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Zusammenfassung der aktuellen Rechtslage zur Restschuldbefreiung des Insolvenzschuldners

In zahlreichen Mandantenberatungen kam es aktuell zu Rückfragen der Vermieter, wie man sich eigentlich in den Restschuldbefreiungsverfahren von insolventen Mietern und Genossenschaftsmitgliedern verhalten müsse bzw. was zu beachten sei. Explizit soll daher eine überschlägige Zusammenfassung des Verfahrens erfolgen, wobei die Prüfung des jeweiligen Einzelfalls selbstverständlich nicht entbehrlich sein soll.

Gesetzliche Grundlagen

Das Verfahren zur Erteilung der Restschuldbefreiung ist in den §§ 286 ff. InsO geregelt und legt die Pflichten und Obliegenheiten sowie die Rechte des Insolvenzschuldners als natürliche Person fest. Eine Restschuldbefreiung für juristische Personen gibt es nicht. Durch die 2. Stufe der Insolvenzrechtsreform (hierüber berichteten wir im KF 03/2014) wurden zum 01.07.2014 einige Änderungen und Ergänzungen zur Restschulderteilung wirksam.

Situation

Das eigentliche Insolvenzverfahren wird durch einen gerichtlichen Aufhebungsbeschluss beendet, woran sich die sog. Wohlverhaltensperiode anschließt. Nach Ablauf dieser grundsätzlich sechs Jahre dauernden Phase (gerechnet ab Datum der Insolvenzverfahrenseröffnung) entscheidet das Gericht dann darüber, ob dem Schuldner sämtliche von der Insolvenz umfasste Verbindlichkeiten erlassen werden, § 300 InsO. Bereits zu Beginn des Insolvenzverfahrens wird neuerdings schon die Erteilung der Restschuldbefreiung in Aussicht gestellt, sofern keine Hinderungsgründe aus dem Vorfeld der Antragstellung bekannt sind.

Während der gesamten Laufzeit von der Insolvenzeröffnung bis zum Ende der Wohlverhaltensperiode muss der Schuldner das pfändbare Einkommen an einen Insolvenzverwalter bzw. Treuhänder abtreten. Dieser verteilt die eingezogenen Beträge an dessen Gläubiger. Reichen diese Beträge nicht aus, um die gesamten Schulden zu tilgen, werden dem Schuldner nach Ablauf des Verfahrens die restlichen Schulden erlassen. Ist der Schuldner so mittellos, dass trotz seiner Bemühungen während der Laufzeit des Verfahrens keine Vermögenswerte oder pfändbare Einkünfte verteilt werden, werden ihm die gesamten Schulden erlassen.

Bedeutsame Neuerungen zur Restschuldbefreiung

(Verkürzung)

Wesentliche Änderungen zugunsten der Schuldnerschaft brachte das „Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte” vom 15.07.2013 (BGBl. I, Jahrgang 2013, Seite 2379). Die Verbraucherinsolvenz dauert im Regelfall, wie bereits erwähnt, sechs Jahre (nur zum Vergleich sei erwähnt, dass in Frankreich und England die Restschuldbefreiung bereits nach 12 bis 18 Monaten erfolgen kann). Die deutsche Verfahrensdauer kann jedoch nunmehr unter bestimmten Voraussetzungen auf fünf bzw. drei Jahre verkürzt werden.

Dies bedeutet, dass der Schuldner vorzeitig die Restschuldbefreiung nach 3 Jahren erreichen kann, wenn er sämtliche Verfahrenskosten (Gerichtskosten und Vergütung des Insolvenzverwalters) sowie 35 % der Insolvenzforderungen befriedigt. D. h. innerhalb von nur 36 Monaten werden dann sämtliche 65 % restliche Schulden erlassen. Schafft er nur die Deckung der Verfahrenskosten, dies sind in Deutschland im Regelfall ca. 1.500 € bis 3.500 €, innerhalb von 5 Jahren ohne jedoch irgendwelche Insolvenzforderungen zu bedienen, wird nunmehr ebenfalls die Restschuldbefreiung erteilt.

(Nachträgliche Geltendmachung der Versagungsgründe / Widerruf der RSB)

Gläubigerfreundlich ist die Neuregelung, dass die Versagung der Restschuldbefreiung nunmehr nachträglich – auch nach dem Schlusstermin – von den Gläubigern beantragt werden kann, § 297 a InsO. Teilweise treten nämlich viele Tatsachen, die ein unredliches Verhalten des Schuldners dokumentieren, erst nach Beendigung des Insolvenzverfahrens zu Tage. Bislang versprach die Gesetzeslage, dass nach dem Schlusstermin keine Versagungsgründe nach § 290 InsO mehr geltend gemacht werden konnten. Wurde die Frist also verpasst, war die Sache erledigt, der Schuldner musste keine Repressalien oder Konsequenzen mehr befürchten. Jetzt können diese Ausschlussgründe vom Gläubiger noch bis zur Erteilung der Restschuldbefreiung vorgetragen werden und damit noch weit länger zur Versagung der Restschuldbefreiung führen. Hierdurch soll verhindert werden, dass jemand die Restschuldbefreiung nur deshalb erlangt, weil er es geschafft hat, bestehende Versagungsgründe lang genug zu verheimlichen. Dies ist einschränkend jedoch nur 6 Monate nach Bekanntwerden beim Gläubiger möglich.

