Das Hinweisgeberschutzgesetz
Am 2. Juli 2023 tritt das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) in Kraft. Damit setzt Deutschland deutlich verspätet die sog. EU-Whistleblower-Richtlinie um, für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen. Um das HinSchG rechtskonform erlassen zu können, sind Änderungen in Bestandsgesetzen, wie u.a. dem Arbeitsschutzgesetz, der Gewerbeordnung oder dem Geldwäschegesetz notwendig, die ebenfalls am 02. Juli 2023 in Kraft treten. Das HinSchG regelt neben der Art und Weise der Hinweisgebung den Schutz natürlicher Personen, die im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit oder im Vorfeld einer beruflichen Tätigkeit Informationen über Verstöße erlangt haben und diese melden oder offenlegen. Darüber hinaus werden auch Personen geschützt, die Gegenstand einer Meldung oder Offenlegung sind, sowie sonstige Personen, die von einer Meldung oder Offenlegung betroffen sind, § 1 HinSchG.
Die unter das HinSchG fallenden Verstöße sind nach § 2 HinSchG u.a.
- Verstöße, die strafbewehrt sind (davon ist jede Strafnorm nach deutschem Recht umfasst),
- Verstöße, die bußgeldbewehrt sind, soweit die verletzte Vorschrift dem Schutz von Leben, Leib oder Gesundheit oder dem Schutz der Rechte von Beschäftigten oder ihren Vertretungsorganen dient (darunter fallen u.a. bußgeldbewehrte Verstöße gegen den Arbeits- und Gesundheitsschutz sowie das Mindestlohngesetz),
- Verstöße gegen für Körperschaften und Personenhandelsgesellschaften geltende steuerliche Rechtsnormen.
Damit entsprechende Hinweise oder Offenlegungen über die vom Gesetz umfassten Verstöße gemacht werden können, errichtet der Bund nach § 19 HinSchG beim Bundesamt für Justiz eine Stelle für externe Meldungen. Zudem gibt es externe Meldestellen bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht sowie beim Bundeskartellamt. Daneben kann jedes Land gemäß § 20 HinSchG eine eigene externe Meldestelle einrichten für Meldungen, die die jeweilige Landesverwaltung und die jeweiligen Kommunalverwaltungen betreffen.
Darüber hinaus sind Beschäftigungsgeber mit mindestens 50 Beschäftigten von wenigen Ausnahmen abgesehen nach § 12 HinSchG verpflichtet, interne Meldestellen einzurichten, an die sich Beschäftigte wenden können. Diese Pflicht gilt für private Beschäftigungsgeber mit 50 bis 249 Beschäftigten erst ab dem 17. Dezember 2023. Beschäftigungsgeber mit mehr als 250 Mitarbeitern haben die interne Meldestelle sofort nach Inkrafttreten des Gesetzes, also ab dem 02. Juli 2023 einzurichten. Beschäftigungsgeber können dabei natürliche- sowie juristische Personen des öffentlichen und des privaten Rechts als auch rechtsfähige Personengesellschaften oder sonstige rechtsfähige Personenvereinigungen sein, § 3 Abs. 9 HinSchG. Für Gemeinden und Gemeindeverbände und solche Beschäftigungsgeber, die im Eigentum oder unter der Kontrolle von Gemeinden und Gemeindeverbänden stehen, gilt die Pflicht zur Einrichtung und zum Betrieb interner Meldestellen nach Maßgabe des jeweiligen Landesrechts.
