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Versicherungsrechtliche Entscheidungen und Schlussfolgerungen für die Wohnraumvermietung

Am 20.10.2021 urteilte der BGH, der Wohngebäudeversicherer habe nicht für Nässeschäden aufgrund einer undichten Fuge zwischen Dusche und Wand einzustehen, weil insoweit Wasser nicht aus einer in Teil A § 3 Nr. 3 S. 2 VGB 2008 genannten Quelle ausgetreten ist, Az. IV ZR 236/20. Gewöhnliche Silikonfugen sind keine Installationsgegenstände im Sinne des Kleinreparaturbegriffs der II. BV, der Mieter ist also nicht kostentragungspflichtig für die Instandhaltung und –setzung. Als sog. Wartungsfugen sollten sie nach 5 Jahren kontrolliert und ggf. erneuert werden. Sinnvoll erscheint es darüber hinaus, den Mieter in einer Anlage zum Mietvertrag, in welcher weitere Hinweise zum Umgang mit der Mietsache enthalten sind, für die Problematik zu sensibilisieren und ihn auf seine Anzeigepflicht für Risse u. Ä. hinzuweisen. Der Mieter ist zwar gemäß § 536 c BGB verpflichtet, dem Vermieter unverzüglich anzuzeigen, wenn sich im Laufe der Mietzeit ein Mangel der Mietsache zeigt oder wenn eine Maßnahme zum Schutz der Mietsache gegen eine nicht vorhergesehene Gefahr erforderlich wird. Ob er schadhafte Fugen jedoch als Mietmangel oder Gefahr in diesem Ausmaß begreift, ist zweifelhaft.

Für schuldhafte und rechtswidrige Pflichtverletzungen haftet der Mieter dem Vermieter, wenn diese kausal für einen Schaden des Vermieters sind, § 280 BGB. Man denke an Wasserschäden durch eine nicht korrekt angeschlossene Mischbatterie des Mieters oder infolge eines undichten Waschmaschinenschlauches, einen Brand verursacht durch eine umfallende Kerze oder durch einen unbeaufsichtigt erhitzten Topf und dergleichen mehr.

Schuld setzt mindestens leichte Fahrlässigkeit voraus, § 276 BGB. Diese Schwelle ist schnell überschritten.

Entschädigt die Wohngebäudeversicherung den Vermieter, geht der Entschädigungsanspruch auf diese über, § 86 Abs. 1 VVG. Ist ein Schaden durch die Wohngebäudeversicherung abgedeckt, hat der Mieter deren Prämien häufig über die Betriebskostenumlage anteilig mitfinanziert. In diesem Fall leistet er faktisch die Beitragszahlungen anstelle des Versicherungsnehmers anteilig und sollte deshalb auch in den Genuss der Versicherungsleistungen kommen.  Die Rechtsprechung hat über viele Jahrzehnte eine gefestigte Rechtsprechung zu dieser Thematik begründet:

Eine sog. ergänzende Vertragsauslegung ergebe, dass der Wohngebäude-Versicherer stillschweigend einen Regreßverzicht zugunsten des Wohnraummieters für Fälle einfach fahrlässig verursachter Schäden erklärt habe, BGH 23.10.2016, Az. IV ZR 52/14. Ziel des Regressverzichtes sei es, das Dauerschuldverhältnis zwischen den Mietparteien nicht unnötig zu belasten. Dieser Belastungsschutz gelte auch für den berechtigten Untermieter, so OLG Karlsruhe 13.03.2007, Az. 8 U 13/06, aber nicht für den unberechtigte Untermieter, vgl. LG Düsseldorf 17.10.2016, Az. 21 S 257/14.

