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Die Entlastung des Verwalters des gemeinschaftlichen Eigentums

Wenngleich die Entlastung des Verwalters im WEG nicht geregelt ist, wird sie doch von der überwiegenden Rechtsprechung1 grundsätzlich anerkannt. Umstritten sind die Voraussetzungen und Wirkungen der Verwalterentlastung.

Durch die Entlastung billigen die Eigentümer das Handeln des Verwalters als zweck- und rechtmäßig² und sprechen ihm für die Zukunft das Vertrauen aus³.

Die Erklärung kann ausdrücklich oder aber auch konkludent mit Genehmigung der Jahresabrechnung erfolgen, wenn die Eigentümer nicht unmissverständlich zum Ausdruck bringen, hiermit nicht gleichzeitig eine Billigung des Verwalterhandelns zu verbinden4. Nach a.A. stellt die Jahresabrechnung ein reines Rechenwerk dar, in das auch unrechtmäßige Zahlungen durch den Verwalter einzustellen sind, die deshalb nicht lange nicht gebilligt sein müssen5. Entlastung und Genehmigung der Jahresabrechnung sind daher nicht deckungsgleich und der Verwalter sollte sich nicht auf einen Fortbestand dieser verwalterfreundlichen Rechtsprechung verlassen und stattdessen einen gesonderten Beschluss fassen lassen. M.E. verbinden Eigentümer mit der Genehmigung des Rechenwerkes und hiermit verbundener Zahlungsausgleichsforderungen keine Willenserklärung über das gesamte Verwalterhandeln, das sich schließlich nicht im Bewirken von Zahlungen und in Inkassotätigkeit erschöpft.

Der Entlastung wird überwiegend6 mit unterschiedlicher rechtlicher Begründung praktisch die Wirkung eines Verzichts auf Haftungsansprüche sowie weitere Auskunftsansprüche beigemessen7. Zugleich entfällt für die Eigentümer die Möglichkeit, eine fristlose Kündigung des Verwaltervertrages bzw. vorzeitige Abberufung des Verwalters aus wichtigem Grund auf ein Verhalten den Billigungszeitraum betreffend zu stützen8. Die befreiende Wirkung betrifft aber keine Individualansprüche einzelner Sondereigentümer in Bezug auf ihr Sondereigentum9. Des Weiteren erstreckt sie sich nur auf die der Gesamtheit der Wohnungseigentümer oder dem Beirat10 erkennbaren Fehler des Verwalters, so dass insbesondere verschleiertes oder gar strafbares Fehlverhalten nicht genehmigt wird11.

Die Vorteile für den Verwalter liegen auf der Hand: Er erhält eine – wenn auch gegenständlich beschränkte – Rechtssicherheit im Hinblick auf Haftungsansprüche und gleichzeitig eine Bestätigung, dass die Eigentümer mit seiner Art der Verwaltung zufrieden waren12. Dabei wird teilweise angenommen, die Beschlussfassung beinhalte einen komplexen Abwägungsvorgang, der nicht nur Elemente der Rechtmäßigkeit umfasse sondern auch – mit einem weiten Ermessensspielraum – die Zweckmäßigkeit des Verwalterhandelns betreffe13. Konsequent wäre aus Verwaltersicht dann zu überlegen, den Eigentümern einen Rechenschaftsbericht vorzulegen. Je konkreter dieser sein Verwalterhandeln darlegt, umso belastbarer erscheint sodann die Genehmigungswirkung des Entlastungsbeschlusses und das Vertrauen in die Einwilligung gleichartigen Handelns für die Zukunft.

Die Vorteile für die Eigentümer bzw. die Gemeinschaft sind nicht vergleichbar offenkundig. Im Wesentlichen wird sich ihre Motivation darin erschöpfen, dem Verwalter einen Gefallen zu tun – sei es um sich von notorischen Querulanten abzugrenzen14, sei es gar um den Verwalter in der Gemeinschaft „zu halten“. Nach Ansicht des BGH15 kann die Entlastung aufgrund des Dauerschuldcharakters der geschäftsbesorgenden Verwaltertätigkeit im Interesse der Eigentümer, die auf diese Weise die Möglichkeit erlangten, ihr Vertrauen kund zu geben.  Auch wenn die Entlastung einem ausgeschiedenen Verwalter erteilt werde, könne dies vernünftig sein. Zwar werde diesem naturgemäß dann nicht mehr das Vertrauen für die Zukunft ausgesprochen, doch könne sein Nachfolger dadurch ersehen, auf welche Weise er das Gemeinschafteigentum zur Zufriedenheit der Eigentümer verwalten könne16. Auf diese Weise geben sie dem neuen Verwalter auch schon mal eine Orientierungshilfe.