Nach § 14 HinSchG kann eine interne Meldestelle eingerichtet werden, indem eine bei dem jeweiligen Beschäftigungsgeber beschäftigte Person oder eine aus mehreren beschäftigten Personen bestehende Arbeitseinheit oder ein Dritter mit den entsprechenden Aufgaben betraut wird. Die Beauftragung eines Dritten entbindet den Beschäftigungsgeber nicht von der Pflicht, selbst geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um einen etwaigen Verstoß abzustellen und Folgemaßnahmen zu ergreifen. Die beauftragten Personen müssen bei der Ausübung ihrer Tätigkeit über die notwendige Fachkunde verfügen und haben unabhängig zu sein, § 15 HinSchG. Neben dieser Tätigkeit können diese Personen zwar auch andere Aufgaben und Pflichten wahrnehmen, Interessenkonflikte sind dabei jedoch zwingend zu vermeiden. Die Beschäftigungsgeber müssen der internen Meldestelle die notwendigen Befugnisse erteilen, um ihre Aufgaben wahrzunehmen, § 12 Abs. 4 HinSchG. Die Aufgaben der internen Meldestellen werden unter §§ 13 HinSchG geregelt. Danach betreiben die internen Meldestellen Meldekanäle, führen das Verfahren und ergreifen Folgemaßnahmen, wie interne Untersuchungen beim Beschäftigungsgeber.
Über die Meldekanäle nach § 16 HinSchG müssen Beschäftigte Informationen über Verstöße melden können. Die Meldungen sollen in mündlicher oder in Textform erfolgen können, wobei mündliche Meldungen per Telefon oder mittels einer anderen Art der Sprach- und Bildübermittlung möglich sein müssen. Auf Wunsch des Hinweisgebers sind auch persönliche Zusammenkünfte durchzuführen.
Anonym eingehende Meldungen sollen die internen Meldestellen zwar auch bearbeiten, nach § 16 Abs. 1 S. 5 HinSchG besteht dafür aber keine Verpflichtung. Die Meldekanäle sind so zu gestalten, dass nur die für die Entgegennahme und Bearbeitung der Meldungen Zuständigen sowie die bei der Erfüllung dieser Aufgaben unterstützenden Personen Zugriff auf die eingehenden Informationen haben, § 16 Abs. 2 HinSchG. Zudem haben die Meldestellen nach § 8 HinSchG die Vertraulichkeit der Identität der hinweisgebenden Person, der Personen, die Gegenstand einer Meldung sind und der sonstigen in der Meldung genannten Personen zu wahren.
Hinweisgeber können nach § 7 HinSchG wählen, ob sie sich an die interne Meldestelle oder eine externe Meldestelle wenden wollen. In den Fällen, in denen intern wirksam gegen den Verstoß vorgegangen werden kann und keine Repressalien zu befürchten sind, sollen Hinweisgeber jedoch die Meldung an eine interne Meldestelle bevorzugen.
Zum Schutz hinweisgebender oder sonstiger, von der Meldung betroffener natürlicher Personen enthalten die §§ 33 ff. HinSchG eine Vielzahl möglicher Schutzmaßnahmen. Nach § 36 HinSchG sind Repressalien bzw. deren Androhung gegen hinweisgebende Personen verboten. Nach dem Gesetz wird vermutet, dass eine Benachteiligung, die ein Hinweisgeber im Zusammenhang mit seiner beruflichen Tätigkeit erleidet, eine Repressalie für dessen Meldung oder Offenlegung ist, sodass die Person, die den Hinweisgeber benachteiligt hat, das Gegenteil beweisen muss (Beweislastumkehr). Bei Verstößen gegen dieses Verbot ist der Verursacher nach § 37 HinSchG verpflichtet, der hinweisgebenden Person den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Demgegenüber hat der Hinweisgeber gemäß § 38 HinSchG Schadensersatz zu leisten, der aus einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Meldung unrichtiger Informationen entstanden ist.
Wesentliche Verstöße gegen das HinSchG, wie das Unterlassen einer internen Meldestelle, das Behindern von Meldungen oder das Verhängen von Repressalien gegen den Hinweisgeber, stellen nach § 40 HinSchG Ordnungswidrigkeiten dar, die mit einer Geldbuße von bis zu 50 Tausend € geahndet werden können. Um derartige Folgen zu vermeiden, sollten betroffene Unternehmen zeitnah die nötigen Vorkehrungen zur Umsetzung der Vorgaben des HinSchG treffen. Bei der Beantwortung der dabei auftretenden rechtlichen Fragen ist Ihnen die Kanzlei selbstverständlich gern behilflich.
Sebastian Tempel
Rechtsanwalt