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Die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses

Sowohl der Arbeitgeber als auch der Arbeitnehmer können das Arbeitsverhältnis fristlos kündigen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt (außerordentliche Kündigung, § 626 BGB). Eine Kündigungsfrist muss bei einer außerordentlichen Kündigung nicht eingehalten werden. Die außerordentliche Kündigung wird deshalb häufig auch als fristlose Kündigung bezeichnet.

Voraussetzungen einer fristlosen Kündigung

Damit eine außerordentliche, fristlose Kündigung wirksam ist, müssen neben den Allgemeinen für jede Kündigungsart geltenden Voraussetzungen bestimmte Sondervoraussetzungen vorliegen:

1. „wichtiger Grund“

2. vorherige Abmahnung (ausnahmsweise entbehrlich)

3. Einhaltung der Zweiwochenfrist

4. kein milderes Mittel („ultima ratio“)

Unerheblich ist, ob auf das Arbeitsverhältnis das Kündigungsschutzgesetz Anwendung findet. Die aufgezählten Voraussetzungen müssen für eine außerordentliche Kündigung immer vorliegen, also auch dann, wenn das Kündigungsschutzgesetz im konkreten Fall nicht anwendbar ist.

1. „wichtiger Grund“

Eine wirksame außerordentliche Kündigung setzt das Vorliegen eines „wichtigen Grundes“ voraus. Es müssen Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Arbeitgeber unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen der Vertragsparteien die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.

Ob ein wichtiger Grund vorliegt, prüft die Rechtsprechung in zwei Schritten:

a) Vorliegen eines Sachverhalts, der eine außerordentliche Kündigung „an sich“ rechtfertigt

b) Interessenabwägung

a) Vorliegen eines „an sich“ geeigneten Grundes

Es muss zunächst ein Sachverhalt gegeben sein, der „an sich“ geeignet ist, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Dazu müssen konkrete Tatsachen vorliegen. Subjektive Kenntnisse oder Wertungen des Arbeitgebers reichen nicht.

Erforderlich ist, dass das Arbeitsverhältnis durch die vorliegenden Tatsachen konkret beeinträchtigt wird. Eine konkrete Beeinträchtigung des Arbeitsverhältnisses ist in folgenden Bereichen denkbar:

– im Leistungsbereich (Beispiel: beharrliche Arbeitsverweigerung)

– im Bereich der betrieblichen Verbundenheit aller Mitarbeiter/Betriebsordnung/Betriebsfrieden (Beispiel: sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz)

– im persönlichen Vertrauensbereich (Beispiel: Straftat – z. B. Diebstahl – gegenüber dem Arbeitgeber)

„An sich“ als wichtiger Grund geeignet ist z. B. ein Arbeitszeitbetrug, ein Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot, anhaltende Arbeitsunfähigkeit, beharrliche Arbeitsverweigerung, grobe Verletzung der Treuepflicht und Tätlichkeiten oder Beleidigungen gegenüber dem Arbeitgeber.

Wie bei der ordentlichen Kündigung können auch bei der außerordentlichen Kündigung die zur Kündigung führenden Gründe danach eingeteilt werden, aus welcher Sphäre sie stammen. Denkbar sind personenbedingte, verhaltensbedingte oder betriebsbedingte Gründe.

b) Interessenabwägung

Liegen Tatsachen vor, die „an sich“ eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen können, ist in einem zweiten Schritt eine Interessenabwägung vorzunehmen. Es ist zu prüfen, ob aufgrund dieser Tatsachen das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Aufrechterhaltung zumindest bis zum Ablauf der Kündigungsfrist überwiegt. Diese Gründe des Arbeitgebers können z. B. Umstände wie negative betriebliche/wirtschaftliche Auswirkungen, eingetretene bzw. zu erwartende Schäden, Wiederholungsgefahr oder ein hohes Verschulden des Arbeitnehmers Berücksichtigung finden.

2. Abmahnung

Bei einer fristlosen Kündigung handelt es sich in aller Regel um eine verhaltensbedingte Kündigung. Eine verhaltensbedingte fristlose Kündigung ist grundsätzlich nur dann möglich, wenn der Arbeitnehmer bereits einmal wegen einer gleichartigen Pflichtverletzung wirksam abgemahnt worden ist.

In Ausnahmefällen kann eine verhaltensbedingte fristlose Kündigung auch ohne eine zuvor erteilte Abmahnung wirksam sein. Dies gilt allerdings nach der Rechtsprechung des BAG nur in zwei Fällen:

1. Wenn bereits bei Ausspruch erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten ist.

2. Wenn es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren einmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist.

3. Einhaltung der Zweiwochenfrist

Nach § 626 Abs. 2 BGB darf die außerordentliche Kündigung nur innerhalb einer Frist von zwei Wochen ausgesprochen werden. Eine Kündigung, die erst nach Ablauf dieser Frist ausgesprochen wird, ist unwirksam.

Die Zweiwochenfrist beginnt mit der Kenntnis des Arbeitgebers von den für die Kündigung maßgeblichen Tatsachen. Gemeint ist damit das Wissen des Arbeitgebers über alle Tatsachen, die er für die Kündigungsentscheidung benötigt. Dazu gehören sowohl die Tatsachen, die für die Kündigung sprechen, als auch diejenigen, die gegen die Kündigung sprechen.

4. Kein milderes Mittel („ultima ratio“)

Eine außerordentliche, fristlose Kündigung ist nur dann wirksam, wenn sie unausweichlich war (letztes Mittel, ultima-ratio-Prinzip). Bei der Prüfung der Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung ist deshalb stets zu fragen, ob der Zweck, den der Arbeitgeber mit der Kündigung erreichen will, nicht auch auf eine andere Weise, die den Arbeitnehmer weniger als eine Kündigung belastet, hätte erreichen können, wie bspw. eine ordentlichen, fristgemäßen Kündigung, eine Änderungskündigung, eine Abmahnung oder eine Versetzung auf einen anderen Arbeitsplatz.

René Illgen

Rechtsanwalt

Kanzleiforum 01/2019
Rechtsanwälte Strunz ♦ Alter, Chemnitz