Was tun bei Beschlagnahme von Wohnraum?
Regelmäßig kommt es bei genossenschaftlichen und kommunalen Vermietern zur Beschlagnahme von Wohnraum durch Stadtverwaltungen und andere Behörden im Rahmen der Unterbringung von vermeintlich oder tatsächlich obdachlosen Personen. Dies betrifft entweder Personen, die vom Vermieter kurz vorher selbst zwangsgeräumt wurden bzw. deren gerade Zwangsräumung stattfindet oder Personen von außerhalb des eigenen Bestandes, die mangels persönlicher oder sachlicher Voraussetzungen für einen freiwilligen Mietvertragsschluss für den Vermieter nicht Betracht kommen würden. Im Falle der behördlichen Beschlagnahme tun sich viele Vermieter schwer, sich hiergegen juristisch zu wehren bzw. sind teilweise der Meinung, sich widerspruchlos fügen zu müssen. Dem ist jedoch nicht so, da es durchaus Handlungs- und Gestaltungsoptionen gibt, um unerwünschte Personen auf Dauer nicht in der Mieterschaft dulden zu müssen.
Grundsätzlich ist zunächst festzuhalten, dass die polizeibehördliche Beschlagnahme einer Wohnung einen offiziellen Verwaltungsakt darstellt und somit das allgemeine sowie das jeweilige Landes-Verwaltungsrecht Anwendung findet. Die Beschlagnahme einer Wohnung von Dritten – in diesem Falle der Wohnungseigentümer/Vermieter – durch die zuständige Behörde kommt in Betracht, wenn alle gemeindeeigenen oder der Gemeinde zur Verfügung stehenden Wohnung erschöpft sind. Bereits an dieser Stelle mangelt es bei den Behörden an ausreichender Ausschöpfung von Ermittlungen und Möglichkeiten. Der Immobilienbestand insbesondere von kommunalen Wohnungsgesellschaften wird in den Stadtverwaltungen bei einer 100%igen Gesellschaftsbeteiligung oftmals und pragmatisch als „eigener“ Bestand der Stadt selbst gesehen, gleichwohl ist hier klar hinsichtlich der Eigentümerstellung zu differenzieren und ggf. kann gegen eine Beschlagnahmeanordnung auch der Rechtsweg beschritten werden. Vorsorglich sollte dies aber zwischen Geschäftsführung und Bürgermeisteramt vorab abgestimmt werden. Ebenso wird teilweise mit im Ort verwurzelten Wohnungsgenossenschaften verfahren.
Die Maßnahme der Beschlagnahme steht der Behörde allerdings nur als letztes Mittel zur Verfügung und bedarf einer umfassenden Interessenabwägung. Rechtsgrundlage für die polizeibehördliche Beschlagnahme ist beispielsweise in Sachsen § 26 Abs. 1 Nr. 1 Sächsisches Polizeigesetz:
„Sicherstellung“
(1) Die Polizei kann eine Sache sicherstellen, wenn dies erforderlich ist, um den Eigentümer oder den rechtmäßigen Inhaber der tatsächlichen Gewalt vor Verlust oder Beschädigung der Sache zu schützen.
(2) Der Eigentümer oder der rechtmäßige Inhaber der tatsächlichen Gewalt ist unverzüglich zu unterrichten.
[…]
Unter Einhaltung der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Zumutbarkeit kommt eine Beschlagnahme von Räumlichkeiten in der Regel aber nur in Betracht, soweit die bisherige Nutzung durch den Eigentümer nicht entgegensteht. Da hierbei das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG) nicht eingeschränkt werden darf, kommt daher grundsätzlich allein die Beschlagnahme von leerstehenden oder bisher von der unterzubringenden Person selbst gemieteten (Wohn-)Räumen in Frage. Nur in ganz besonderen Ausnahmefällen können zur Abwehr einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr für einzelne Personen andere als die oben genannten Räume in Anspruch genommen werden.
Die Anordnung der Beschlagnahme ist als Verwaltungsakt ausführlich zu begründen, hat die beschlagnahmten Räume genau zu bezeichnen, den erforderlichen Zeitraum zu beschreiben und ist mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen und dem in Anspruch Genommenen zuzustellen. In der Begründung ist insbesondere darzulegen, dass andere Unterbringungsmöglichkeiten nicht bestehen. Gegen diesen Verwaltungsakt besteht letztlich die Möglichkeit der Erhebung eines Widerspruchs und sodann im nächsten Schritt die Erhebung einer Anfechtungsklage vor dem zuständigen Verwaltungsgericht. Sollte der Vermieter/Eigentümer die Rechtmäßigkeit der Beschlagnahme anzweifeln (weil beispielsweise bekannt ist, dass anderweitiger Wohnraum der Gemeinde zur Verfügung steht) muss der Widerspruch innerhalb eines Monats erhoben werden. Eine bloße Verweigerung ist nicht möglich und könnte mit Zwangsgeld oder dergleichen erzwungen werden.
