft nicht beteiligten Eigentümer werden im Außenverhältnis zwar quotal in Haftung genommen, aber hierdurch angeblich nicht unangemessen benachteiligt. Dies stelle nämlich nur ein geringes wirtschaftliches Risiko dar, da in der Klausel sogleich bestimmt sei, dass die Kosten im Innenverhältnis der Untergemeinschaft zu tragen seien. Zudem entspreche die Erteilung von Instandsetzungsaufträgen nur dann ordnungsgemäßer Verwaltung, wenn die Aufbringung der Mittel gesichert sei. Demgemäß müsse in dem jeweiligen Beschluss auch geregelt werden, dass in die Finanzierung die übrigen Eigentümer nicht mit einbezogen werden, sondern etwa auf die Instandhaltungsrücklage der Untergemeinschaft zugegriffen werde, so dass die Inanspruchnahme eines nicht beteiligten Eigentümers „äußerst unwahrscheinlich“ sei. Anderenfalls könnte der betroffene übrige Eigentümer schließlich Regress nehmen. Zudem hätten die Mitglieder der Untergemeinschaften auch gar keinen Anreiz, unvernünftige und kostspielige Maßnahmen zu beschließen. Letztlich stehe dem Haftungsrisiko der Vorteil der Verselbständigung und damit Entlastung von Verwaltungsaufgaben gegenüber.

 

Kritische Würdigung und Praxishinweis

Der BGH verkennt die Lebenswirklichkeit. Da er den Untergemeinschaften Beschlusskompetenz ohne Beteiligung der übrigen Eigentümer einräumt, sind entsprechende Beschlüsse nicht nichtig, sondern lediglich bei Nichtberücksichtigung ordnungsgemäßer Verwaltung anfechtbar. Dann aber müssen die betroffenen übrigen Eigentümer rechtzeitig von einer solchen Beschlussfassung erfahren, um auch entsprechend die Anfechtungsfrist wahren zu können. Die Sicherstellung eines solchen Prozedere hat der BGH mit keinem Wort erwähnt.

Es ist auch keineswegs lebensfremd, dass insbesondere bei zerstrittenen oder unerfahrenen Eigentümern unvernünftige oder gar schädliche Beschlüsse gefasst werden. Es ist zu erwarten, dass das Urteil des BGH in der Literatur entsprechend eine kritische Würdigung erfahren wird.

Für den Verwalter des Gemeinschaftseigentums ergibt sich immer die Notwendigkeit, die aktuelle höchstrichterliche Rechtsprechung zu beachten, dabei aber nicht aus dem Auge zu verlieren, dass die jeweilige örtliche Gerichtsbarkeit eine abweichende Rechtsauffassung vertreten kann. Zudem steigen die Informationsanforderungen bei getrennter Abhaltung von Eigentümerversammlungen. Auch wenn der BGH nicht ausdrücklich entschieden hat, dass die übrigen am Gesamtvertrag beteiligten Eigentümer über ihre neue Haftungssituation informiert werden müssen, darf dies wohl als selbstverständlich vorausgesetzt werden. Insgesamt trägt der BGH mit dieser Entscheidung unseres Erachtens erheblich zur Rechtsunsicherheit bei.

 

Noreen Walther
Rechtsanwältin

Aktuelle Information Nr. 12/2018

Rechtsanwälte Strunz ♦ Alter, Chemnitz