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Anfechtung von Zahlungen durch den Insolvenzverwalter – Teil 1: Zahlungen zur Vermeidung einer Energiesperre

Neben dem Wohnraum- und/oder Gewerberaummietvertrag sind Energielieferverträge für den Schuldner und nicht zuletzt seine Angehörigen essentiell. Um eine Wasser-, Strom- oder Gassperre zu vermeiden, zahlen viele Schuldner buchstäblich in letzter Minute die ausstehenden Beträge an den Versorger. Wird über das Vermögen des Schuldners ein Insolvenzverfahren eröffnet, stellt sich die Frage, ob und inwieweit solche Beträge der Insolvenzanfechtung gem. §§ 129 ff InsO unterliegen. Da in Verbraucherinsolvenzverfahren die Anfechtung gem. § 313 Abs. 2 S. 1 InsO nicht durch den Treuhänder sondern durch die Gläubiger erfolgen muss, unterbleibt die Anfechtung in aller Regel. Im Rahmen einer Regelinsolvenz ist die Insolvenzanfechtung ein wichtiges Instrument der Massemehrung und erfolgt regelmäßig zeitnah nach Verfahrenseröffnung durch den Insolvenzverwalter.

Rechtshandlung zur Gläubigerbenachteiligung

Tatbestandsmerkmal einer jeden Insolvenzanfechtung ist zunächst eine Rechtshandlung, die zu einer objektiven Gläubigerbenachteiligung, d.h. zu einer objektiven Verkürzung der späteren Insolvenzmasse, führt. Eine auf eine Sperrandrohung hin geleistete Zahlung des Schuldners erfüllt dieses Tatbestandsmerkmal. Es handelt sich auch nicht um ein Bargeschäft des täglichen Lebens gem. § 142 InsO, das nur bei einer vorsätzlichen Gläubigerbenachteiligung gem. § 133 InsO anfechtbar wäre, da hierfür die Leistungen Zug um Zug oder in einem engen zeitlichen Zusammenhang ausgetauscht werden müssen. Dieser zeitliche Zusammenhang ist schon auf Grund des Verzugs des Schuldners nicht mehr gegeben. Ein solches Bargeschäft kommt daher allenfalls für die regelmäßigen Abschlagszahlungen in Betracht.

Besondere Insolvenzanfechtungstatbestände

Hinsichtlich der besonderen Insolvenzanfechtungstatbestände unterscheidet die InsO zwischen der kongruenten Deckungsanfechtung, § 130 InsO, der inkongruenten Deckungsanfechtung, § 131 InsO, der Vorsatzanfechtung, § 133 InsO, sowie 3 weiteren Anfechtungsgründen.

Vorsatzanfechtung, § 133 InsO

Zahlt der Schuldner den Gesamtbetrag mehr als 3 Monate vor dem Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, kommt nur eine sog. Vorsatzanfechtung gem. § 133 InsO in Betracht. Hierfür muss der Schuldner den Vorsatz haben, seine Gläubiger mit der Zahlung zu benachteiligen, während der Zahlungsempfänger den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners kennt. Da dem Versorgungsunternehmen ein Anspruch auf Zahlung zusteht, handelt es sich um eine kongruente Deckung i. S. d. § 130 InsO, so dass an die Feststellung des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes strenge Anforderungen zu stellen sind. Das Bewusstsein des Schuldners, nicht alle Gläubiger befriedigen zu können, genügt hierfür nicht. Es ist vielmehr erforderlich, dass es dem Schuldner gerade auf die Bevorzugung eines bestimmten Gläubigers gegenüber anderen ankommt, z.B. weil der Schuldner von dem bevorzugten Gläubiger am ehesten die Stellung eines Insolvenzantrages erwartet, den er vermeiden möchte. Die Kenntnis des Gläubigers von dem Benachteiligungsvorsatz des Schuldners wird vermutet, wenn der Gläubiger wusste, dass Zahlungsunfähigkeit drohte und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligte, § 133 Abs. 1 S. 2 InsO. Für das Vorliegen der Voraussetzungen ist der Insolvenzverwalter darlegungs- und beweisbelastet. Aufgrund des damit verbundenen Prozessrisikos des Insolvenzverwalters, sind Vorsatzanfechtungen für Einmalzahlungen selten. Schwieriger ist es, wenn mit dem Schuldner eine Ratenzahlung vereinbart wird. Dadurch, dass der Schuldner nur Teilzahlungen zur Vermeidung einer Energiesperre anbieten kann, liegt die Vermutung nahe, dass der Schuldner nicht in der Lage ist, seine fälligen Verbindlichkeiten zu bedienen. Erschwerend kommt hinzu, dass wenn der Schuldner bereits derart essentielle Verbindlichkeiten wie Zahlung der Energierechnung nicht leisten kann, wahrscheinlich noch andere, weit höhere Verbindlichkeiten bestehen.

