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Die Nachlasspflegschaft bei unbekannten Erben des Mieters

Stirbt der Wohnungsmieter, treten gemäß §§ 563 ff. BGB Personen, die mit dem Mieter einen gemeinsamen Haushalt führen oder Erben des Mieters in den Mietvertrag ein. Erben sind gemäß §§ 1922 ff. BGB die Verwandten des Erblassers (d.h. des Verstobenen) in der dort genannten gesetzlichen Erbfolge oder bei gewillkürter Erbfolge die im Testament bzw. Erbvertrag bestimmten Person(en). Ist kein Erbe vorhanden oder haben sämtliche Berechtigten das Erbe ausgeschlagen bzw. dem Vertragseintritt widersprochen (§ 563 Abs. 3 BGB), kann das jeweilige Bundesland, in dem der Erblasser seinen letzten Wohnsitz hatte, als Ersatzerbe festgestellt werden, § 1936 BGB. Dieser haftet nur beschränkt auf den Nachlass.

Bis die Ersatzerbenfeststellung erfolgt bzw. die Klärung schwieriger Erbverhältnisse abgeschlossen ist, vergehen oft viele Monate, mitunter auch Jahre. In dieser Zeit zahlt in der Regel niemand die Miete und der Vermieter kann in Ermangelung eines bekannten Vertragspartners den Mietvertrag nicht kündigen, in der Folge mangels Beendigung des (ggf. letztlich mit dem Bundesland als Ersatzerbe bestehenden) Mietvertrages die Wohnung nicht beräumen und anderweitig vermieten.

Das Mittel der Wahl ist in diesem Falle die Beantragung einer Nachlasspflegschaft gemäß §§ 1960, 1961 BGB. § 1961 BGB dient dem Schutz des antragstellenden Gläubigers, vgl. Leipold in Münchner Kommentar zum BGB, 6. Auflage 2013, § 1961 Rn. 1; Siegmann/Höger in Beck´scher OnlineKommentar Stand 01.11.2013 § 1961 BGB Rn. 2 m.w.N. Die diesbezüglichen Antragsvoraussetzungen sind einzig:

1. Die Erben sind unbekannt und nicht kurzfristig ermittelbar.

2. Es besteht ein Rechtsschutzbedürfnis des antragstellenden Vermieters, d.h. dieser muss schlüssig behaupten, einen rechtlichen Anspruch außergerichtlich und/oder gerichtlich gegen den Nachlass geltend machen zu wollen. Der Vermieter benötigt in der Regel bereits eine zur Entgegennahme vertragsbeendender (Kündigung) sowie ggf. anschließend erforderlicher prozessualer Erklärungen (Räumungs-/Zahlungsklage) berechtigte Person, die zugleich befugt ist, das Mietobjekt zu beräumen und herauszugeben, vgl. OLG München Beschluss vom 20.03.2012, Az. 31 Wx 81/12, NJW-RR 2012, 842.

Ein Sicherungsbedürfnis bzw. eine Werthaltigkeit hinsichtlich des Nachlasses sind dagegen keine Tatbestandsvoraussetzungen, vgl. LG Köln Beschluss vom 03.07.2008, Az. 11 T 160/008, NJW-RR 2009, 375.

Die übliche Empfehlung der Nachlassgerichte an den Vermieter, doch statt dessen sein Vermieterpfandrecht gemäß § 562 BGB geltend zu machen, ist nicht zutreffend. Dieses Pfandrecht bezieht sich zum einen nicht auf unpfändbare Gegenstände, wie haushaltsübliche Wohnungseinrichtung. Zum anderen kann hiermit ein Mietvertrag nicht beendet werden.

Die Anordnung der Nachlasspflegschaft darf auch nicht von der Zahlung eines Kostenvorschusses abhängig gemacht werden, da der Antragsteller nicht Kostenschuldner im Sinne der KostO ist, vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 22.06.2010, Az.: I-15 W 308/10; OLG Dresden, Beschluss vom 09.12.2009, Az.: 3 W 1133/09, DWW 2011, 19.

Auch aufgrund der Neuregelungen des GNotKG zum 01.08.2013 sind Kostenschuldner für Anträge auf Anordnung von Nachlasspflegschaften allein die Erben, ein Gläubiger muss hierfür auch keinen Vorschuss entrichten, vgl. Keidel – Kommentar zum FamFG, § 345, 18. Auflage 2014, Rn. 88 m.w.N.

Die bisherige Rechtsprechung zur Alleinhaftung der Erben für die Schulden und Freistellung des antragstellenden Gläubigers findet auch weiterhin in der Kommentierung Eingang und Anwendung auf die gesetzliche Neuregelung, vgl. Siegmann/Höger in Beck´scher Online Kommentar BGB, Stand 01.11.2013, § 1960, Rn. 22 m.w.N.

Soweit die Gerichte neuerdings darauf verweisen, gemäß § 24 letzter HS i.V.m. § 27 GNotKG könne eine andere Kostenregelung angeordnet werden, ist dies fehlerhaft. Aus dem Gesetzentwurf der Bundesregierung, Bundestagsdrucksache 517/12 vom 31.08.2012, Seiten 230, 231, geht hervor, dass mit der Variante der anderweitigen Anordnung durch das Gericht nur die Fälle erfasst sein sollen, in denen Anträge zurückgenommen oder zurückgewiesen werden oder auch für Rechtsmittelverfahren. Im Übrigen verbleibt es bei dem Grundsatz der Gebühren- und Kostenfreiheit für Antragsteller.

Auch der Bundestagsdrucksache 17/11471 vom 14.11.2012, Seite 161, ist entsprechendes zu entnehmen. Dem Gegenvorschlag im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens, wonach für Nachlass-pflegschaften im Sinne des § 1961 BGB hilfsweise auch Antragssteller bei unklaren oder geringen Nachlassvermögen zur Kostenhaftung herangezogen werden sollten (Seite 295 der Bundestagsdrucksache) wurde ausdrücklich nicht zugestimmt (vgl. BT-Drs. Seite 333). Dies beruht insbesondere auf der Erwägung, dass auch die Nachlasspflegschaft gem. § 1961 BGB dem Interesse des Erben dient und seine Kostentragungspflicht insofern folgerichtig sei, so dass sowohl die Nachlasspflegschaft des § 1960 BGB als auch die des § 1961 BGB die staatliche Fürsorge für den Nachlass betreffen. Im Hinblick auf eine mögliche Feststellung des Staatserbrechts und damit zur Abwendung erheblicher Nachlassschulden müsste, so die Begründung des Gesetzgebers, das Nachlassgericht „schon aus Haftungsgründen […] dann einen Nachlasspfleger von Amts wegen bestellen“.

Der Gesetzgeber hat ausdrücklich die bisherige Kostenschuldnerregelung beibehalten und somit den Antragsteller von einer Kostenhaftung – in Folge dessen auch von einer Vorschusszahlungspflicht – weiterhin freigestellt. Die mögliche Ausnahme, auf die das Nachlassgericht im vorliegenden Verfahren verweist, betrifft gerade nicht die recht häufigen Fälle des mittellosen Nachlasses.

Noreen Walther
Rechtsanwältin

im Kanzleiforum 03/2014

Rechtsanwälte Strunz ♦ Alter, Chemnitz