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Stundungen und Ratenzahlungen zugunsten von Mietern – Haftungsgefahr für Vorstände und Geschäftsführer?

Anlässlich der aktuellen wirtschaftlichen Entwicklungen der letzten beiden Jahre, vornehmlich durch die steigenden Energie- und Verbraucherpreise sowie eine hohe Inflation bedingt, sind viele Mieter in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Dies wirkt sich seit mehreren Monaten auch auf die Zahlung von Mieten, Betriebskostenvorauszahlungen sowie Nachzahlungen nach Abrechnung selbiger aus. Mit Blick auf die wohl weiterhin noch mindestens ein Jahr erhöhten Kosten für Heizung und Strom ergibt sich für Wohnungsunternehmen die dringende Notwendigkeit, ihre Liquidität zu schützen und die Mietenbuchhaltung engmaschig zu überwachen. Ein probates Instrument für säumige Mietzahlungen sind daher Stundungs- sowie Ratenzahlungsvereinbarungen, die auch eine Vielzahl unserer Mandanten bereits nutzen.

Dabei ist von den Geschäftsführern und Vorständen der Wohnungsunternehmen stets die eigene Verantwortlichkeit im Rahmen ihrer Leitungsfunktion im Auge zu behalten. Die Geschäftsführungsbefugnis umfasst alle zur Verfolgung des Gesellschaftszwecks erforderlichen gewöhnlichen Maßnahmen, also sämtlichen tatsächlichen und rechtlichen Handlungen, die der gewöhnliche Betrieb des Handelsgewerbes der Gesellschaft mit sich bringt. Die Befugnisse des Geschäftsführers können im Gesellschaftsvertrag beschränkt werden. Hierbei können z.B. die Vornahme einzelner Geschäfte von der Zustimmung der Gesellschafterversammlung abhängig gemacht werden. Neben der Treuepflicht, dem Wettbewerbsverbot und Auskunftspflichten ist grundsätzlich die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters/Geschäftsmannes anzuwenden (§ 43 Abs. 1 GmbHG, § 34 Abs. 1 Satz 1 GenG). Die Fallgruppen als auch die Rechtsprechung zu dieser Thematik sind umfangreich und vielseitig, prinzipiell haftet die GmbH-Geschäftsführung als auch das Vorstandmitglied einer Genossenschaft jedoch bei Nichtbeachtung oder Verletzung dieses Sorgfaltsmaßstabs persönlich (§ 43 Abs. 2 GmbHG, § 34 Abs. 2 GenG).

Im Bereich des Mietforderungsmanagements als wesensimmanentes Grundlagengeschäft sollte daher unbedingt darauf geachtet werden, dass der Gewährung von Stundungen und Ratenzahlungen – beide haben Darlehenscharakter – eine vernünftige unternehmerische Entscheidung zugrunde liegt, welche auf belastbaren und substantiierten Informationen basiert. Die Eigenverantwortung der Geschäftsleitung ermöglicht zwar eine weiten Handlungsspielraum, welcher auch das bewusste Eingehen von Risiken bis hin zur Gefahr einer Fehlbeurteilung oder Fehleinschätzung miteinschließt, gleichwohl sollten keine hohen Schäden riskiert werden, wenn keine vernünftigen geschäftlichen Gründe dafürsprechen. Sofern aber die Liquidität durch großflächig drohenden Forderungsausfall erheblich gefährdet wird, sind weitreichende Handlungsspielräume durchaus realistisch.

Sollten sich Geschäftsführung oder Vorstandsmitglieder daher dafür entscheiden, ihre Mieterschaften vor einer Kündigung des Mietverhältnisses zu schützen und diese bei finanziellen Schwierigkeiten zu unterstützen, sollten auch bestimmte Maßnahmen die Grundsätze für umfangreiche Stundungen und Ratenzahlungsvereinbarungen flankieren.

Vorschlagsweise sollte Folgendes unbedingt beachtet werden:

  • Prüfung der Klauseln in Gesellschaftsverträgen, Satzungen sowie Anstellungsverträgen, inwieweit und bis zu welchen Wertgrenzen Rechtsgeschäfte oder Willenserklärungen der Geschäftsleitungen grundsätzlich zustimmungs- oder genehmigungsfrei erfolgen dürfen
  • Protokollierung und Beschlussfassung in den Aufsichtsräten wegen prinzipieller Zustimmung für Kreditgewährungen an Schuldner (Mieter oder sonstige Dritte)
  • Protokollierung und Beschlussfassung in den Gesellschafterversammlungen / Vertreter- oder Mitgliederversammlungen wegen prinzipieller Zustimmung für Kreditgewährungen an Schuldner (Mieter oder sonstige Dritte), sofern dies erforderlich ist (z. B. wg. § 49 GenG)
  • Definition von Gesamtkredithöchstgrenzen je Schuldner (z. B. 12 Mieten)
  • Definition einer zeitlichen Befristung der Kreditierung je Schuldner (z. B. 2 Jahre)
  • Entlastungsvereinbarungen für Verpflichtungen bei verbundenen Mutter-Tochter-Schwester-Enkel-Unternehmen (Stadtwerke, Verbandsgemeinschaften, Wasserwerke etc.)
  • Bildung von Rücklagen und Prüfung von Fremdfinanzierunginstrumenten (Ausfallrisiken) in Absprache mit Steuerberatern/ Wirtschaftsprüfern
  • Einbindung von staatlichen Leistungsansprüchen der Schuldner in die Vereinbarungen
  • Effizienzsteigerung bzw. Umstrukturierung in Mietenbuchhaltung, Controlling, Wohnungsverwaltung und Kundenbetreuung sowie Schulung von Personal (z. B. Verwendung einheitlicher/ vereinfachter Muster)

In jedem Falle sollte beachtet werden, dass die Wohnungswirtschaft weder fremde Insolvenz- noch Inkassorisiken bei Schuldnern uferlos tragen darf, noch dass Anreize zum Aufbau von Mietrückständen und Vermögensverfall bei Schuldner geschaffen werden. Ein besonderes Risiko stellen hierbei auch Insolvenzanfechtungsansprüche dar. Die hierzu neue gläubigerfreundliche Regelung in § 133 Abs. 3 Satz 2 InsO stellt den Abschluss von Ratenzahlungsvereinbarungen oder Stundungen zwar nicht per se unter Verdacht einer anfechtbaren Handlung, gleichwohl ist das langzeitige Dulden von nicht unerheblichen Schulden verbunden mit unregelmäßigen Teilzahlungen durchaus risikobehaftet. Teilweise können im ungünstigsten Fall sämtliche Nach- oder Ratenzahlungen von Schuldnern für einen Zeitraum von 10 Jahren rückwirkend an Insolvenzmassen zu erstatten sein.

Ansprüche von Mietern auf Stundung oder Ratenzahlung bestehen zum aktuellen Zeitpunkt nicht. Soweit gesetzliche Zahlungsverweigerungsrechte (z. B. Mietmoratorien und Kündigungsverbote der Vermieter) bestehen, sollten diese in den Beschlussfassungen der Unternehmensorgane sowie den Vereinbarungen mit den Schuldnern als ‘nicht in Stundungen oder Ratenzahlungen einbezogen‘ klassifiziert werden.

 

Sebastian Tempel
Rechtsanwalt