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Verwalterpflichten und -rechte nach Eingang von Beschlussanfechtungsklagen

§ 27 Abs. 1 Nr. 7 WEG bestimmt, dass der Verwalter die Wohnungseigentümer unverzüglich darüber zu unterrichten hat, dass ein Rechtsstreit gemäß
§ 43 WEG anhängig ist. In welcher Form dies erfolgt, ist abhängig von den Umständen des Einzelfalls und ob sich die Eigentümer und der Verwalter auf ein bestimmtes Procedere geeinigt haben, z. B. im Verwaltervertrag (Übermittlung per E-Mail, Post, Online-Zugang etc.).

§ 27 Abs. 2 Nr. 2 WEG berechtigt den Verwalter, im Namen aller Wohnungseigentümer und mit Wirkung für und gegen sie Maßnahmen zu treffen, die zur Wahrung einer Frist oder zur Abwendung eines sonstigen Rechtsnachteils erforderlich sind, insbesondere einen gegen die Wohnungseigentümer gerichteten Rechtsstreit gemäß § 43 Nr. 1, Nr. 4 oder Nr. 5 im Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren zu führen. Der BGH leitet daraus eine umfassende Vertretungsmacht des Verwalters im Passivprozess (Klage gegen die Eigentümer) und insbesondere die Befugnis ab, die Verteidigung der beklagten Eigentümer zu organisieren, einen Rechtsanwalt für sie zu mandatieren und mit diesem auch eine Streitwertvereinbarung zu treffen (§ 27 Abs. 2 Nr. 4 WEG), vgl. BGH Urteil vom 05.07.2013, Az. V ZR 241/12. Die Neutralitätspflicht des Verwalters stehe dem nicht entgegen, so der BGH, weil es Aufgabe des Verwalters sei, den durch mehrheitlich gefasste Beschlüsse dokumentierten Mehrheitswillen durchzusetzen. Da er jedoch in jedem Fall die Beklagten unverzüglich informieren muss, erhalten diese Gelegenheit, selbst ihre Verteidigung zu übernehmen. Sobald ein Beklagter dem Verwalter mitteilt, dass er sich selbst verteidigen wolle oder einen eigenen Anwalt mandatiere, darf der Verwalter nicht mehr in dessen Namen handeln. Zudem, so der BGH, können die Eigentümer vom Verwalter die Einberufung einer Versammlung verlangen, um ihm durch Beschlussfassungen Weisungen für das weitere Verfahren zu erteilen.

Der Abschluss von Vergleichen, Anerkenntnisse, die Erhebung einer Widerklage oder die Einlegung der Berufung bedürfen jedoch nach überwiegender Auffassung einer gesonderten Ermächtigung durch Mehrheitsbeschluss, vgl. Bärmann, Kommentar zum WEG, 13. Auflage 2015, § 27 Rn. 148 m. w. N.

Der Rechtsanwalt ist gem. § 9 RVG berechtigt, einen Vorschuss für seine Tätigkeit zu erheben. Um diesen aufzubringen, stehen mehrere Möglichkeiten zur Verfügung:

1. Der Verwalter fordert Vorschüsse anteilig von den beklagten Eigentümern an („geht mit dem Klingelbeutel ´rum“). Das ist die einzige Möglichkeit, wenn es keine andere Beschlusslage in der Gemeinschaft gibt. Dann darf der Verwalter also nicht einfach das Verbandsvermögen belasten, vgl. RiinBGH Prof. Dr. Schmidt-Räntsch, ZWE 2015, 429.

2. Die Eigentümer ermächtigen den Verwalter durch ausdrücklichen Beschluss, die Mittel aus dem freien, nicht zweckgebundenen Verbandsvermögen zu entnehmen, obwohl eine Anfechtungsklage keine Verbandsstreitigkeit ist (beteiligt sind nämlich nicht der Verband Gemeinschaft sondern die einzelnen Eigentümer).

3. Die Eigentümer bilden im Wirtschaftsplan eine gesonderte Rücklage für Rechtsstreitigkeiten. Dies ist nach Ansicht des BGH im Urteil vom 17.10.2014 zu Az. V ZR 26/14 dann zulässig, wenn allgemein mit solchen Klagen zu rechnen ist (je nach Streitkultur in der jeweiligen Gemeinschaft) und nur solange noch kein Rechtsstreit konkret ansteht. Nur dann hat jeder Eigentümer das Risiko, verklagt zu werden. Diese Gleichbehandlung rechtfertigt die Belastung des klagenden Eigentümers mit der zwangsweisen Mitfinanzierung der Anwaltsvorschüsse für seine Gegner, die übrigen beklagten Eigentümer, wenn der Verwalter den Vorschuss aus dieser Rücklage entnimmt. Denn der Kläger muss den Zustand nur bis zur nächstfolgenden Jahresabrechnung dulden. In dieser sind die beklagten und vom mit Vorschüssen bezahlten Anwalt vertretenen Eigentümer mit den Kosten in den Einzelabrechnungen zu belasten. Diese haben dann also die Rücklage wieder aufzufüllen.

Liegt eine Interessenkollision vor (i. d. R. zumindest bei behaupteten groben Verwalterpflichtverletzungen als Ursache der Anfechtungsklage – ein Indiz ist der Kostenlastantrag gegen den Verwalter in der Klageschrift gemäß § 49 Abs. 2 WEG), hat die Zustellung sämtlicher Schriftsätze und Verfügungen durch das Gericht an den Ersatzzustellungsvertreter gemäß § 45 Abs. 2 Satz 2 WEG zu erfolgen. Ggf. muss der Verwalter dies veranlassen und das Gericht informieren, auch um seine eigene Rechtsverteidigung konfliktreduziert organisieren zu können. Ist ein Ersatzzustellvertreter nicht bestellt, ist dies eine Verwalterpflichtverletzung, wenn der Verwalter bislang entsprechende Beschlussanträge nicht zur Abstimmung gestellt bzw. die Eigentümer nicht über die Konsequenzen belehrt hat. Das Gericht kann einen Ersatzzustellvertreter für den konkreten Prozess bestimmen, wofür aber teils ganz erhebliche Zusatzkosten anfallen.

Ob die umfassende Vertretungsmacht des Verwalters auch besteht, wenn er als Zustellvertreter nach § 45 Abs. 1 WEG ausgeschlossen ist, hat der BGH im Urteil vom 05.07.2013 offen gelassen. Das LG Karlsruhe hält den Verwalter dennoch für vollumfänglich legitimiert, vgl. Urteil vom 07.08.2012, Az. 11 S 180/11. § 45 Abs. 2 WEG verdränge die generelle Empfangsvollmacht des Verwalters nur für die Zustellung der Klage selbst, nicht aber für die spätere Prozessvertretung.

Noreen Walther

Rechtsanwältin

im Kanzleiforum 06/2016

Rechtsanwälte Strunz ♦ Alter, Chemnitz