Für den Vermieter ergebe sich daraus die Pflicht, nicht den Mieter, sondern die Versicherung nach einem leicht fahrlässig verursachten versicherungsrelevanten Schadensfall in Anspruch zu nehmen. Sieht er davon ab, muss er den Schaden am Mietobjekt gleichwohl auf eigene Kosten beseitigen, BGH ebd. Bis dahin darf der Mieter dementsprechend die Miete evtl. sogar mindern! Würde der Vermieter den Mieter auf Schadenersatz in Anspruch nehmen, könnte dieser eigene Schadenersatzansprüche in gleicher Höhe gegen den Vermieter aufrechnen, die auf der Verletzung der Pflicht zur Inanspruchnahme der Versicherung beruhen, §§ 241, 280, 387 BGB. Der Mieter muss aber seine durch den Brand zerstörten Sachen selbst entsorgen, BGH 21.01.2014, Az. VIII ZR 48/13. Schon bei grob fahrlässigen Pflichtverletzungen darf jedoch der Vermieter bzw. die Versicherung den Mieter auf Schadenersatz bzw. Regress in Anspruch nehmen, BGH 8.11.2000, Az. IV ZR 298/99; 26.10.2016, Az. IV ZR 52/14.

Wie ordnet die Rechtsprechung Fehlverhalten des Mieters ein?

  • leichte Pflichtwidrigkeit durch kurzzeitiges Verlassen der Küche bei versehentlich angeschaltenem aber funktionstüchtigen Ceranherd, OLG Sachsen-Anhalt 11.11.2013, Az. 6 U 21/13; bei Brand durch Entzündung von Öl in einem Topf auf dem Herd, den ein 12-jähriges Kind darauf abgestellt und vergessen hat, BGH 21.1.2014, Az. VIII ZR 48/13
  • grobe Fahrlässigkeit bei bewusstem Entweichenlassen von Butangas in geschlossenem Raum zur Herstellung von Cannabisöl ohne angeschlossenes Verbrauchsgerät; Benutzung von Brennspiritus an einem offenen Kamin, LG Oldenburg 22.06.2021, Az. 16 O 4029/20

 

Für den Vermieter bietet die Inanspruchnahme der Versicherung anstelle des schadensstiftenden Mieters auch den Vorteil, dass die Versicherung meist eine Neuwertentschädigung zahlt, zugunsten des Mieters aber stets der sog. Abzug neu für alt (Zeitwertabzug) Anwendung finden muss.

Falls der leicht fahrlässig schadensstiftende Mieter selbst eine Privathaftpflichtversicherung abgeschlossen hat, die eintrittspflichtig ist, darf der Wohngebäudeversicherer zwar den Mieter nicht in Regreß nehmen, weil dieser sonst für seine freiwillige Privatvorsorge bestraft würde. Da aber ein Fall der Mehrfachversicherung vorliegt, muss der Privathaftpflichtversicherer dem Wohngebäudeversicherer anteilig Ausgleich leisten, § 78 Abs. 2 Satz 1 VVG entsprechend.

Im Falle der groben Fahrlässigkeit haftet der Mieter ggf. quotal, bei Vorsatz vollständig allein.

Besondere Aufmerksamkeit gilt derzeit der Entwicklung der Rechtsprechung zur Haftung bei Akku-Bränden. Die damit einhergehenden Risiken sind allgemein deutlich unterschätzt, da kaum ein Verbraucher die Bedienungsanleitungen hierzu beachtet, die im Wesentlichen auch der Haftungsfreizeichnung der Hersteller dienen sollen. Das Laden von Lithium-Akkus ist für nahezu jeden inzwischen Alltag geworden, ohne zu beachten, dass diese Akkus eine besondere Brandgefahr darstellen können und deshalb das Laden nicht in der Nähe leicht brennbarer Gegenstände stattfinden darf, defekte oder tiefenentladene Akkus nicht mehr geladen werden dürfen, Akkus unbekannter Herkunft (z. B. gebraucht erworben) zusätzlich nur unter Aufsicht und dergleichen mehr. Das OLG Bamberg hat bspw. am 12.06.2019 zu Az. 1 U 34/19 verkündet, das im Keller neben Kleidungsstücken u. v. m. erfolgte unbeaufsichtigte Laden eines Lithium-Akkus in gebraucht in einer Onlinebörse für 8 € erworbenen Spielzeughelikopter stelle ein grob fahrlässiges Verhalten dar. Der Schaden belief sich auf über 30 T€.

 

 

Noreen Walther
Rechtsanwältin