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Zwangsräumung einer Wohnung nach dem sog. Berliner Modell und deren Risiken

I. Ausgangssituation

Wenn der Mieter nach Beendigung des Mietvertrages die Mietsache nicht freiwillig herausgibt, muss der Vermieter gerichtlich einen Räumungstitel erwirken und diesen im Rahmen der Zwangsvollstreckung durchzusetzen. Dabei ist der Vermieter stets bestrebt, die Kosten der Zwangsräumung so gering wie möglich zu halten und wählt daher die Zwangsvollstreckung nach dem sog. Berliner Modell. Dazu macht der Vermieter im Rahmen des Antrags auf Durchführung der Zwangsräumung sein Vermieterpfandrecht geltend und beschränkt den Antrag auf die Herausgabe der Mietsache. Dies spart die Speditionskosten, die den Hauptanteil an den Kosten der Zwangsräumung ausmachen. Die „Berliner Räumung“ birgt jedoch auch ein erhbeliches Haftungsrisiko für den Vermieter, welches im folgenden dargestellt werden soll. Zudem soll aufgezeigt werden, in welchen Fällen sich diese Art der Zwangsräumung tatsächlich für den Vermieter empfiehlt.

Nach Abschluss der gerichtlichen Zwangsräumung hat der Vermieter den unmittelbaren Besitz an der Wohnung wiedererlangt, muss aber häufig feststellen, dass die Wohnung noch vollständig möbliert ist. In dieser Situation stellt sich dann für den Vermieter die Frage, wie nun weiter zu verfahren ist.

II. Verfahrensweise mit den in der Wohnung verbliebenen Gegenstände

1. Für die weitere Verfahrensweise mit den vorgefundenen Sachen kommt es entscheidend darauf an, ob es sich um Sachen handelt, die von dem geltend gemachten Vermieterpfandrecht erfasst sind oder nicht.

Bei dem Vermieterpfandrecht nach § 562 Abs. 1 BGB handelt es sich um ein besitzloses gesetzliches Pfandrecht an den vom Mieter während der Mietzeit – vor Zugang der Kündigung – gewollt in die Mieträume eingebrachte bewegliche Sachen des Mieters.

a) Das Vermieterpfandrecht umfasst somit alle beweglichen Sachen, die im Alleineigentum des ehemaligen Mieters stehen, wobei zugunsten des Vermieters die gesetzliche Vermutung besteht, dass die in der Wohnung des ehemaligen Mieters vorhandenen Gegenstände in dessen Eigentum stehen. Hatte der ehemailge Mieter nur Miteigentum an den Sachen, so unterliegt lediglich der Miteigentumsanteil dem Pfandrecht. Neben der gesamten Wohnungseinrichtung fällt auch ein regelmäßig eingestelltes Fahrzeug unter das Vermieterpfandrecht.

b) Dem Vermieterpfandrecht unterfallen jedoch nicht die nach den §§ 811, 811c, 812 ZPO unpfändbaren Sachen Dazu gehören u.a. alle persönlichen Gegenstände des Schuldners, die dieser für eine bescheidene Lebens- und Haushaltsführung sowie die Ausübung seines Berufes benötigt, z. B. Zahnbürste, Rasierapparat und notwendige Kleidung. persönliche Dokumente und Ausweispapiere sind im allgemeinen nicht pfändbar. Zur Haushaltsführung unbedingt zu belassen ist die übliche bescheidene Wohnungseinrichtung, zu der auch ein Fernseher, Kühlschrank und Waschmaschine gehören. Besonders wertvolle Gegenstände unterliegen der sog. Austauschpfändung.

c) Mit der Besitzverschaffung der Wohnung durch den Gerichtsvollzieher kommt der Vermieter damit auch in den Besitz von Sachen, an denen kein Pfandrecht besteht und an denen er auch kein Recht zum Besitz hat. Allerdings können auch diese Sachen zunächst in der Wohnung verbleiben.

2. Mit Besitzerlangung der Wohnung sollte der Vermieter durch den Gerichtsvollzieher zunächst ein Inventarverzeichnis anfertigen lassen und fotografisch dokumentieren, welche Gegenstände sich in der Wohnung befanden.

a) Der Vermieter muss sodann eine Aufteilung der Gegenstände nach zu entsorgendem Müll sowie nach pfändbaren und unpfändbaren Gegenständen vornehmen. An dieser Stelle liegt das größte Risiko für den Vermieter, da die Einteilung doch mehr oder weniger subjektiven Einschätzungen unterliegt und Kenntnisse der Mitarbeiter von der Pfändbarkeit von Sachen voraussetzt. Die pfändbaren und unpfändbaren Gegenstände müssen nicht zwingend in der Wohnung verbleiben, sondern können an einen anderen Ort verbracht werden, wo sie sicher verwahrt werden.

