Ukrainische Flüchtlinge und Wohnungswirtschaft 2022
Der Krieg in der Ukraine hat auch für Wohnungsunternehmen eine Thematik wieder in den Vordergrund treten lassen, die zuletzt im Jahr 2015 von Bedeutung war. Eine Vielzahl unserer Mandanten ist seit wenigen Wochen damit konfrontiert, dass nunmehr vermehrt Menschen mit ukrainischer Staatsangehörigkeit als Flüchtlinge Wohnraum benötigen. Die Flüchtlinge werden dabei von den Kommunen vertreten oder auch aus eigenem Antrieb heraus bei den Vermietern vorstellig. Dazu möchten wir Folgendes rechtlich umrahmen.
Die Flüchtlingswelle im Jahr 2015 unterschied sich von der heutigen bereits von den rechtlichen Grundlagen. Ein Aspekt war, dass es kaum detaillierte und in Kraft gesetzte Regelungen zum Umgang mit wohnungs- und arbeitssuchenden Flüchtlingen gab. Damals hatten Menschen wechselnde bzw. verschiedene Aufenthaltsstati, wurden in längerfristig aufgebauten Erstaufnahmeeinrichtungen betreut und wurden nach Kontingentschlüsseln auf die einzelnen Bundesländer verteilt. Arbeitserlaubnis, Asylverfahren und Aufenthaltsrecht sowie Mietverträge unterlagen langen Zeiträumen, bis diese gewährt oder abgeschlossen wurden. Im Bereich der Wohnungswirtschaft wurden zu einem kleinen Teil Mietverträge mit den Flüchtlingen selbst geschlossen, der Großteil der Mietverhältnisse wurde jedoch mit den Kommunen über sog. Sammelmietverträge geschlossen. Hierbei war für die Wohnungsunternehmen von praktischem Vorteil, dass – Ansprüche und Angelegenheiten die Wohnung betreffend – der Vertragspartner immer ein öffentlicher Träger war und damit Inhalte, Probleme und Widrigkeiten ohne zeitliche Verzögerung durch unbekannten Wegzug des Bewohners bzw. ohne finanzielle Risiken geklärt werden konnten.
Aktuell ist die zeitliche Schiene für entsprechende Regelungen sehr viel zügiger organisiert. Bereits am 04.03.2022 hat der Europäische Rat die sog. Massenzustrom-Richtlinie (Nr. 2001/55/EG) zur Aufnahme nach deren Art. 5 Abs. 1 beschlossen. Hierin wird die Gewährung eines vorrübergehenden Schutzes für ukrainische Kriegsflüchtlinge normiert. Somit sind Flüchtlinge aus der Ukraine nunmehr ab sofort in der Lage, sich im gesamten Europäischen Raum weitestgehend frei zu bewegen. Hierzu zählen auch Staatenlose und Nicht-Ukrainer, welche in der Ukraine vor dem Beginn des Krieges dort eine Aufenthaltserlaubnis hatten.
Das deutsche Aufenthaltsgesetz (AufenthG) sieht in § 24 aufgrund dessen nunmehr vor, dass Ukrainische Staatsbürger ohne Asylantrag zum vorrübergehenden Schutz sofort eine Aufenthaltserlaubnis bei der zuständigen Ausländerbehörde in der jeweiligen Kommune beantragen können. Diese wird zunächst für 1 Jahr erteilt und kann auf bis zu 3 Jahre verlängert werden. Anschließend wird nach der Registrierung durch die Behörde eine Anlaufbescheinigung bzw. ein Ankunftsnachweis erstellt, der die Menschen dann zum Bezug von Leistungen, z. B. für Unterkunft und Heizung, berechtigt. Explizit sind damit auch Leistungen für eine medizinische Grundversorgung, Bildungsrechte, Sozialleistungen sowie Arbeitsmarktzugänge gewährt.
