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Anfechtung von Zahlungen durch den Insolvenzverwalter – Teil 2: Anfechtung von Mietzahlungen

Nachdem wir uns im Kanzleiforum 03/12 mit der Anfechtung von Zahlungen zur Vermeidung einer Energiesperre beschäftigt haben, steht im zweiten Teil die Anfechtung von Mietzahlungen im Mittelpunkt. Wird über das Vermögen des Schuldners ein Insolvenzverfahren eröffnet, stellt sich die Frage, ob und inwieweit Mietzahlungen oder Ratenzahlungen auf rückständige Mietzahlungen der Insolvenzanfechtung gem. §§ 129 ff InsO unterliegen. Da in Verbraucherinsolvenzverfahren die Anfechtung gem. § 313 Abs. 2 S. 1 InsO nicht durch den Treuhänder sondern durch die Gläubiger erfolgen muss, unterbleibt die Anfechtung in aller Regel. Im Rahmen einer Regelinsolvenz ist die Insolvenzanfechtung ein wichtiges Instrument der Massemehrung und erfolgt regelmäßig zeitnah nach Verfahrenseröffnung durch den Insolvenzverwalter. Daher stellt sich die Problematik in aller Regel bei Gewerberaummietverhältnissen.

Rechtshandlung zur Gläubigerbenachteiligung

Tatbestandsmerkmal einer jeden Insolvenzanfechtung ist zunächst eine Rechtshandlung, die zu einer objektiven Gläubigerbenachteiligung, d. h. zu einer objektiven Verkürzung der späteren Insolvenzmasse, führt. Eine Zahlung des Schuldners erfüllt dieses Tatbestandsmerkmal. Bei der regulären Mietzahlung des Schuldners handelt es sich in der Regel um ein Bargeschäft des täglichen Lebens gem. § 142 InsO, das nur bei einer vorsätzlichen Gläubigerbenachteiligung gem. § 133 InsO anfechtbar ist, da hierfür die Leistungen Zug um Zug oder in einem engen zeitlichen Zusammenhang ausgetauscht werden.

Besondere Insolvenzanfechtungstatbestände

Hinsichtlich der besonderen Insolvenzanfechtungstatbestände unterscheidet die InsO zwischen der kongruenten Deckungsanfechtung, § 130 InsO, der inkongruenten Deckungsanfechtung, § 131 InsO,

der Vorsatzanfechtung, § 133 InsO, sowie 3 weiteren Anfechtungsgründen.

Vorsatzanfechtung, § 133 InsO

Zahlt der Schuldner den Gesamtbetrag oder Raten mehr als 3 Monate vor dem Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens oder als sog. Bargeschäft (wie beispielsweise die ordnungsgemäße Zahlung der laufenden Miete), kommt nur eine sog. Vorsatzanfechtung gem. § 133 InsO in Betracht. Hierfür muss der Schuldner den Vorsatz haben, seine Gläubiger mit der Zahlung zu benachteiligen, während der Zahlungsempfänger den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners kennt. Ein Benachteiligungsvorsatz wird nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) dann angenommen, wenn der Schuldner zum Zeitpunkt der Zahlung zahlungsunfähig war (BGH Urteil vom 24.05.2007, Az. IX ZR 97/06). Abzustellen ist auf eine Zahlungsunfähigkeit i. S. d. § 17 Abs. 2 InsO. Eine vorrübergehende Zahlungsstockung begründet dabei noch keine Zahlungsunfähigkeit. Die Rechtsprechung geht davon aus, dass der Schuldner sich innerhalb von 3 Wochen im Wege des Kredits die notwendigen Mittel beschaffen kann, um kurzfristige Liquiditätsengpässe zu vermeiden. Liegt eine Liquiditätslücke von mehr als 10 % der fälligen Verbindlichkeiten vor, besteht nach der Rechtsprechung des BGH eine widerlegliche Vermutung für die Zahlungsunfähigkeit vor, sofern nicht ausnahmsweise mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass die Lücke demnächst (etwa in 3 bis 4 Wochen) vollständig beseitigt wird und den Gläubigern ein Zuwarten unter den besondere Umständen des Einzelfalls zuzumuten ist (vgl. BGH ZInsO 2005, 807, 809). Diese Rechtsprechung des BGH begegnet in der Praxis regelmäßig Anwendungsschwierigkeiten. Im Rahmen der Insolvenzanfechtung wird in der Mehrzahl der Fälle auf eine Zahlungseinstellung des Schuldners abgestellt werden, da diese die Zahlungsunfähigkeit nach außen hin erkennbar macht.

