Die organschaftliche Vertretungsmacht bei der kommunalen GmbH
Anlässlich eines am 18.11.2016 ergangenen Urteils des Bundesgerichtshofes (BGH, Az.: V ZR 266/14) möchten wir einen oftmals unterschätzten Problempunkt im Bereich der kommunalen GmbH in den Fokus rücken. Der BGH hat in dem oben genannten Urteil entschieden, dass die Vertretung einer bayerischen Gemeinde durch deren Bürgermeister im Außenverhältnis gemäß der Bayrischen Gemeindeordnung immer allumfassend und unbeschränkt gilt. Es wurde weiter festgestellt, dass die Gemeinde dann stets durch sämtliche Rechtshandlungen des Bürgermeisters berechtigt und verpflichtet wird, auch wenn diese ohne einen eigentlich erforderlichen Beschluss des Gemeinde- oder Stadtrates vorgenommen wurden.
Die einschlägige Regelung findet sich in Artikel 38 GO BY und entspricht zum Großteil den Normen in § 51 Abs. 1 SächsGemO, § 31 Abs. 1 ThürKO und §§ 96 Abs. 4, 60 Abs. 2 KVG LSA. Nach diesen Vorschriften ist der Bürgermeister Vorsitzender des Gemeinderats und Vertreter der Gemeinde (nach außen). In diesem Kontext ist der Bürgermeister zugleich Vorsitzender der Gesellschaftversammlung bei den kommunalen Unternehmen in Privatrechtsform kraft Amtes, zumeist auch gleichzeitig noch Aufsichtsratsvorsitzender kraft Abstimmung.
Daher sollten Geschäftsführer von kommunalen GmbHs regelmäßig prüfen oder zumindest überwachen, inwieweit der Bürgermeister hier Aufgaben, Kompetenzen oder auch Handlungsbefugnisse ausübt, die auf die Gesellschaft auch ohne Gesellschafterbeschluss Auswirkungen haben können.
Explizit hat auch bereits das Bundesarbeitsgericht (BAG) für das Land Sachsen die unbeschränkte Vertretungsmacht des Bürgermeisters bejaht und dessen eigenmächtige rechtsgeschäftliche Erklärungen gegenüber Dritten für verbindlich erklärt. So sind Situationen denkbar, in denen der Bürgermeister keinen Beschluss der Gesellschafterversammlung erwirkt, aber (situationsbedingt) eigenmächtig wirksame Anweisungen oder Erklärungen als Gesellschaftervertreter gibt. Dies kann am Ende Schaden für die Gesellschaft und den Gemeinderat bzw. Stadtrat bedeuten. Haftungsfragen für die Geschäftsführer wegen vermeidbarer Irrtümer und Sorgfalt des gewissenhaften Kaufmanns dürften gleichfalls folgen.
In diesen Kontext ist mithin auch der neuerliche Beschluss des BGH vom 12.01.2017 (Az.: IX ZR 95/16) zu beachten, in dem eine sogenannte harte Patronatserklärung gegenüber einem Gläubiger des Tochterunternehmens die volle Zahlungspflicht des Mutterunternehmens herbeiführte. Dieses aus dem Insolvenzrecht kommende Problem ist aber deshalb im Lichte der kommunalen GmbH bedeutsam, da auch hier oftmals auch mit Schwester- bzw. Tochterunternehmen in Form von weiteren kommunalen GmbHs gearbeitet wird. Auch hierbei erfolgen oft anteilige Zahlungszusagen, Zusicherungen und sogar Ausfallversprechen von Bürgermeistern, Aufsichtsratsvorsitzenden sowie anderen Organteilen. Hier ist als Geschäftsführer unbedingt zur Vorsicht zu raten, da die Erklärungswirkung bei Unkenntnis des unabhängigen Dritten volle Rechtswirkungen zu Lasten des Unternehmens entfalten können, da dann daraus auch Direktzahlungsansprüche gegen die Gesellschaft entstehen können.
Letztlich gibt es in dem Spannungsfeld Gesellschaftsrecht und Kommunalrecht nicht nur Kompetenzgerangel, sondern oftmals auch Abgrenzungsschwierigkeiten von Tätigkeits- und Verantwortungsbereichen. Die Rechtsfolgen der Haftungen trifft dann zumeist aber nur die Gesellschaft bzw. deren Geschäftsführer/-innen.
Gern stehen wir für Ihre Anfragen zur Verfügung.
Sebastian Tempel
Rechtsanwalt
in Kanzleiforum 03/2017
Rechtsanwälte Strunz ♦ Alter, Chemnitz