Mieterstrom und Kundenanlage – Welche Auswirkung hat die Rechtsprechung von EuGH und BGH
Durch neue Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) und des Bundesgerichtshofs (BGH) zur richtlinienkonformen Auslegung des Begriffs der Kundenanlage in § 3 Nr. 24a Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) sind auch verschiedene Modelle der Mieterstromversorgung betroffen. Derzeit herrschte insoweit einige Verunsicherung bei der Umsetzung neuer Mieterstromprojekte.
In einem Verfahren über das Bestehen von Verpflichtungen eines Stromnetzbetreibers, u.a. zur Ausstattung mit Messgeräten, hatte der EuGH auf Vorlage des BGH zu klären, ob die Verbindungsleitungen von einem Blockheizkraftwerk zu den versorgten Mehrfamilienhäusern als Kundenanlage gemäß § 3 Nr. 24a EnWG anzusehen sind oder den Regelungen für Verteilernetze unterfallen. In letzterem Fall wäre es Sache des Blockheizkraftwerkbetreibers und Eigentümers der Verbindungsleitungen als Netzbetreiber auch die Aufgaben des Messstellenbetreibers zu erfüllen.
Das EnWG definiert in § 3 Nr. 24a als Kundenanlage: Energieanlagen zur Abgabe von Energie, die sich auf einem räumlich zusammengehörenden Gebiet befinden …., mit einem Energieversorgungsnetz oder mit einer Energieerzeugungsanlage verbunden sind, für die Sicherstellung eines wirksamen und unverfälschten Wettbewerbs bei der Versorgung mit Elektrizität und Gas unbedeutend sind und jedermann zum Zwecke der Belieferung der angeschlossenen Letztverbraucher im Wege der Durchleitung unabhängig von der Wahl des Energielieferanten diskriminierungsfrei und unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden.
Dem Wortlaut nach unterfiel demnach die Anlage des Blockheizkraftwerkbetreibers dem Begriff der Kundenanlage. Nach den Feststellungen des EuGH muss die Regelung des EnWG allerdings richtlinienkonform ausgelegt werden. Die entsprechende europäische Richtlinie ((EU) 2019/944 – Elektrizitäts-RL) sieht eine Gleichbehandlung aller Verteilernetze vor.
Der EuGH versteht unter Verteilernetz ein Netz, dass der Weiterleitung von Elektrizität mit Hoch-, Mittel- oder Niederspannung dient, die zum Verkauf an Großhändler und Endkunden bestimmt ist.
Zugelassene Abgrenzungskriterien zum Verteilernetz sind daher nur Spannungsebenen und bestimmte Kundenkategorien. Darüber hinaus lässt die Richtlinie Ausnahmen für die Bürgerenergiegemeinschaft, geschlossene Verteilernetze, kleine Verbundnetze und isolierte Netze zu. Dies hat der EuGH in verschiedenen Urteilen allerdings ebenfalls nur durch Auslegung der Richtlinie ermittelt, da die Richtlinie gerade keine ausdrückliche Definition des Begriffs Verteilernetz enthält.
Die in § 24a EnWG vorgesehenen Kriterien sind für die Abgrenzung vom Verteilernetz nach der Ansicht der europäischen Richter nicht geeignet. Kundenanlage kann daher nur sein, was nicht zugleich Verteilernetz nach der Auslegung des EuGH ist.
Der BGH hat diese Rechtsauffassung des EuGH in seinem Urteil vom 13.05.2025 (EnVR 83/20) übernommen.
Problematisch ist die Rechtsprechung, da die Nutzung einer Kundenanlage und demnach auch die Abgrenzung der Kundenanlage vom Verteilernetz bei der Frage eine Rolle spielt, welche Regelungen im Rahmen der Mieterstrombelieferung Anwendung finden. Sobald ein „öffentliches“ Verteilernetz genutzt wird, fallen auch entsprechende Umlagen, Abgaben, Steuern und Nutzungsentgelte an. Zudem sind Verteilernetze einer umfangreichen Regulierung unterworfen. Die wirtschaftlichen Vorteile der Nutzung von im Objekt erzeugten Strom für die Versorgung der Mieter vor Ort hängen demnach davon ab, dass ein öffentliches Netz nicht genutzt wird.
Nach den umfangreichen Ausführungen des EuGH und des BGH bleibt gleichwohl die Frage offen, wie konkret das Verteilernetz von Haus- und Kundenanlagen abgegrenzt werden kann, da entsprechend nutzbare Definitionen in der nationalen Gesetzgebung, konkret im EnWG, bislang fehlen. Auch der am 06.07.2025 veröffentlichte Referentenentwurf zur Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes gibt darauf keine Antwort. In diesem wird die Definition der Kundenanlage unverändert übernommen.
Teilweise werden Befürchtungen geäußert, dass selbst die Hausanlage im Gebäude zumindest in Teilen dem Begriff des Verteilernetzes unterfallen könnte.
Der Gesetzgeber hat zumindest im vorliegenden Gesetzentwurf vom 06.07.2025 die Ausnahmeregelung für Bürgerenergiegemeinschaften erstmals vorgesehen. Die Regelungen könnten eventuell von Genossenschaften für die Versorgung ihrer Mitglieder nutzbar gemacht werden. Voraussetzung ist danach allerdings, dass die versorgten Endkunden auch zugleich Mitglieder der Versorgergesellschaft sind.
Im Einzelnen bleiben viele Punkte derzeit offen. Der Gesetzgeber ist daher gefordert für Rechtssicherheit zu sorgen und entsprechende Änderungen möglichst noch in das angestoßene Verfahren zur Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes aufzunehmen. Nur auf diese Weise wird die notwendige Rechtssicherheit für die Gestaltung von Mieterstrommodellen wiederhergestellt werden können.
Martin Alter
Rechtsanwalt