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Anspruch des Mieters auf Einbau eines Treppenlifts

Beantragt der Mieter die Genehmigung des Vermieters zum Einbau eines Treppenlifts, sind verschiedene tatsächliche und rechtliche Aspekte zu beachten:

Mietrechtlich ist in § 554 BGB geregelt, dass der Mieter die Erlaubnis des Vermieters für bauliche Veränderungen an der Mietsache, die dem Gebrauch durch Menschen mit Behinderungen dienen, verlangen kann, außer wenn die Veränderung dem Vermieter auch unter Würdigung der Interessen des Mieters nicht zugemutet werden kann.

Der Begriff der Behinderungen ist nicht zu eng zu verstehen. Vielmehr umfasst dies auch alterstypische Beeinträchtigungen oder Sinnesbeeinträchtigungen, die auf Dauer angelegt sind, also keine nur vorübergehenden krankhaften Beeinträchtigungen (ca. 6-Monatsgrenze), s. § 3 Behindertengleichstellungsgesetz.

Geschützt wird nicht nur der Mieter selbst, sondern auch seine Haushaltsangehörigen, Pflegepersonal, Untermieter. Umstritten ist dies für nur gelegentliche Besucher. Weil § 554 BGB auch für gewerbliche Mietverhältnisse gilt und somit auch (gelegentliche) Kunden des Gewerbemieters schützen soll, wird abgeleitet, dass auch der beabsichtigte Empfang von Gästen einen Duldungsanspruch des Mieters begründen können, vgl. Schmidt-Futterer/Flatow, 15. Aufl. 2021, BGB § 554 Rn. 8, 9; BeckOK MietR/Schüller, 27. Ed. 1.2.2022, BGB § 554 Rn. 8. Im Rahmen der Interessenabwägung wird zu berücksichtigen sein, ob der Besuch häufig oder selten erfolgt u. v. m.

Umfasst ist nicht nur die Wohnung selbst, sondern auch der Gebrauch von Nebenräumen im Keller oder auf dem Dachboden, von Gemeinschaftseinrichtungen und -flächen, Schmidt-Futterer/Eisenschmid § 554a Rn. 24; BeckOK MietR/Schüller, 27. Ed. 1.2.2022, BGB § 554 Rn. 19. In der Treppenliftentscheidung verdeutlichte das Bundesverfassungsgericht, dass die Benutzung des Treppenhauses auch einem Lebenspartner des Mieters ermöglicht werden müsse, wobei Bedenken des Vermieters gegen einen Treppenlift im gemeinschaftlichen Treppenhaus wegen zusätzlicher Gefahrenquellen durch zusätzliche Versicherung, Haftungsfreistellung oder Sicherheitsleistung des Mieters begegnet werden könne, vgl. BVerfG, Beschluss vom 28.3.2000, Az. 1 BvR 1460/99.

Aus der Regelung, dass der Mieter eine Erlaubnis verlangen kann, folgt, dass der Vermieter nicht zur Ausführung verpflichtet ist, es gibt also keinen Modernisierungsanspruch, sondern nur einen Duldungsanspruch des Mieters. Der Mieter darf demnach bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen auf eigene Kosten umbauen, muss aber die Veränderung bei Vertragsende grds. auch wieder auf eigene Kosten rückgängig machen. Zur Sicherung dieser Rückbauinteressen des Vermieters darf dieser seine Genehmigung von der Stellung einer angemessenen Zusatzsicherheit abhängig machen, die somit nicht auf eine bereits vereinbarte allgemeine Mietkaution im Sinne von § 551 BGB anzurechnen ist.

Berechtigte Interessen, die dem Mieteranspruch entgegengehalten werden könnten, wären bspw.:

 

  1. Öffentlich-rechtliche Hindernisse und Verkehrssicherungspflichten

Wenn es sich z. B. um einen Typenbau aus DDR-Zeiten handelt (damals gab es noch keine Treppenlifte), genügt die Breite nach Einbau eines Treppenliftes meist nicht mehr für den Rettungsfall. Allein schon die Laufschienen, welche teils mit Zahnrädern versehen sind, engen die Laufbreite ein. In Höhe des Sitzes in Halteposition wird der Weg noch weiter verengt. Im Brandfall, allein ein verrauchtes Treppenhaus genügt, würden dann die Flüchtenden behindert und Sturzgefahren steigen. Rettungskräfte können meist Patienten aufgrund von engen Kurvenradien nicht mehr auf einer Trage, oftmals auch nicht einmal mehr im Rettungstuch, hinaustragen, denn dies erfordert regelmäßig den Einsatz von drei oder mehr Personen, die das Tuch an den seitlichen Griffschlaufen tragen, also rechts und links neben dem Patienten laufen müssen. Das sollte mit dem Rettungsdienst vor Ort genau geklärt werden. Erhebt der Rettungsdienst ernsthafte Einwände, sollte von einer Genehmigung abgesehen werden. Denn es steht nicht allein im Ermessen der umbauwilligen Mieter, ob sie im Gefahrfalle auf eine Rettung verzichten. Auch Handwerker, technische Prüfer oder Mitarbeiter der Genossenschaft bis hin zu Besuchern können sich im Einzelfall in der oberen Etage aufhalten und Rettung benötigen, z. B. nach einem Infarkt. Eine Einwilligung der Mieter im Sinne eines Rettungsverzichts wäre zu Lasten Außenstehender ohnehin nicht wirksam. Brandschutz und Fluchtwegwahrung gehen der Barrierefreiheit in der Regel vor.