Als weiter Voraussetzung muss hinzukommen, dass der Zahlungsempfänger den Benachteiligungsvorsatz kennt oder die Kenntnis gem. § 133 Abs. 2 InsO vermutet wird. Nach der Rechtsprechung des BGH ist dies in der Regel anzunehmen, wenn die Verbindlichkeiten des Schuldners bei dem Gläubiger und späteren Anfechtungsgegner über einen längeren Zeitraum hinweg ständig in beträchtlichem Umfang nicht ausgeglichen werden und jenem Umständen nach bekannt ist, dass es noch weitere Gläubiger mit ungedeckten Ansprüchen gibt (BGH Urteil vom 24.05.2007, Az. IX ZR 97/06). Auch die mehrfache Rückgabe von Lastschriften oder die Nichtausführung von Daueraufträgen wegen nicht ausreichender Deckung stellt ein erhebliches Beweisanzeichen für drohende Zahlungsunfähigkeit dar (OLG Hamburg, Urteil vom 03.02.2012, Az. 8 U 39/11). Demnach besteht das Risiko der Insolvenzanfechtung vor allem in den „klassischen“ Fällen, in denen der Schuldner seine Mietzahlungen sporadisch in unterschiedlichen Teilbeträgen erbringt und kontinuierlich Mietrückstände bestehen. Nicht selten weiß der Vermieter vom Schuldner selbst, dass auch andere Gläubiger Forderungen gegen den Schuldner haben. So entschied beispielsweise der BGH mit Urteil vom 20.11.2008 (Az. IX ZR 188/07), dass Mietzahlungen an einen Vermieter anfechtbar sind, wenn der Vermieter über einen Zeitraum von 23 Monaten hinweg nur nicht ausreichende Teilzahlungen auf die Miete erhält.

Kongruente Deckung, § 130 InsO

Die Mietzahlung auf eine Kündigungsandrohung oder eine fristlose Kündigung hin stellt auch eine kongruente Deckung gem. § 130 InsO dar, da der mit dem Schuldner abgeschlossene Mietvertrag die Rechtsgrundlage für die regelmäßigen Mietzahlungen darstellt. Erfolgt die Mietzahlung innerhalb eines Zeitraums von 3 Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, kommt auch eine Kongruenzanfechtung gem. § 130 InsO in Betracht. Voraussetzung dafür ist, dass der Gläubiger Kenntnis davon hat, dass der Schuldner zum Zeitpunkt der Zahlung zahlungsunfähig ist. Drohende Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung sind nicht ausreichend.

Die Anfechtung des Insolvenzverwalters kann nach der Rechtsprechung nicht nur dann Erfolg haben, „wenn der [Gläubiger] direkt und unmissverständlich über die wirtschaftliche Krise [des Schuldners] aufgeklärt worden ist. Es genügt bereits, dass er von Umständen weiß, aus denen sich die wirtschaftliche Krise eines Geschäftspartners zwingend aufdrängen muss. Als Mindestmaß ist dabei zu fordern, dass sich ein redlich Denkender, der vom Gedanken an den eigenen Vorteil nicht beeinflusst ist, angesichts der ihm bekannten Tatsachen der Einsicht nicht verschließen konnte, der Schuldner sei zahlungsunfähig“, so das LG Dresden (Beschluss vom 09.06.2008, Az.: 10 T 391/08). Indizien für Zahlungsunfähigkeit sind im allgemeinen die Einstellung des Geschäftsbetriebes, außergerichtliche Sanierungsbemühungen des Schuldners, die Häufung von Klagen und Zwangsvollstreckungen oder auch die verstärkte Inanspruchnahme von Bürgen des Schuldners, die Nichtzahlung von Lohn- und Lohnnebenkosten, von Lohn-, Umsatz- oder Gewerbesteuer, Sozialversicherungsbeiträgen oder Versicherungsprämien (vgl. Dauerheim in Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung, § 130, Rn. 41). Kann der Insolvenzverwalter derartige Umstände darlegen und beweisen, gelingt die Insolvenzanfechtung in der Regel.

