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Die wichtigsten Vorhaben im Arbeitsrecht

Die neue Regierung hat nunmehr ihre Pläne für die 20. Legislaturperiode vorgestellt. Auf rund sechs Seiten äußerten sich die Parteien zu ihren Vorhaben für die Arbeitswelt. Wie die Maßnahmen konkret umgesetzt werden sollen, bleibt naturgemäß offen, doch mehr Flexibilität und Digitalisierung werden sie sicherlich bringen.

 

Digitale Betriebsratssitzungen und Wahlen

In der Corona-Pandemie hatte das Bundeskabinett bereits den § 129 Betriebsverfassungsgesetz eingeführt. Die Norm hatte es befristet bis Ende Juni 2021 ermöglicht, Sitzungen des Betriebsrates und Betriebsversammlungen virtuell durchzuführen.

Diese Optionen sollen Betriebsräte nun dauerhaft erhalten: Nach dem Koalitionsvertrag sollen die Betriebsräte selbstbestimmt entscheiden, ob sie analog oder digital arbeiten. Auch Betriebsratswahlen, die kommendes Jahr turnusmäßig anstehen, sollen online abgehalten werden können.

 

Digitaler Zugang für Gewerkschaften

Auch die Gewerkschaften sollen mehr virtuelle Rechte bekommen in einem Punkt, den sie bereits gefordert hatten: Für sie steht laut Koalitionsvertrag ein zeitgemäßes Recht für digitalen Zugang in die Betriebe an. Dies soll ihren bestehenden analogen Rechten entsprechen.

 

Pläne gegen Verhinderung von Betriebsräten

Im Koalitionsvertrag steht hierzu nunmehr: „Die Behinderung der demokratischen Mitbestimmung stufen wir zukünftig als Offizialdelikt ein“ – das wäre dann eine Straftat, die von Amts wegen verfolgt würde. Dabei sollen die bestehenden nationalen Regelungen bewahrt werden.

 

Tarifautonomie und Verhinderung der Tarifflucht

Die neue Regierung will auch an die bisher existierende Tarifflucht von Unternehmen ran: Die öffentliche Auftragsvergabe des Bundes solle an die Einhaltung eines repräsentativen Tarifvertrages der jeweiligen Branche gebunden sein. Zudem soll eine Betriebsausgliederung bei Identität des bisherigen Eigentümers zum Zwecke der Tarifflucht verhindert werden, indem die Fortgeltung des geltenden Tarifvertrages sichergestellt werde. Unangetastet bleibe dabei § 613 a BGB.

 

Mehr Flexibilität bei Ort und Zeit

Auch die bestehenden Regelungen zu Arbeitszeit und Ort wollen sich die Koalitionsparteien vornehmen: So sollen flexible Arbeitszeitmodelle ermöglicht werden. Die europäischen Vorgaben zur Zeiterfassung wollen sie dabei berücksichtigen, aber auch die Option Vertrauensarbeitszeit dabei explizit beibehalten.

Der nach dem Arbeitszeitgesetz bestehende Grundsatz des Acht–Stunden-Tages soll bestehen bleiben – aber: Schon im kommenden Jahr sollen befristete Regelungen geschaffen werden, die über Tarifverträge eine Abweichung von dieser Regel ermöglichen wird. Auch die bisher längstens erlaubte Arbeitszeit von vorübergehend bis zu 10 Stunden steht als Experiment zur Disposition.

 

Sonstiges

Neben diesen vor allem kollektivrechtlichen Plänen hat die Ampelkoalition weitere Aspekte des Arbeitsrechts in den Koalitionsvertrag aufgenommen. So wird der gesetzliche Mindestlohn in einer einmaligen Anpassung auf zwölf Euro pro Stunde erhöht.

Ein Recht auf Home-Office wird es für Beschäftigte nicht geben, sondern lediglich einen Erörterungsanspruch. Allerdings heißt es auch: „Arbeitgeber könne dem Wunsch der Beschäftigten nur dann widersprechen, wenn betriebliche Belange entgegenstehen“. D. h., dass eine Ablehnung nicht sachfremd oder willkürlich sein darf. Darüber hinaus soll mobile Arbeit nach den Plänen EU-weit unproblematisch möglich sein.

Dazu passt das Ziel, die Arbeit im Home-Office rechtlich klar von der Telearbeit und damit der Arbeitsstättenverordnung abzugrenzen. Diese gibt derzeit klare Regelungen dazu vor, wie ein Arbeitsplatz im Hinblick auf den Arbeits- und Gesundheitsschutz der Mitarbeitenden ausgestaltet zu sein hat.

Um die Lohnlücke – den sogenannten gender pay gap – zwischen Männern und Frauen zu schließen, soll im Entgelttransparenzgesetz die Prozessstandschaft verankert werden. So müssten Beschäftigte ihre Rechte nicht mehr selbst geltend machen, sondern könnten sich dafür auch an Verbände wenden.

Auch bei der Brückenteilzeit, Befristungen, der Arbeitnehmerüberlassung und dem kirchlichen Arbeitsrecht plant die Ampel Veränderungen.

 

 

René Illgen

Rechtsanwalt