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Handlungsbefugnisse und –pflichten des WEG-Verwalters bei Anfechtungsklagen

– Teil 4 –

Im letzten Teil der Fortsetzungsreihe (Teil 1 im Juni 2011, Teil 2 im März 2012, Teil 3 im September 2012) folgen nun Ausführungen zur Bereitstellung und Umlage der Prozesskosten.

1. Finanzierung der Prozesskosten

Es ist umstritten, ob der Verwalter, der für viele oder sämtliche beklagten Eigentümer einen Rechtsanwalt mandatiert, die erforderlichen Vorschüsse aus der Gemeinschaftskasse entnehmen darf, dafür Engelhardt in Münchner Kommentar 2. Auflage 2009, § 16 Rn. 13 WEG, dagegen Scheffler in Elzer/Fritzsch/Meier, Wohnungseigentumsrecht, § 1 Rn. 190; Kuhla ZWE 2009, 196.

Die Unsicherheit kann jedenfalls nicht durch Regelung im Rahmen des Verwaltervertrages beseitigt werden. Denn dieser wird nach h. M. nur zwischen dem teilrechtsfähigen Verband und dem Verwalter geschlossen, die einzelnen Eigentümer (und nur die sind an Anfechtungsklagen beteiligt) sind nicht Vertragspartei. Vorzugswürdig ist daher entweder eine Vereinbarung oder eine gesonderte Beschlussfassung, sofern diese ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht. Am sichersten ist natürlich die Anforderung eines Anteils am Kostenvorschuss durch den Verwalter bei jedem einzelnen Eigentümer, der von dem Rechtsanwalt vertreten wird, den der Verwalter mandatiert hat.

2. Verteilung der Prozesskosten

Gemäß §§ 91 ff. ZPO trägt die unterlegene Partei (d. h. der Verlierer) die Kosten des Rechtsstreits, bei teilweisem Obsiegen / Unterliegen werden entsprechende Quoten gebildet. Die Kostenentscheidung des Gerichts ist für die Parteien verbindlich und daher auch vorrangig vor einer etwaigen anderweitigen Vereinbarung, BGH Beschluss vom 15. März 2007 – V ZB 1/06.

Eine Besonderheit ergibt sich aber aus § 16 Abs. 8 WEG. Demnach gehören die Mehrkosten aufgrund des Abschlusses einer Honorarvereinbarung im o. g. Sinne zu den Kosten der Verwaltung und diese sind auf sämtliche Eigentümer – mithin auch die klagenden im Falle eines Anfechtungsrechtsstreites – zu verteilen! Der Klägerin finanziert in einem solchen Fall also unabhängig vom sonstigen Ausgang des Rechtsstreits einen Teil der Anwaltskosten seines Gegners, vgl. Hügel/Elzer, Das neue WEG-Recht, § 11 Rz. 76; BT-Drs. 16/887, S. 77!

Das heißt im Beispielsfall aus Teil 3, angenommen der Kläger gewinnt:

1. Die Sanierungsmaßnahme darf nicht erfolgen.

2. Nur die beklagten 99 Eigentümer tragen die Gerichtskosten und die Kosten des Anwaltes des Klägers sowie die Kosten des eigenen Anwaltes in Höhe des gerichtlich festgesetzten Streitwertes von 5000 €.

3. Die Mehrkosten der Beklagten aufgrund der Streitwertvereinbarung müssen jedoch sämtliche Wohnungseigentümer, also auch der Kläger, tragen.

Gemäß § 50 WEG hat der Kläger im Falle der Klageabweisung (wenn er also verliert) auch dann nur die Kosten für einen Rechtsanwalt zu erstatten, wenn die Beklagten mehrere Anwälte beauftragen. Das ist häufig bei sehr zerstrittenen Gemeinschaften und gestörtem Vertrauensverhältnis zum Verwalter der Fall. Dann beauftragt bspw. der Verwalter für 7 der beklagten 9 Eigentümer einen Anwalt, der 8. und 9. Beklagte beauftragen jeweils eigene Anwälte, so dass auf Beklagtenseite nun 3 Anwälte auftreten. Der Gesetzgeber will verhindern, dass der Kläger unzählig viele Anwälte der Beklagtenseite bezahlen muss. Daher werden der Beklagtenseite nur die Kosten erstattet, die entstanden wären, wenn sämtliche Beklagten einen einzigen Anwalt mandatiert hätten. Eine Ausnahme gilt dann, wenn die Beklagten widerstreitende Interessen vertreten oder wenn insb. in größeren Gemeinschaften mehrere Kläger unabhängig voneinander einzeln unter anwaltlicher Vertretung Anfechtungsklage erheben und später die Verfahren miteinander verbunden werden, LG Berlin ZMR 2011, 407.

Gemäß § 49 Abs. 2 WEG kann das Gericht aber – zur Vermeidung eines späteren Kostenregressprozesses gegen den Verwalter – die Kosten des Rechtsstreits auch dem Verwalter (statt der unterlegenen Partei) auferlegen, wenn die „Tätigkeit des Gerichts durch dessen grobes Verschulden veranlasst worden ist“. Das ist z. B. anzunehmen, wenn er ein falsches Beschlussergebnis verkündet hat oder die Beschlussunfähigkeit nicht beachtet wurde, vgl. Becker/Kümmel/Ott, Wohnungseigentum, 2. Auflage, Rz. 898; weil eine „evident fehlerhafte Beschlussvorlage“ zugrunde liegt, vgl. AG Hamburg ZMR 2012, 586, bei ungenau gefasster Tagesordnung, LG Nürnberg-Fürth ZWE 2011, 227, bei grundloser Verweigerung der Belegeinsicht, AG Kassel ZMR 2011, 423. Das LG Dresden als zentrales Berufungsgericht in allen WEG-Sachen in Sachsen hat unlängst deutliche Worte für einen Verwalter gefunden, der einen rechtswidrigen sowie einen nichtigen Beschluss ohne Belehrung über den Verstoß gegen Grundprinzipien im WEG verkündet hatte. Von einer gewerbsmäßigen Wohnungseigentumsverwalterin müsse erwartet werden können, dass sie sich mit rechtlichen Regelungen vertraut mache. Ein Verwalter habe die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu kennen und zu befolgen. Er müsse auf erkennbare Nichtigkeits- oder Anfechtungsgründe bei Beschlussfassungen hinweisen, vgl. Beschluss vom 04.09.2012, Az. 2 T 407/12.

Einige Gerichte erkennen mittlerweile aber auch die Misslichkeit der Lage, in der sich die Verwalter bei derzeit unklaren Rechtsfragen befinden an, vgl. LG Karlsruhe NZM 2012, 279; AG Niebüll ZMR 2011, 912. Während der Verwalter ihm nachteilige Kostenentscheidungen mit der sofortigen Beschwerde anfechten kann, steht diese Befugnis isoliert, d. h. außerhalb einer Berufung auch in der Hauptsache, den unterlegenen Eigentümern nicht zu, wenn das Gericht von einer Kostenlastentscheidung zu Lasten des Verwalters absieht, BGH, Beschluss vom 18. 8. 2010 – V ZB 164/09. Die unterlegenen Eigentümer können den Verwalter jedoch später in einem separaten Regressprozess in Anspruch nehmen.

Es bleibt – wie immer im Wohnungseigentumsrecht – spannend.

Noreen Walther
Rechtsanwältin

im Kanzleiforum 12/2012

Rechtsanwälte Strunz ♦ Alter, Chemnitz