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Hausgeldforderungen bei Masseunzulänglichkeit in der Insolvenz des Wohnungseigentümers

Wird über das Vermögen eines Wohnungseigentümers das Insolvenzverfahren eröffnet, wird das Wohnungseigentum Teil der Insolvenzmasse, die von der Verfügungs- und Verwaltungsbefugnis des Insolvenzverwalters, gem. § 80 InsO umfasst wird. Nach herrschender Meinung ist der Insolvenzverwalter verpflichtet, die nach Insolvenzeröffnung fällig werdenden Hausgeldforderungen aus der Insolvenzmasse als Masseschulden zu begleichen. Häufig tritt jedoch der Fall auf, dass der Insolvenzverwalter buchstäblich genauso zahlungsunfähig ist wie der Insolvenzschuldner selbst. Diesen Zustand nennt die Insolvenzordnung Masseunzulänglichkeit, § 208 InsO.

1. Begriff: Masseunzulänglichkeit

Die Anzeige der Masseunzulänglichkeit gem. § 208 InsO erfolgt gegenüber dem Insolvenzgericht. Die Masseunzulänglichkeitsanzeige ist gem. § 208 Abs. 2 InsO öffentlich bekannt zu machen. Die Bekanntmachung kann im Internet unter www.insolvenzbekanntmachungen.de abgerufen werden.

Bei Anzeige von Masseunzulänglichkeit ist bei den gegen die Masse geltend gemachten Forderungen zu unterscheiden zwischen sog. Altmasseverbindlichkeiten, also Forderungen, die vor der Anzeige begründet worden oder entstanden sind, und sog. Neumasseverbindlichkeiten, die nach der Anzeige begründet oder entstanden sind. Nach § 209 Abs. 1 InsO sind bei Masseunzulänglichkeit zunächst die Kosten, dann die Neumasseverbindlichkeiten und dann die Altmasseverbindlichkeiten zu befriedigen. Dies führt in aller Regel dazu, dass allenfalls die Neumasseverbindlichkeiten vollständig befriedigt werden. Auf die Altmasseverbindlichkeiten entfällt – wenn überhaupt – eine Quotenzahlung. Auf Insolvenzforderungen entfällt keine Quote.

Der Insolvenzverwalter steht hinsichtlich einer Wohnung, die Teil der Insolvenzmasse ist, in der Regel vor der Entscheidung, ob er diese bei Masseunzulänglichkeit aus der Insolvenzmasse freigibt und/oder Masseunzulänglichkeit anzeigt.

2. Pflicht des Insolvenzverwalters zur Freigabe der Wohnung?

Das Oberlandesgericht Düsseldorf hatte in einer spektakulären Entscheidung aus dem Jahre 2006 (ZfIR 2007, 870) entschieden, den Insolvenzverwalter treffe eine insolvenzspezifische Pflicht, die bei Nichtbeachtung zu einer Haftung des Insolvenzverwalters führe, das Wohnungseigentum aus der Masse freizugeben, sobald erkennbar sei, dass die Wohngeldverbindlichkeiten aus der Masse nicht beglichen werden könnten. Diese Entscheidung wurde zwar in der wohnungseigentumsrechtlichen Literatur begrüßt, ist aber vor dem Hintergrund des Sinns und Zwecks der Freigabemöglichkeit auch kritisiert worden. Die Freigabe soll nach allgemeiner Meinung dem Insolvenzverwalter die Möglichkeit geben, solche Gegenstände aus der Masse herauszugeben, die letztliche keinen Verwertungserlös erwarten lassen (so Lüke, ZWE 2010, 62, 66). Die Auffassung des OLG Düsseldorf greift daher zu kurz: nicht auf die Zahlung von Wohngeld sondern auf die Möglichkeit der Verwertung kommt es bei der Freigabe an. Die Freigabe wird überdies in das Ermessen des Insolvenzverwalters gestellt, um die Masse und nicht die Interessen einzelner Gläubiger zu schützen, was auch mit dem unumstößlichen Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung korrespondiert. Letztlich kann in diesem Zusammenhang rein faktisch dahinstehen, welcher Ansicht man sich anschließen möchte. Es dürfte tatsächlich keinen Unterschied machen, ob Hausgeldzahlungen aus der Insolvenzmasse oder aus dem pfandfreien Vermögen des Schuldners nicht erfüllt werden können. Vor diesem Hintergrund dürfte es auch regelmäßig an einem Schaden fehlen, der gegenüber dem Insolvenzverwalter geltend gemacht werden könnte.

3. Pflicht des Insolvenzverwalters zur rechtzeitigen

Anzeige von Masseunzulänglichkeit?

Der Bundesgerichtshof hat mit seiner Entscheidung vom 21.10.2010 (Az.: IX ZR 220/09) nunmehr klargestellt, dass es keine insolvenzspezifische Pflicht des Insolvenzverwalters gibt, so rechtzeitig wie möglich Masseunzulänglichkeit anzuzeigen. Eine solche Pflicht folge weder aus § 208 InsO noch aus der Tatsache, dass Neumasseverbindlichkeiten gegenüber Altmasseverbindlichkeiten bevorrechtigt zu befriedigen sind, § 209 Abs. 1 InsO. Nach dem BGH komme es auch nicht darauf an, ob der Insolvenzverwalter überhaupt Masseunzulänglichkeit anzeigt, da die Rangfolge des § 209 InsO schon allein deswegen zu beachten sei, wenn materiell gesehen Masseunzulänglichkeit eingetreten ist (Anschluss an die bisherige Rechtsprechung, vgl. BGH Beschluss vom 19.11.2009, NZI 2010, 188). Danach wäre der Insolvenzverwalter auch nicht verpflichtet, wiederholt Masseunzulänglichkeit anzuzeigen. Diese Rechtsprechung überzeugt nicht, da § 209 InsO für die Verteilungsrangfolge gerade ausdrücklich auf die Anzeige der Masseunzulänglichkeit abstellt.

Nicht thematisiert hat der BGH dagegen die Frage, welche Hausgeldforderungen als Altmasseverbindlichkeiten und welche als Neumasseverbindlichkeiten anzusehen sind. Hierbei bleibt es nicht höchstrichterlich entschieden, ob es auf den Beschluss ankommt, der die Zahlungspflicht begründet, auf die Fälligkeit der (laufenden) Hausgeldforderung oder auf den Zeitpunkt, in dem der Insolvenzverwalter die Wohnung in Besitz genommen hat.

4. Fazit

Festzuhalten bleibt nach alledem, dass weder für eine unterlassene Freigabe der Wohnung noch für eine „verspätete“ Masseunzulänglichkeitsanzeige die Inanspruchnahme des Insolvenzverwalters auf Schadenersatz erfolgversprechende erscheint. Alles in Allem wird es in der Mehrzahl der Fälle dabei bleiben, dass die Verluste durch das Insolvenzverfahren über das Vermögen eines Wohnungseigentümers über eine Ausfalldeckungsumlage von den übrigen Wohnungseigentümern getragen werden müssen.

Jacqueline Köppen
Rechtsanwältin

im Kanzleiforum 06/2011

Rechtsanwälte Strunz ♦ Alter, Chemnitz