Schwierig ist es auch, wenn mit dem Schuldner zur Abwendung einer fristlosen Kündigung eine Ratenzahlung vereinbart wird. Dadurch, dass der Schuldner nur Teilzahlungen zur Vermeidung einer Kündigung anbieten kann, liegt die Vermutung nahe, dass der Schuldner nicht in der Lage ist, seine fälligen Verbindlichkeiten zu bedienen. Erschwerend kommt hinzu, dass wenn der Schuldner bereits derart essentielle Verbindlichkeiten wie Zahlung der Miete nicht leisten kann, wahrscheinlich noch andere, weit höhere Verbindlichkeiten bestehen.

Inkongruenzanfechtung, § 131 InsO

Neben den beiden bereits genannten Anfechtungsgründen wird eine Anfechtung von Zahlungen auf eine Kündigungsandrohung hin nicht unter den erleichterten Bedingungen gem. § 131 InsO wegen einer inkongruenten Deckung möglich sein. Nach der Rechtsprechung liegt eine inkongruente Deckung beispielsweise vor, wenn der Schuldner aufgrund einer drohenden oder bereits begonnen Zwangsvollstreckung Zahlungen leistet (vgl. BGH, NJW 2007, 848). In unserem Beitrag im Kanzleiforum März 2012 hatten wir bereits geschildert, dass einige Instanzgerichte sich bereits mit der Frage zu befassen hatte, ob diese BGH-Rechtsprechung auf die Fälle einer drohenden Energiesperre übertragbar ist. Die wohl herrschende Meinung lehnte das mit der Begründung ab, dass die Ausübung vertraglicher Rechte nicht mit der Durchführung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen vergleichbar sei. Dies dürfte auch für die Androhung einer Mietvertragskündigung gem. § 543 BGB gelten, so dass eine Inkongruenzanfechtung gem. § 131 InsO nicht in Betracht kommt.

 

Fazit

Bei Wohnraummietverhältnissen unterbleibt die Insolvenzanfechtung, wenn über das Vermögen des Schuldners ein Verbraucherinsolvenzverfahren (AZ. des Insolvenzgerichts mit „IK“) eröffnet wird. Die Gefahr der Insolvenzanfechtung besteht meist nur bei Regelinsolvenzverfahren (AZ. des Insolvenzgerichts mit „IN“). Grundsätzlich darf der Vermieter mit einer Kündigungsandrohung Druck auf den Schuldner ausüben. Einmalzahlungen können unter den erschwerten Voraussetzungen der §§ 130, 133 InsO angefochten werden, Ratenzahlungen dagegen in aller Regel. Die vertragliche Bestellung von Sicherheiten dürfte nur anfechtungssicher möglich sein, wenn der Schuldner noch nicht in Zahlungsschwierigkeiten ist, zu einem Zeitpunkt also, zu dem sich die Frage nach Sicherheiten noch gar nicht stellt. Es ist schwierig, mit den komplizierten Regelungen zur Insolvenzanfechtung in der Praxis richtig umzugehen. Wir beraten Sie gern.

Jacqueline Klemd

Rechtsanwältin

im Kanzleiforum 06/2012

Rechtsanwälte Strunz ♦ Alter, Chemnitz