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Sorgfalts- und Treuepflichten des Vorstandes einer Genossenschaft

Einen sehr wesentlichen und den Statuten von Genossenschaften zugrunde liegenden Aspekt stellt die Redlichkeit von deren Leitungs- und Kontrollorganen, insbesondere dem Vorstand, dar.

Hierbei kam und kommt es regelmäßig und immer wieder zu Problemen – auch mangels Unkenntnis der Reichweite des Erlaubten bzw. Unterschätzung der Grenzen des redlichen Handelns. Daher wurden vom Gesetzgeber die Pflichten und Rechte des Vorstandes festgeschrieben, wobei diese in der einschlägigen Satzung der Genossenschaft nebst den jeweiligen Geschäftsordnungen bestätigt, ergänzt, nicht jedoch beschnitten werden können. Zu den Vorschlägen unserer Kanzlei zur Gestaltung einer Compliance darf auf den Beitrag im Kanzleiforum von Dezember 2012 hingewiesen werden.

Gemäß § 34 Abs. 1 GenG haben Vorstandsmitglieder bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einer Genossenschaft anzuwenden, wobei über bekannte oder bekannt werdende vertrauliche Angaben und betriebliche Geschäftsgeheimnisse Stillschweigen zu bewahren ist. Sofern Vorstandmitglieder diese Pflichten, die in den Satzungsregelungen weiter definiert und namentlich aufgeführt werden können, verletzen, sind sie der Genossenschaft zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet, § 34 Abs. 2 GenG. Ist die Pflichtverletzung streitig, müssen die Vorstandsmitglieder, denen die Pflichtverletzung zur Last gelegt wird, das Gegenteil darlegen und beweisen. Der Bundesgerichtshof hat hierbei in seinem wegweisenden Beschluss vom 08.01.2007 (Az.: II ZR 304/04) die Anforderungen an die Genossenschaft als gering betrachtet, als dass diese nur darlegen und beweisen muss, dass möglicherweise durch ein pflichtwidriges Verhalten von Vorstandmitgliedern ein Schaden in dessen Pflichtenkreis entstanden sein muss. Dies ist verständlicherweise zügig zu realisieren, wogegen das betroffene Vorstandsmitglied dem Vorwurf mit weit größerem Umfang und Aufwand entgegentreten muss, z. B. dass bei pflichtgemäßem Alternativverhalten der Schaden nicht hätte verhindert werden können. Weitere Ansprüche können sich neben § 34 Abs. 2 GenG z. B. aus §§ 852 Satz 1, 823 Abs. 2, 812 Abs. 1 Satz 1, 134 BGB oder § 826 BGB ergeben.

Zu Hilfe kommt den Vorständen dabei der Aspekt des „Business Judgement Rule“, der dem § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG zu entnehmen ist. Nach diesem Grundsatz, der das Handlungsermessen bei unternehmerischen Entscheidungen des Vorstandes systematisch und grundsätzlich erfassen und regeln soll, können zukunftsbezogene Entscheidungen zulässig sein, die das Vorstandsmitglied vernünftigerweise und auf Grundlage angemessener Information und zum Wohle der Genossenschaft oder Gesellschaft trifft. Obgleich hierbei auch das Eingehen unternehmerischer Risiken nebst Fehlurteilen und Fehleinschätzungen umfasst ist, muss die unternehmerische Entscheidung stets zum Wohle der Gesellschaft/ Genossenschaft getroffen werden (BGBl. I 2005, S. 2802). Hierbei sind als Kardinalspflichten der Vorstandsmitglieder explizit die Gesetze und Satzungsregelungen zu beachten (vgl. BGH, Urt. v. 01.12.2003 – II ZR 216/01) aber auch Denkgesetze, Erfahrungssätze, Verkehrssitten sowie gewohnheitliche Gepflogenheiten der Genossenschaft (BGH, Beschl. v. 08.01.2007 – II ZR 304/04).

Daher ist bei sämtlichen Rechtsgeschäften oder Abgabe von Willenserklärungen, die nicht den routinemäßigen Ablauf der geschäftsführenden Tätigkeit betreffen, Vorsicht geboten. Es sollte daher stets vorab überprüft werden, ob das angedachte Handeln sämtliche Vorgaben der Satzung, der Gesetze sowie weiteren genannten Regelungen entspricht.

Hierbei unbedingt zu prüfen sind auch sog. Umgehungsgeschäfte, z. B. durch sog. (echte) Verträge zugunsten eines Dritten gemäß § 328 BGB, sog. „Geschäfte übers Eck“ mit Dritten sowie insbesondere auch sog. „Insichgeschäfte“ mit eigenen Unternehmensbeteiligungen der Vorstandsmitglieder oder deren nahestehenden Personen. Auch diese Vorgänge können Bestandteil eines Schadensersatzanspruches der Genossenschaft sein und dem beteiligten Vorstandmitglied zugerechnet werden.

Ansprüche aus der Organhaftung verjähren gemäß § 34 Abs. 6 GenG nach Ablauf von 5 Jahren. Der Fristbeginn für die Verjährung fällt auf den Zeitpunkt, in dem der Schaden entsteht (§ 200 Satz 1 BGB). Deliktische Ansprüche verjähren bei Anspruchskonkurrenz in drei Jahren ab Kenntnis bzw. grob fahrlässiger Unkenntnis des Anspruchs und des Verursachers gemäß §§ 195, 199 Abs. 1 BGB. Unabhängig von der Kenntnis verjähren die deliktischen Ansprüche in zehn Jahren ab ihrer Entstehung, § 199 Abs. 3 BGB. Diesbezüglich kommt es daher entscheidend auf den Zeitpunkt der Kenntnis der Genossenschaft an. Erstmals dürfte die Verjährungsfrist beginnen, sobald ein weiteres (oder neues) Vorstandsmitglied die Möglichkeit hatte, sich anhand der Aktenlage über die Rechtsgeschäfte zu informieren. Der Bereicherungsanspruch gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB verjährt innerhalb von 3 Jahren. Gleichwohl erweitert § 852 Satz 2 BGB die Verjährung des Bereicherungsanspruches bei einer Unerlaubten Handlung auf 10 Jahre, wobei deren Frist mit Entstehung des Anspruches anfängt.

Sebastian Tempel
Rechtsanwalt

im Kanzleiforum 06/2013

Rechtsanwälte Strunz ♦ Alter, Chemnitz