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Sind Mieterstrommodelle reif für die Praxis?

Seit vielen Jahren schon werden unter dem Begriff Mieterstrom verschiedene Geschäftsmodelle in der Wohnungswirtschaft diskutiert und praktiziert. Der Gesetzgeber hat Mieterstrom aber relativ eng definiert. Er versteht darunter ausschließlich die Lieferung von Strom, der am Gebäude durch Photovoltaik erzeugt wird, an Gebäudenutzer. Nicht erfasst sind demnach andere Arten der Stromerzeugung, wie beispielsweise aus dem Betrieb eines Blockheizkraftwerks, das neben der Wärme für Heizung auch Strom erzeugt.

Das Mieterstrommodel nach dem EEG warbis zur Novellierung des EEG 2020 für die Wohnungswirtschaft weitestgehend unattraktiv, da mit zahlreichen Beschränkungen versehen. Hinzu kamen steuerliche Hürden. Die steuerlichen Hemmnisse wurden durch Änderungen im Gewerbe- und Körperschaftsteuergesetz weitgehend beseitigt. So führen Einnahmen aus Mieterstromlieferungen bis zu 10 % der Gesamteinnahmen eines Unternehmens nicht mehr dazu, dass die erweiterte Kürzung der Gewerbesteuer für Vermieter entfällt. Hinsichtlich der Körperschaftsteuerbefreiung wurde für Vermietungsgenossenschaften die relevante Umsatzgrenze für Umsätze, die nicht aus der Vermietung resultieren, geändert. Die bisherige Grenze wurde von 10 % auf 20 % erhöht, soweit es sich bei den 10 % übersteigenden Einnahmen ausschließlich um Einnahmen aus Mieterstrom handelt.

Darüber hinaus wurden aber auch die Rahmenbedingungen für den Mieterstrom nach dem EEG für die Wohnungswirtschaft verbessert. Dabei sind als wesentliche Änderungen zu erwähnen, dass der für die Einordnung als Mieterstrom relevante räumliche Zusammenhang zwischen der Erzeugung und dem Verbrauch des Stroms erweitert wurde. Nach den neuen Regeln kann Mieterstrom auch an Bewohner des Quartiers geliefert werden und nicht ausschließlich an Bewohner des Gebäudes, an dem die Photovoltaikanlage installiert ist.

Für Wohnungsunternehmen, die nicht selbst als Stromlieferant auftreten wollen, ist eine Neuregelung hilfreich, nach der der Gebäudeeigentümer als Anlagenbetreiber auch Dritte, zum Beispiel Energiedienstleister wie Stadtwerke,
damit beauftragen kann, die Stromlieferung an die Mieter im sogenannten Lieferkettenmodell durchzuführen. Im Fall des Lieferkettenmodells kann der Anlagenbetreiber auch den neu geregelten Mieterstromzuschlag als Förderung erhalten.

Auch wenn die steuerlichen Rahmenbedingungen verbessert und die Anwendungsbereiche der Mieterstromförderung ausgeweitet wurden, sind mit der Durchführung umfangreiche Erlaubnis- und Meldepflichten verbunden. Darüber hinaus müssen Umlagen (beispielsweise die EEG-Umlage) abgeführt und Rechnungen unter Berücksichtigung der umfangreichen Vorgaben des Energierechts erstellt werden. Auch hängt der wirtschaftmindestliche Erfolg eines  Mieterstromprojektes davon ab, wie sich die Marktpreise für Haushaltsstrom entwickeln und wie viele Mieter sich für den Mieterstrom entscheiden.Letztlich ist die Höhe des Mieterstromzuschlags von der Leistung der jeweiligen
Photovoltaikanlage ab.

Auch wenn zurecht Mieterstromlieferung als aufwändig und die Regelungen dazu als unübersichtlich wahrgenommen werden, ist zu bedenken, dass in einigen Bundesländern eine „Solardachpflicht“ bereits beschlossen ist oder  entsprechende Gesetzgebungsverfahren laufen. Nicht zuletzt ist auch auf Bundesebene die „Solardachpflicht“ auf der politischen Agenda angekommen. Rechnet sich der Aufwand für Einzelanlagen wegen des hohen administrativen Aufwands vielleicht noch nicht, so könnte sich dies bei einer Nachrüstpflicht für Bestandsgebäude ändern. Immobilieneigentümer sollten daher frühzeitig, eventuell auch unter Einbeziehung von Energiedienstleistern im  Lieferkettenmodell, Erfahrungen sammeln, um später mit ausreichender Erfahrungsbasis zu entscheiden, ob Mieterstrom nicht doch zum Kerngeschäft gehören sollte.

Martin Alter
Rechtsanwalt