Der ebenfalls zum 01.07.2014 wesentlich geänderte § 303 InsO sieht Erweiterungen der Möglichkeit vor, die Restschuldbefreiung im Nachhinein zu widerrufen. Die Erweiterung dieses Tatbestands zeigt die Tendenz, dem Schuldner einen vorhersehbaren Verlauf  zu verweigern und einen Verfahrensabschluss nur unter dem größtmöglichen Druck einzuräumen, was aus Gläubigersicht durchaus vorteilhaft und gerecht erscheint, für den Schuldner jedoch Rechtsunsicherheit und zahlreiche Stolperfallen generiert.

Pflichten / Versagungsgründe

Im Insolvenzverfahren hat der Schuldner besondere Informations- und Mitwirkungspflichten:

– Offenlegung der Vermögens- und Einkommensverhältnisse

– Informationspflicht über Wohnsitz- und Arbeitsplatzwechsel

– Verpflichtung, sich um zumutbare Arbeit zu bemühen

– Herausgabe der hälftigen Erbschaft

Verletzt der Schuldner diese besonderen Pflichten während des Verfahrens ist die Restschuldbefreiung gemäß § 290 InsO auf Antrag des Gläubigers zu versagen. Zudem erfolgt der Schuldenerlass nicht bei:

– Verurteilung wegen einer Insolvenzstraftat

– Falschangaben zur Erschleichung von Krediten oder öffentlichen Leistungen

  (z.B. Sozialleistungen)

– Vermögensverschwendung

– Verschleierung von Vermögen, Bei-Seite-Schaffen von Vermögensgegenständen

– Kürzlich erfolgter Abschluss eines vorherigen Insolvenzverfahrens

Die Restschuldbefreiung gilt jedoch nach wie vor gemäß § 302 InsO nicht für Verbindlichkeiten aus vorsätzlich begangenen Unerlaubten Handlungen, wie etwa Straftaten (z. B.: Betrug, Körperverletzung, Sachbeschädigung) sowie nicht für Steuerschulden im Zusammenhang mit einer Steuerstraftat und Unterhaltsschulden, sofern diese durch eine Pflichtverletzung entstanden sind. Erfüllt eine Gläubigerforderung die Voraussetzungen des § 302 InsO oder verletzt der Schuldner seine ihm obliegenden Pflichten, dann wird der Schuldner am Ende des Verfahrens von dieser Forderung nicht befreit und der Gläubiger kann die Forderung im Anschluss wieder durch Vollstreckungsmaßnahmen ggf. 30 Jahre lang liquidieren.

Bislang gab es auch die Obliegenheit des Schuldners, dass er sich nachweislich erst ab Beginn der Wohlverhaltensphase um einen angemessenen zumutbaren Erwerb zu kümmern hatte. Der hierzu einschlägige Ausschlussgrund steht weiterhin in § 295 Abs. 1 Ziff. 1 InsO. Kam der Schuldner daher seinen Bemühungen nicht nach, musste er mit der Versagung der Restschuldbefreiung rechnen. Nunmehr gilt dies seit dem 01.07.2014 aber auch schon vor der Wohlverhaltensphase, mithin für den Zeitraum zwischen Eröffnung des Insolvenzverfahrens und dem gerichtlichen Schlusstermin, also dem eigentlichen Insolvenzverfahren, § 287b InsO. Das bedeutet, dass nun schon ab der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Obliegenheit des Schuldners besteht, sich im Falle von Arbeitslosigkeit um eine angemessene Beschäftigung zu bemühen. Dazu gehört es, sich bei der Bundesagentur für Arbeit arbeitssuchend zu melden und laufend Kontakt zu den dort für ihn zuständigen Mitarbeitern zu halten. Weiter muss er sich selbst aktiv und ernsthaft um eine Arbeitsstelle bemühen, z. B. durch stetige Lektüre einschlägiger Stellenanzeigen und durch entsprechende Bewerbungen. Als ungefähre Richtgröße können zwei bis drei Bewerbungen in der Woche gelten, sofern entsprechende Stellen angeboten werden. Entsprechende Nachweise muss der Schuldner ebenfalls führen.

Fazit

Die Gläubiger haben daher derzeit einige wichtige Instrumente zur Hand, ihr Forderungen auch über die Insolvenz hinaus vollstreckbar zu erhalten, sofern sie denn den zeitlichen, finanziellen und organisatorischen Aufwand betreiben, die Aktivitäten und Verhältnisse des säumigen Schuldners zu überwachen und zu kontrollieren. Vor allem der Umstand, dass Versagungsgründe des § 290 InsO erst nachträglich (aber vor Erteilung der Restschuldbefreiung) bekannt werden und dann noch Versagungsantrag gestellt werden kann, erweitert für die Gläubiger das zeitliche Fenster zur Geltendmachung und Durchsetzung ihrer Forderungen.

Sebastian Tempel

Rechtsanwalt

im Kanzleiforum 09/2015

Rechtsanwälte Strunz ♦ Alter, Chemnitz