Wärmelieferungspreise im Fokus der Rechtsprechung
Die anhaltende Preisrallye an den Brennstoffmärkten beschäftigt die Wohnungswirtschaft spätestens seit dem 1. Quartal 2022. Eine klare Tendenz der weiteren Entwicklung ist nicht absehbar. Zu viele Unwägbarkeiten beeinflussen derzeit die Preisbildung. Nicht zuletzt ist auch der Gesetzgeber tätig geworden und hat insbesondere neue Regelungen für die Weitergabe von Mehrkosten im Falle des Gasnotfalls beschlossen.
In dieser Situation hat sich auch der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs mit zwei wegweisenden Entscheidungen im Bereich der Wärmelieferung mit dem Thema der Preisänderungen beschäftigt.
Zunächst hat sich der Bundesgerichtshof im Urteil vom 26.01.2022 (Az. VIII ZR 175/19) mit der Frage beschäftigt, ob ein Wärmelieferant berechtigt ist, einseitig die Preisänderungsklausel während des laufenden Versorgungsverhältnisses zu ändern. Grundsätzlich hat der BGH dazu geurteilt, dass ein Wärmelieferungsunternehmen nicht berechtigt ist, wirksam vereinbarte Preise einseitig nach billigem Ermessen zu ändern. Auf der anderen Seite bestünde eine Notwendigkeit im Falle unwirksamer Preisänderungsregelungen, eine neue Preisanpassungsregelung zu schaffen. Zu diesem Zweck soll der Wärmelieferant gemäß § 4 Abs. 1, 2 AVBFernwärmeV i. V. m. § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV berechtigt sein, eine unwirksame Preisänderungsklausel durch eine wirksame Preisänderungsklausel mit Wirkung für die Zukunft einseitig anzupassen. Voraussetzung für das einseitige Anpassungsrecht ist also, dass bislang eine unwirksame Preisänderungsklausel gegeben war und dass die neue Preisänderungsklausel dann den Anforderungen der AVBFernwärmeV an eine wirksame Preisänderungsklausel entspricht.
Ein Grund dafür, dass eine ursprünglich wirksame Preisänderungsklausel nachträglich unwirksam wird, kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unter anderem darin bestehen, dass durch eine Änderung der eingesetzten Brennstoffe oder eine anderweitige Änderung der Wärmeerzeugung mit Auswirkung auf die Kostenstruktur (z. B. Umstellung auf ein BHKW oder Einbindung einer Solarthermieanlage) die ursprünglich in der Preisänderungsklausel vorgesehene Kostenorientierung nicht mehr den Tatsachen entspricht.
Daneben hat der Bundesgerichtshof in einer aktuellen Entscheidung vom 01.06.2022 (Az. VIII ZR 287/20) nochmals die Anforderungen an eine wirksame Preisanpassungsklausel gemäß § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV klargestellt. In diesem Fall hat der BGH eine Preisanpassungsklausel für unwirksam gehalten, bei der das sogenannte „Marktelement“ gefehlt hat. § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV schreibt vor, dass neben der Kostenentwicklung bei Erzeugung und Bereitstellung der Fernwärme durch das Unternehmen auch die „jeweiligen Verhältnisse auf dem Wärmemarkt“ angemessen berücksichtigt werden müssen. Mit diesem zusätzlichen „Marktelement“ soll angesichts der häufig monopolartigen Stellung von Wärmeversorgungsunternehmen gegenüber einer rein kostenorientierten Preisanpassung gewährleistet werden, dass Wärmeversorger durch Anpassungen des Wärmepreises nicht beliebig ihre Kosten weiterreichen können, sondern sich aufgrund der Einbeziehung der Verhältnisse am Wärmemarkt dem Vergleich mit anderen Energieanbietern stellen müssen und so einen Anreiz haben, die Wärmeversorgung effizient zu gestalten.
Die derzeit häufig anzuwendende Praxis, dass Preisanpassungsregelungen von Fernwärmelieferanten ausschließlich an die Entwicklung des Erdgaspreises (gemessen an der EEX-Börsennotierung) gekoppelt sind, führt nach dieser Entscheidung dazu, dass solche Klauseln wegen der fehlenden Marktorientierung unwirksam sind. Gerade im Zusammenhang mit den hohen Notierungen an den Energiebörsen ist diese Rechtsprechung für die Prüfung der derzeitigen Preisänderungen höchst relevant.
Für Wohnungsunternehmen, die ihre Heizwärme von Wärmelieferanten beziehen, gilt es daher auch im Hinblick auf das betriebskostenrechtliche Wirtschaftlichkeitsgebot, die aktuellen Preisanpassungen zu überprüfen und gegebenenfalls unwirksame Preisanpassungsregelungen in den Verträgen nachzuverhandeln.
Martin Alter
Rechtsanwalt