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Die virtuelle Gesellschafterversammlung in der GmbH im Jahr 2022

Zu Beginn der Pandemie hat der Gesetzgeber die COVMG-Sonderregelungen zur Durchführung von virtuellen Versammlungen geschaffen. Ziel war es dabei, die Handlungsfähigkeit der Gesellschaften in Zeiten von Kontaktbeschränkungen zu gewährleisten. Dabei wurde es unter anderem Aktiengesellschaften ermöglicht, Hauptversammlungen im virtuellen Format durchzuführen. Im Gegensatz dazu wurden für die GmbH lediglich die Voraussetzungen des § 48 Abs. 2 GmbHG erweitert, so dass versammlungslose Beschlussfassungen vereinfacht möglich wurden. Diese Regelung läuft nun am 31.08.2022 jedoch endgültig und vorläufig ersatzlos aus.

Allerdings gewinnt das Bedürfnis nach digitaler Kommunikation auch in Nicht-Pandemie-Zeiten bzw. ab dem Jahr 2020 zunehmend an Relevanz. Dieser Entwicklung trägt ein aktuell vorliegender Gesetzesentwurf der Bundesregierung vom 09.02.2022 Rechnung. Dieser beinhaltet vorerst aber wiederum nur Regelungen über virtuelle Versammlungsmöglichkeiten für Aktiengesellschaften außerhalb der Covid-19-Pandemie. Für Gesellschaften mit beschränkter Haftung ist eine entsprechende Regelung bis auf Weiteres nicht ersichtlich. Vielmehr ist seit dem 22.03.2022 ein weiterer Referentenentwurf vorliegend, welcher den § 48 Abs.1 GmbHG um einen zweiten Satz erweitern soll. Danach sollen Versammlungen in Zukunft auch „fernmündlich“ oder „mittels Videokommunikation“ möglich werden, wenn „sämtliche Gesellschafter sich damit in Textform einverstanden erklärt haben“. Problematisch ist hierbei, dass eine einstimmige Entscheidung der Gesellschafter über eine virtuelle Versammlung dazu führen kann, dass die Möglichkeiten einer solchen eher beschränkt als erweitert werden.

Daher bietet es sich an, im Rahmen einer Satzungsänderung bzw. einer Änderung des Gesellschaftsvertrages, die hybride oder virtuelle Gesellschafterversammlung als eine Möglichkeit der Durchführung festzuhalten. Damit kann verhindert werden, dass bei jeder Online-Versammlung erst die Gesellschafter einzeln zustimmen müssen. Bei der Satzungsänderung sind jedoch einige Punkte zu beachten, welche wie folgt umrissen werden.

 

  • Zunächst muss bei der Durchführung von virtuellen Gesellschafterversammlungen darauf geachtet werden, dass alle Gesellschafter die Möglichkeit haben, sich im selben Umfang an der Meinungsbildung und an Abstimmungen zu beteiligen. Nach dem BGH ist es hierbei besonders wichtig, dass eine virtuelle Veranstaltung für den einzelnen Gesellschafter nicht unzumutbar ist. Die Darlegungs- und Beweislast über die Unzumutbarkeit einer virtuellen Gesellschafterversammlung liegt dabei bei den einzelnen Gesellschaftern, die dies einwenden.

 

  • Ferner ist bei dem Beschluss der geänderten Satzung zu beachten, dass es je nach Umfang der geplanten Änderung unterschiedlicher Mehrheiten in der Abstimmung bedarf. Wenn die virtuelle Gesellschafterversammlung zusätzlich zu einer Präsenzveranstaltung durchgeführt werden soll, ist eine satzungsändernde Mehrheit ausreichend. Soll die virtuelle Gesellschafterversammlung die Teilnahme vor Ort vollständig ersetzten, wird für die Beschlussfassung eine einstimmige Mehrheit benötigt.

 

  • Zudem sollte die Satzungsänderung auch ergänzende Regelungen hinsichtlich der Ladungen enthalten. Diese werden nach dem Gesetz mittels Einschreiben verschickt. Eine Änderung dieser Vorschrift für einen weiteren Handlungsspielraum kann auch in der Satzung geregelt werden.

 

Probleme mit einer virtuell durchgeführten Gesellschafterversammlung können sich insbesondere durch technische Störungen ergeben. Fraglich ist in diesem Zusammenhang, ob und unter welchen Voraussetzungen eine solche technische Störung den einzelnen Gesellschafter zur Anfechtung eines Beschlusses berechtigt. In diesen Fällen findet § 243 Abs. 3 Nr. 1 AktG Anwendung, dessen Rechtsgedanke auch auf die GmbH entsprechend angewendet werden kann. Es wird dabei zunächst zwischen Hybridveranstaltungen und vollständig virtuell durchgeführten Veranstaltungen differenziert. Dabei ergeben sich Unterschiede in den Voraussetzungen für die Anfechtung wegen technischer Störung. Wird die Gesellschafterversammlung in einem hybriden Format durchgeführt, so sind in diesem Zusammenhang gefasste Beschlüsse grundsätzlich nicht anfechtbar. Eine Ausnahme gilt hierbei nur bei einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Verursachung, die aus dem Bereich der Gesellschaft als solcher stammen muss. Im Rahmen von ausschließlich online stattfindenden Versammlungen muss die Gesellschaft hingegen eine Anfechtung von Beschlüssen wegen technischer Störung schon bei leichter Fahrlässigkeit gegen sich gelten lassen. Technische Störungen, die im Verantwortungsbereich des jeweiligen Gesellschafters liegen, berechtigen diesen hingegen nicht zur Anfechtung.

Zusammenfassend lässt sich herausstellen, dass im GmbHG nach wie vor nicht die Gesetzesänderungen getroffen wurden, die notwendig wären, um aktuell ab dem 01.09.2022 eine zeitgemäße Durchführung von virtuellen Gesellschafterversammlungen zu gewährleisten. Daher bleibt die Änderung der Satzung die beste Möglichkeit, um Versammlungen im Online-Format möglich zu machen.

 

 

Sebastian Tempel
Rechtsanwalt