Relevant für die Prüfung ist also die Wahrung der Verkehrssicherungspflicht, und zwar auch beim Treppenlifteinbau innerhalb einer Maisonettewohnung oder eines vermieteten Reihenhauses. Die Vermietung stellt eine sog. Verkehrseröffnung dar, der Vermieter muss daher im Rahmen des Vorhersehbaren und Zumutbaren Sorge dafür tragen, dass durch oder bei Benutzung seines Eigentums niemandem Schaden zugefügt wird.

Gemäß § 36 der Sächsischen Bauordnung müssen notwendige Flure bspw. so breit sein, dass sie für den größten zu erwartenden Verkehr ausreichen. Somit ist eine verbindliche Mindestbreite gerade nicht normiert. In anderen Bauordnungen, wie der nordrhein-westfälischen, sind Mindestbreiten von 80 bzw. 100 cm vorgeschrieben. Soweit diese dann bei Einbau eines Treppenliftes unterschritten wird, sei es auch geringfügig, sind die Lifte zu beseitigen, vgl. VG Gelsenkirchen 26.09.2012, Az. 5 K 2704/12. Andere Gerichte wiederum urteilen – jedenfalls im Wohneigentumsrecht – großzügiger und erlauben auch geringfügige Unterschreitungen, jedenfalls wenn auch die Türbreiten geringer sind und kein erheblicher Personenverkehr stattfindet sowie es sich nur um wenige Engstellen handelt, vgl. OVG München, 12.07.2005, Az. 32 Wx 51/05.  Im Hinblick auf das zum 01.12.2020 modernisierte Mietrecht wird für Fälle der Kollision des Anspruchs auf Barrierefreiheit mit den baurechtlichen Bestimmungen die Herstellung eines einvernehmlichen Dispenses mit der Baubehörde empfohlen, vgl. Herlitz, NZM 2020, 912; Rolfs NZM 2020, 902.

Auch wenn der Einbau selbst nicht gefahrenträchtig wäre, muss auch der Liftbetrieb ordnungsgemäß erfolgen. Insb. müsste der Mieter nachweisen, dass für Kinder und andere Passanten keine Gefahren bestehen, der Lift ordnungsgemäß gewartet wird etc.

Mit der Gebäudeversicherung ist zu klären, ob ein gefahrerhöhendes Merkmal vorliegt.

 

  1. Beeinträchtigungen für andere Mieter

Zu prüfen ist auch, ob andere Mieter durch den Lift selbst in der Benutzung des Treppenhauses beein-trächtigt werden. Existiert bspw. ein beidseitiger Handlauf, auf den andere Nutzer angewiesen sind, kann dies schwierig werden. Oder man kann dann keine Taschen mehr hinauftragen usw. Jedenfalls könnten bei nicht zumutbaren Beeinträchtigungen für andere Mieter diese auch Minderungs- oder Rück-bauansprüche geltend machen.

Sind solche Beeinträchtigungen aber nicht zu befürchten, können die Mitmieter im Haus zur Duldung aber sogar verpflichtet sein, auch wenn der Einbau nicht durch den Vermieter erfolgt, § 555b Nr. 6 BGB, vgl. Schmidt-Futterer/Flatow, 15. Aufl. 2021, BGB § 554 Rn. 16.

Die anderen Mieter dürfen aber auch nicht über die Position Hauslicht mit Stromkosten für den Luftbetrieb belastet werden. Das müsste durch separate Erfassung gewährleistet werden.

 

  1. Substanzerhaltung und Rückbau

Das vermieterseitige Interesse am Substanzerhalt kann durch Auflagen (Vorgaben des Vermieters, Einbau und Wartung durch Fachfirma), das Rückbauinteresse durch Zusatzsicherheitsleistung abgefangen werden.

Denn der Mieter ist – wenn nichts anderes vereinbart ist oder das Rückbauverlangen ausnahmsweise treuwidrig wäre – bei Vertragsende grds. zum Rückbau verpflichtet, vgl. BT-Drs. 19/18791, Seite 87; BeckOK MietR/Schüller, 27. Ed. 1.2.2022, BGB § 554 Rn. 35.

Die Zusatzsicherheit soll die zu erwartenden Rückbaukosten, (auch mit Sicherheitszuschlag für Preissteigerungen) absichern, aber ggf. auch gestiegene Verkehrssicherungsrisken oder Wartungs- und Erhaltungskosten, vgl. Schmidt-Futterer/Flatow, 15. Aufl. 2021, BGB § 554 Rn. 22.

 

  1. Hinderung von barrierereduzierenden Anbauten für andere Mieter

Letztlich ist zu bedenken, dass auch andere Mieter später auf einen Treppenlift angewiesen sein können. Deshalb muss beim Erstantragsteller geregelt werden, dass und zu welchen Bedingungen dieser dann ggf. die Mitbenutzung duldet. Denn es werden kaum mehrere Lifte gleichzeitig eingebaut und betrieben werden können. U. U. kommt eine Befristung bzw. auflösende Bedingung als Vereinbarung insoweit in Frage.

Zunächst muss aber der Mieter erst einmal das konkrete Bauvorhaben (welcher Lift, welche Firma baut ein, welche Breite, welche Anschlussvoraussetzungen, welcher Wartungsaufwand etc.) offenlegen, um die baulichen Möglichkeiten und Risiken bewerten zu können.

Eine grundlose pauschale Ablehnung ist nicht zulässig, weil der Anspruch auf Barrierefreiheit gesetzlich normiert und unabdingbar ist. Und schließlich liegt es auch im Interesse jedes Vermieters, seine Mieter so lange wie möglich im Bestand zu halten.

 

Noreen Walther
Rechtsanwältin