Aus diesem Grunde17 und mangels gesetzlicher Regelung im WEG besteht grds. kein Anspruch des Verwalters auf Erteilung einer Entlastung18.  Anders ist dies nur dann zu beurteilen, wenn die Gemeinschaftsordnung oder eine sonstige Vereinbarung der Eigentümer einen solchen Anspruch regelt oder der Verwalter sich im Verwaltervertrag einen entsprechenden Anspruch ausbedungen hat19. Ersteres ist wohl praktisch ausgesprochen selten20 der Fall, letzteres scheitert meist an unwirksamen Vertragsklauseln.

Soweit der professionell am Markt tätige Verwalter einen Mustervertrag verwendet, handelt es sich um Formularklauseln, die somit den Beschränkungen der §§ 305 ff. BGB unterworfen sind und insbesondere dem Überraschungsverbot des § 305 c BGB unterliegen21. Des Weiteren billigen häufig die Klauseln dem Verwalter einen Anspruch auf Erteilung zu, ohne dass gleichzeitig die hierfür nach der Rechtsprechung notwendigen Voraussetzungen vorliegen müssen, z.B. „Der Verwalter hat nach abgelaufenem Wirtschaftsjahr einen Anspruch auf Entlastung“. Streng genommen müssten die Eigentümer dann die Entlastung auch erteilen, wenn der Verwalter offenbar fehlerhaft verwaltet hat. Eine solche Klausel benachteiligt die Eigentümer unangemessen. Zumindest sollten die weiteren Voraussetzungen für eine Entlastung definiert werden. Vorzugswürdig erscheint jedoch eine Klausel, die dem Verwalter schlicht einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Beschlussfassung über seine Entlastung zubilligt22, der somit bei Ermessensfehl- oder –nichtgebrauch justitiabel wäre.

Damit stellt sich abschließend die Frage, wann ein Entlastungsbeschluss ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht. Offensichtlich ist dies aus formellen Gründen nicht der Fall, wenn das Stimmrechtsverbot des Verwalters als Miteigentümer gemäß § 25 Abs. 5 WEG nicht beachtet wird23. Während dies die meisten Eigentümer-Verwalter bei der eigenen Stimmabgabe doch respektieren, wird das Verbot bei der Abgabe Stimmabgabe in Stellvertretung durch den Verwalter für abwesende Eigentümer gelegentlich vergessen, obgleich es sich auch hierauf erstreckt24. Sofern der Verwalter somit in der Regel nur einmal jährlich eine Versammlung durchführt, in der regelmäßig auch über seine Entlastung beschlossen wird, scheiden Stimmrechtsvollmachten auf den Namen des Verwalters per se aus oder sind auf andere Tagesordnungspunkte zu beschränken.

Teilweise ist vertreten worden25, eine Entlastung widerspreche grundsätzlich ordnungsgemäßer Verwaltung, da sie ohne Gegenleistung erfolge, im WEG anders als im Aktienrecht gesetzlich nicht vorgesehen sei, nach § 120 Abs. 2 AktG im Aktienrecht der Entlastung auch kein Verzicht beigemessen werde und der Verwalter sich schließlich ausreichend versichern könne. Dem erteilte der BGH 20031 zu Recht eine Absage. Ein Entlastungsbeschluss wird demnach auf Anfechtung hin aufgehoben, wenn Ansprüche gegen den Verwalter erkennbar in Betracht kommen und ein Verzicht auf diese nicht ausnahmsweise veranlasst ist26 oder wenn die Jahresabrechnung nicht oder fehlerhaft erstellt ist27.