An der Schnittstelle Leistungsbezug und Mietvertrag muss darauf hingewiesen werden, dass für ukrainische Flüchtlinge kein Anspruch auf SGB-II-Leistungen gegenüber dem Jobcenter besteht, sondern vielmehr soziale Grundleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). Für Unterkünfte und Wohnungen können Vermieter daher derzeit nur mit Kostenerstattungen nach diesen Regelungen rechnen. Auf diese noch ungeklärte Finanzierung von Mietzahlungen müssen sich Vermieter derzeit einstellen, zumal der begehrte Wohnraum oftmals möbliert und mit Einrichtungsgegenständen angefragt wird. Rechtsgrundlage für die erforderlichen Gelder ist hierbei zunächst § 3 Abs. 3 des AsylbLG, wobei dies grundsätzlich Sache der örtlichen Kommune bzw. des Landes / Bundes ist. Schon aus diesem Grunde legen wir nahe, Mietverträge entsprechend mit den öffentlichen Trägern zu schließen, da diese dann die Leistungen idealerweise direkt an den Vermieter auszahlen können. Gemäß § 549 Abs. 3 Ziff. 3 BGB sind Mietverträge mit juristischen Personen des öffentlichen Rechts (Kommunen, Landkreise, Behörden) auch gesetzlich vorgesehen. Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass vorliegend auch in diesen Fällen Wohnraummietrecht zur Anwendung kommt, § 578 Abs. 3 BGB. So gelten auch hier die üblichen Kündigungsfristen und Kündigungsgründe, die bei Wohnraummietern üblich sind. Gewerbemietrecht, und damit Abweichungen, sind mithin unwirksam. Die mit Kommunen und Landkreisen abgeschlossenen Mietverträge für Flüchtlinge binden den Vermieter und den Globalmieter (Kommunen, Landkreis) daher vergleichbar mit sonstigen Mietern für Wohnraum. Entsprechende Rahmenverträge mit Einzelobjektvereinbarungen stellen wir gern zur Verfügung. Sofern Vermieter Leihverträge o. Ä. mit den Kommunen nutzen, ist auf möglicherweise bestehende Steuerfolgen hinzuweisen (verdeckte Gewinnausschüttung, Schenkung etc.)
In Fällen, in denen ukrainische Flüchtlinge bei bereits wohnenden Mietern als Untermieter unterkommen möchten, ist auf das üblicherweise in den Mietverträgen normierte Zustimmungserfordernis des Vermieters hinzuweisen. Dies bedeutet zudem, dass der Vermieter grundsätzlich einer über die nur kurzzeitige Aufnahme hinweg andauernden Belegung der Wohnung zustimmen muss und entsprechende Meldungen von seinen Mietern abfordern sollte. Die Versagung einer Zustimmung dürfte aufgrund des derzeit hohen moralischen und tagespolitischen Drucks schwierig sein, kann aber im Fall einer drastischen Überbelegung durchaus erfolgen.
Sofern die zuständigen Behörden vom Vermieter eine Wohnungsgeberbestätigung bzw. eine entsprechende Bescheinigung abfordern, ist diese nur zu erstellen, sofern die Flüchtlinge selbst Mietpartei sind. Sollten Flüchtlinge aber als Untermieter auftreten oder eine von der Kommune gemietete Wohnung nutzen, reicht eine Zustimmungs-/ Genehmigungserklärung für das Untermietverhältnis in juristischer Hinsicht für die Behörde aus. In diesem Fall ist der Mieter selbst Wohnungsgeber und entsprechend gegenüber der Behörde verpflichtet, da er für den Untermieter als Besitzmittler auftritt. Dieser Umstand ist nach unseren Erfahrungen noch nicht bei allen Behörden bekannt und sollte klar kommuniziert werden.
Mit Blick auf Wohnungsgenossenschaften sollte unbedingt daran erinnert werden, dass der Umfang des Nichtmitgliedergeschäfts im Auge behalten wird. Aufgrund der finanzrechtlichen Infektionstheorie im Gewerbesteuerrecht besteht mithin die Gefahr, dass bei einem Übermaß an gewerblichen Miet- und Mitgliedschaftsverhältnissen (ohne eine vollständige Übernahme von Miete und Genossenschaftsanteilen durch die anmietende Kommune) die steuerschädliche Aberkennung der Befreiung nach § 5 Ziff. 10 KStG eintreten kann.
Migrationsforscher rechnen mit bis zu 10 Millionen Flüchtlingen für Europa in den nächsten Monaten, so dass sich die Wohnungswirtschaft auf besondere Situationen und ein Übermaß an Wohnungsbedarf einstellen sollte.
Sebastian Tempel
Rechtsanwalt