Arbeiten trotz Krankschreibung: Erlaubt oder nicht?
Die Mehrheit aller Berufstätigen geht einer Studie zufolge trotz Krankheit zur Arbeit. Ist vorzeitiges Arbeiten trotz Krankschreibung überhaupt erlaubt? Was sagt das Gesetz? Und wie steht es mit dem Versicherungsschutz?
Nach einer Umfrage der Betriebskrankenkasse Pronova BKK geht die Mehrheit aller Berufstätigen trotz einer Erkrankung ins Büro oder den Betrieb. Aus Sicht von Medizinern ist Arbeiten trotz Krankheit fragwürdig. Doch wie sehen die arbeitsrechtlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen aus?
Grundsätzlich gilt, dass eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kein Arbeitsverbot ist, sondern lediglich eine vom Arzt gemachte Prognose über den zu erwartenden Krankheitsverlauf. Von daher kann ein Arbeitnehmer prinzipiell trotz einer Krankschreibung wieder arbeiten, wenn er sich wieder gesund und arbeitsfähig fühlt.
Auch versicherungsrechtlich ergeben sich keine Bedenken, gemäß den Regelungen für die Unfallversicherung in §§ 2 Abs. 1 Nr. 1 sowie 8 Abs. 2 SGB VII und für die Krankenversicherung in § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V. Anderes gilt für Beschäftigungsverbote, wie sie beispielsweise für Schwangere gelten können.
Fürsorgepflicht des Arbeitgebers
Grundsätzlich gilt: Sind Beschäftigte arbeitsunfähig und setzt sie der Arbeitgeber dennoch ein, so kann er gegen seine Fürsorgepflicht verstoßen. Von Arbeitsunfähigkeit spricht man, wenn der Arbeitnehmer objektiv nicht mehr in der Lage ist, die ihm nach dem Arbeitsvertrag obliegende Arbeit zu verrichten oder Gefahr läuft, durch die Arbeit in absehbarer Zeit seinen Zustand zu verschlimmern.
Kommt ein offiziell noch krankgeschriebener Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin vorzeitig wieder zur Arbeit, sollte der Arbeitgeber sich vergewissern, ob er oder sie tatsächlich einen einsatzfähigen Eindruck macht. Ist dies der Fall, so muss er keine ärztliche Bescheinigung über die Arbeitsfähigkeit fordern, es genügt die Erklärung des Arbeitnehmenden.
Gesundschreibung verlangen bei Zweifeln?
Im deutschen Gesundheitswesen gibt es eine Gesundschreibung grundsätzlich nicht. Ist der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin wieder fit, kommt sie einfach wieder zur Arbeit.
Falls aber besondere Umstände die Vermutung nahelegen, dass Beschäftigte noch nicht wieder arbeitsfähig sind, kann der Arbeitgeber im Rahmen seiner Fürsorgepflicht notfalls den Betriebsarzt einschalten, um den Gesundheitszustand des Arbeitnehmenden überprüfen zu lassen. In diesem Fall kann eine ärztliche Bestätigung erforderlich sein, die den Arbeitnehmer für arbeitsfähig erklärt.
Auch Beschäftigte haben Pflichten
Beschäftigte dürfen ihre Arbeitsunfähigkeit dem Arbeitgeber nicht verheimlichen. Auch sie haben eine Fürsorgepflicht. Wenn absehbar ist, dass sie mit einer vorzeitigen Arbeitsaufnahme ihre Genesung gefährden oder gar den Krankheitszustand gefährden, sollten sie die Dauer der voraussichtlichen Arbeitsunfähigkeit abwarten. Auch in ihrer Freizeit sollten sie nichts unternehmen, was die eigene Genesung gefährdet
Trotz Krankschreibung arbeiten: Versicherungspflicht bleibt
Beschäftigte, die trotz Krankschreibung ihre Arbeit vorzeitig wieder aufnehmen, haben den üblichen Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung ebenso wie in der Krankenversicherung. Der Versicherungsschutz umfasst auch die Wege zum Betrieb. Grundsätzlich gilt dies auch für eine kurzzeitige Arbeitsaufnahme.
René Illgen
Rechtsanwalt