In zahlreichen Praxisfällen kann die Rechtmäßigkeit aber gar nicht abschließend beurteilt werden, da die Begründung der Verwaltungsakte (Beschlagnahme) oftmals sehr dürftig ist. Im Anschreiben/ Bescheid wird zumeist nicht näher ausgeführt, welche anderweitigen Anstrengungen durch die Behörde unternommen worden, um die Obdachlosigkeit abzuwenden. So wird teilweise lediglich auf fehlende familiäre Beziehungen oder Angehörige bzw. drohende Obdachlosigkeit verwiesen. Bei solchen Beschlagnahmefällen könnte daher zunächst Widerspruch erhoben werden, um hieraus einen Präzedenzfall für den eigenen Bestand in der eigenen Gemeinde zu entwickeln. Es ist objektiv durchaus denkbar, dass es sich die jeweilige Behörde „einfach machen“ könnte, auch unliebsame, querulatorische oder sozialverhaltensschwierige Personen grundsätzlich im Bestand des eigenen Unternehmens unterzubringen. Sofern es sich um reine Mietschuldner handelt und die Behörde während der Beschlagnahmewirkung die Finanzierung (Mietzahlung) übernimmt, mag dies durchaus akzeptabel sein. Sollten aber (aufwendig verklagte) Ruhe- oder Verhaltensstörer wieder in die zwangsgeräumte Wohnung per Verfügung einziehen, dürfte das Interesse des Vermieters durchaus überwiegen, dieses zu verhindern.
Sollte sich die Behörde trotz einer Aufforderung zur weiteren Begründung der Verfügung oder nach Widerspruch gegen diese nicht umentscheiden bzw. nach zeitlichem Ablauf der Beschlagnahmewirkung (Befristung) die Wohnung nicht zurückgeben, sollte die Behörde vom Vermieter (parallel zum verwaltungsgerichtlichen Verfahren) unter kurzer Fristsetzung zur Aufhebung der Sicherstellung und zur ordnungsgemäßen Rückgabe der Wohnung aufgefordert werden. Darüber hinaus sollte fakultativ die Geltendmachung von weiteren Ansprüchen vor dem Verwaltungsrecht angedroht werden. Die Dauer der Beschlagnahme ist gesetzlich zwar nicht festgeschrieben. Sie richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls und sollte möglichst geringgehalten werden. In der Rechtsprechung hat sich jedoch ein Richtwert von ca. sechs Monaten herausgebildet.
Die Rückgabe der Wohnung und die evtl. damit verbundenen Schadensersatzansprüche können dann gegenüber der Behörde geltend gemacht werden. Insofern greifen beispielsweise in Sachsen §§ 41, 42 Sächsisches Polizeibehördengesetz. Der Entschädigungsanspruch ist prinzipiell anzunehmen, wenn etwaige Schäden unmittelbar mit der Beschlagnahme zusammenhängen (vgl. Urteil des BGH vom 09.11.1995 – Az.: III ZR 226/94). Daher sollte explizit in einem parallel abzuschließenden Vertrag auch die Rückgabeverpflichtung geregelt werden, worauf sich der Vermieter berufen kann. In jedem Falle empfehlen wir, mit der Behörde im Falle einer Beschlagnahme eine vertragliche Regelung (öffentlich-rechtlicher Vertrag) zu vereinbaren, die grundlegende Pflichten für die Behörde (z. B. zeitliche Befristungen) beinhaltet. Sollte die Beschlagnahme länger als anberaumt erfolgen, wäre dies dann eine Pflichtverletzung des öffentlich-rechtlichen Vertrages und es müsste der Mietzins als Schadensersatz durch die Behörde weitergezahlt werden (Nutzungsentschädigungscharakter).
Hiervon unberührt bleibt ein möglicher zivilrechtlicher Schadensersatz – oder Herausgabeanspruch gegenüber dem Schädiger / eingewiesenen Mieter.
Sebastian Tempel
Rechtsanwalt