Noreen Walther

Rechtsanwältin

im Kanzleiforum 06/2014

Rechtsanwälte Strunz ♦ Alter, Chemnitz

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1 BGH  Az. V ZB 40/03 vom 25.09.2003, ZMR 2003, 942; V ZB 11/03 vom 17.07.2003, NZM 2003, 764; V ZB 236/10 vom 31.03.2011, ZWE 2011, 257

² Rühlicke, Die Entlastung des Verwalters, ZWE 2003, 54 ( 60); BGH Az. V ZB 40/03

³ Münchener Kommentar zum BGB – Engelhardt, 6. Auflage 2013, § 28 WEG Rn. 58

4 Engelhardt a.a.O. Rn. 59; OLG Düsseldorf NZM 2001, 537; OLG München NJW-RR 2007, 1094

5 Bärmann/Seuß – Wanderer, Praxis des Wohnungseigentums, 6. Auflage 2013, Rn. 1730

6 und damit anders als im Aktienrecht, das der Entlastung nur eine Billigung jedoch ausdrücklich keinen Haftungsverzicht beimisst, § 120 Abs. 2 AktG

7 negatives Schuldanerkenntnis i.S.d. § 397 Abs. 2 BGB: Wanderer a.a.O. Rn. 1738, als Folge der Vertrauensbekundung BGH Az. V ZB 11/03; bei konkludenter Beschlussfassung durch Genehmigung der Jahresabrechnung beschränkt auf daraus ersichtliches Handeln BayObLG NZM 2003, 31, Bärmann/Becker, Kommentar zum WEG, 12. Auflage 2013, § 28 Rn. 198, Verbot widersprüchlichen Verhaltens: Rühlicke ZWE 2003, 54 (61);BGH Fn. 1; s.a. AG Dippoldiswalde ZMR 2013, 837 zum Fall der jahrelangen Entlastung trotz fehlerhaften Zuordnung eines Duplexparkers zum Sonder- bzw. Gemeinschaftseigentum

8  Wanderer a.a.O. Rn. 1739

9 Beckscher Onlinekommentar WEG – Batschari, Stand 01.01.2013, § 28 Rn. 96

10 Batschari a.a.O. Rn. 97; Wanderer a.a.O. Rn. 1738 m.w.N., Engelhardt a.a.O. Rn. 60

11 Wanderer a.a.O. Rn. 1740; Batschari a.a.O. Rn. 96

12 Rühlicke, Der Anspruch des Verwalters auf Entlastung, ZWE 2004, 145 (147); Wanderer a.a.O. Rn. 1730, Engelhardt a.a.O. Rn. 58; Rühlicke, ZWE 2003, 54 ( 60)

13 Rühlicke, ZWE 2004, 145 (147)

14 Gottschalg, Verwalterentlastung im Wohnungseigentumsrecht, NJW 2003, 1293 (1294)

15 BGH Az. V ZB 40/03 vom 25.09.2003, ZMR 2003, 942

16 BGH Az. V ZB 40/03 vom 25.09.2003, ZMR 2003, 942

17 …. mit dem schier unschlagbaren Argument, niemand erstelle gern ohne Not Freibriefe: Hogenschurz, Verwalterentlastung aus Sicht einzelner Wohnungseigentümer, NZM 2003, 630 (631).

18 Rühlicke, ZWE 2004, 145; Engelhardt a.a.O. Rn. 62 m.w.N.

19 Batschari a.a.O. Rn. 94 m.w.N.

20 ohne statistischen Nachweis …

21 Gottschalg a.a.O. S. 1294; Rühlicke ZWE 2004, 145 (151)

22 Rühlicke ZWE 2004, 145 (153)

23 OLG Köln NZM 2007, 334; Bärmann/Becker a.a.O. Rn. 203; Bärmann/Merle a.a.O. § 25 Rn. 173, 177;

24 Lüke, Prüfung von Stimmrechtsvollmachten, ZWE 2012, 193, (196); OLG Düsseldorf ZWE 2001, 557

25 BayObLG NJW 2003, 1328; Batschari a.a.O. Rn. 91.1.; Hogenschurz a.a.O.

26 BGH Az. V ZB 40/03; AG Traunstein ZWE 2009, 281; LG Hamburg ZMR 2012, 34;

27 BGH ebd.;  BayOBLG NZM 2006, 62; OLG Düsseldorf Az. 3 Wx 77/05