Die Verwahrungspflicht des Vermieters muss dieser sehr ernst nehmen, da sich der Vermieter schadensersatzpflichtig macht, wenn Gegenstände des ehemaligen Mieters abhanden kommen. Das Landgericht Lübeck hatte in seinem Beschluss vom 21.04.2010, Az.: 14 T 33/10 einen solchen Fall zu entscheiden. Der Vermieter hatte bei der Zwangsräumung sein Vermieterpfandrecht geltend gemacht und die Gegenstände des ehemaligen Mieters zunächst in der Wohnung belassen. Als der Vermieter die Wohnung erneut vermietete, verbrachte der Hausmeister des Vermieters die Sachen in den Keller. Die neuen Mieter verkauften schließlich einige Sachen und entsorgten den Rest. Der ehemalige Mieter machte daraufhin Schadenersatzansprüche gegen den Vermieter geltend. Das Gericht gab dem ehemaligen Mieter recht mit der Begründung, der Vermieter habe seine Verwahrungspflicht verletzt und dem ehemaligen Mieter einen Schaden durch rechtswidrige Verletzung dessen Eigentum zugefügt.

Schließlich muss eine Trennung zwischen den pfändbaren und den unpfändbaren Gegenständen stattfinden.

b) Der Vermieter muss unpfändbaren Sachen auf Verlangen an den ehemaligen Mieter herausgeben. Andernfalls macht er sich nach §§ 280 Abs. 1 und 823 Absatz 1 BGB schadensersatzpflichtig.

Macht der ehemalige Mieter davon nicht Gebrauch, stellt sich die Frage, wie mit diesen unpfändbaren Gegenständen weiterverfahren wird. Dazu gibt es keine explizite gesetzliche Regelung. Sofern der Gerichtsvollzieher auch die Räumung vorgenommen hat, darf dieser nach Ablauf der Frist von zwei Monaten diese der Vernichtung zuführen, vgl. § 885 Abs. 4 Satz 2 ZPO. Diese Regelung dürfte entsprechend anzuwenden sein, so dass die Entsorgung als Müll vorgenommen werden kann. Allein bei werthaltigen Sachen (z. B. Geld, Wertpapieren und sonstigen Urkunden) und persönlichen Dokumenten sollte von der Möglichkeit der Hinterlegung Gebrauch gemacht werden.

c) Bezüglich der pfändbaren Gegenstände ist nach Ablauf von zwei Monaten und einem Tag eine öffentliche Versteigerung der Gegenstände vorzunehmen. Nicht immer handelt es sich jedoch bei den pfändbaren Gegenständen um werthaltige Sache, die einen Verwertungserlös erwarten lassen.

Ist der Schuldner bei der Besitzeinräumung durch den Gerichtsvollzieher daher zugegen, empfiehlt sich der Abschluss einer Vereinbarung mit dem Inhalt, dass der Vermieter sein Vermieterpfandrecht an allen pfändbaren Sachen aufgibt, sofern der Schuldner sich verpflichtet, alle Gegenstände binnen zwei Wochen aus der Wohnung abzuholen. Gleichzeitig sollte der Schuldner bestätigen, dass nach Ablauf der Frist der Vermieter berechtigt ist, alle Gegenstände der Müllverwertung zuzuführen.

III. Verwertung der pfändbaren Gegenstände

Die Verwertung der pfändbaren und werthaltigen Gegenstände richtet sich nach den §§ 1228 ff. BGB, so dass diese im Wege des Pfandverkaufs zu verwerten sind. Die Veräußerung kann jedoch nicht vom Vermieter selbst vorgenommen werden, sondern muss im Wege einer öffentlichen Versteigerung durch den Gerichtsvollzieher bzw. einem Versteigerer gemäß § 34 c GewO erfolgen. Diese Versteigerung verursacht jedoch nicht unerhebliche Kosten.

Vor der Versteigerung muss der Vermieter dem betroffenen Eigentümer der zu versteigernden Sache den Verkauf mit einer Frist von einem Monat androhen und ihm die Forderung mitteilen, wegen der der Verkauf erfolgen soll. Sodann wird die Zeit und der Ort der Versteigerung öffentlich bekannt gemacht. Bei der Versteigerung kann auch der Vermieter selbst mitbieten, falls seinerseits Interesse an dem Pfandgegenstand besteht.

IV. Fazit

Die Zwangsräumung nach dem Berliner Modell empfiehlt sich nur in den Fällen, in denen dem Vermieter bekannt ist, dass die zu räumende Wohnung entweder leer ist, nur noch Müll enthält oder der ehemalige Mieter der Entsorgung der vorhandenen Gegenstände zustimmt. Andernfalls spart der Vermieter zwar die Speditionskosten für den Abtransport und die Einlagerung, muss diese Arbeiten aber selbst durchgeführen und setzt sich einem nicht unerheblichen Haftungsrisiko aus.

Weitere Informationen, insbesondere auch zum Vermieterpfandrecht finden Sie auf unserer Homepage im Bereich Themenpool unter dem Stichwirt „Berliner Räumung“.

Jana Lippmann
Rechtsanwältin

im Kanzleiforum 09/2010

Rechtsanwälte Strunz ♦ Alter, Chemnitz