Kongruente Deckung, § 130 InsO

Erfolgt die Zahlung auf eine Sperrandrohung hin innerhalb eines Zeitraums von 3 Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens kommt eine Kongruenzanfechtung gem. § 130 InsO in Betracht. Voraussetzung dafür ist, dass der Gläubiger Kenntnis davon hat, dass der Schuldner zum Zeitpunkt der Zahlung zahlungsunfähig ist. Drohende Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung sind nicht ausreichend. Abzustellen ist auf eine Zahlungsunfähigkeit i.S.d. § 17 Abs. 2 InsO. Eine vorrübergehende Zahlungsstockung begründet dabei noch keine Zahlungsunfähigkeit. Die Rechtsprechung geht davon aus, dass der Schuldner sich innerhalb von 3 Wochen im Wege des Kredits die notwendigen Mittel beschaffen kann, um kurzfristige Liquiditätsengpässe zu vermeiden. Liegt eine Liquiditätslücke von mehr als 10 % der fälligen Verbindlichkeiten vor, besteht nach der Rechtsprechung des BGH eine widerlegliche Vermutung für die Zahlungsunfähigkeit vor, sofern nicht ausnahmsweise mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass die Lücke demnächst (etwa in 3 bis 4 Wochen) vollständig beseitigt wird und den Gläubigern ein Zuwarten unter den besondere Umständen des Einzelfalls zuzumuten ist (vgl. BGH ZInsO 2005, 807, 809). Diese Rechtsprechung des BGH begegnet in der Praxis regelmäßig Anwendungsschwierigkeiten. Im Rahmen der Insolvenzanfechtung wird in der Mehrzahl der Fälle auf eine Zahlungseinstellung des Schuldners abgestellt werden, da diese die Zahlungsunfähigkeit nach außen hin erkennbar macht.

Die Anfechtung des Insolvenzverwalters kann nach der Rechtsprechung nicht nur dann Erfolg haben, „wenn der [Gläubiger] direkt und unmissverständlich über die wirtschaftliche Krise [des Schuldners] aufgeklärt worden ist. Es genügt bereits, dass er von Umständen weiß, aus denen sich die wirtschaftliche Krise eines Geschäftspartners zwingend aufdrängen muss. Als Mindestmaß ist dabei zu fordern, dass sich ein redlich Denkender, der vom Gedanken an den eigenen Vorteil nicht beeinflusst ist, angesichts der ihm bekannten Tatsachen der Einsicht nicht verschließen konnte, der Schuldner sei zahlungsunfähig“, so das LG Dresden (Beschluss vom 09.06.2008, Az.: 10 T 391/08). Indizien für Zahlungsunfähigkeit sind im allgemeinen die Einstellung des Geschäftsbetriebes, außergerichtliche Sanierungsbemühungen des Schuldners, die Häufung von Klagen und Zwangsvollstreckungen oder auch die verstärkte Inanspruchnahme von Bürgen des Schuldners, die Nichtzahlung von Lohn- und Lohnnebenkosten, von Lohn-, Umsatz- oder Gewerbesteuer, Sozialversicherungsbeiträgen oder Versicherungsprämien (vgl. Dauerheim in Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung, § 130, Rn. 41). Kann der Insolvenzverwalter derartige Umstände darlegen und beweisen, gelingt die Insolvenzanfechtung in der Regel.

Inkongruenzanfechtung, § 131 InsO

Neben den beiden bereits genannten Anfechtungsgründen wird noch diskutiert, ob die Zahlung zur Abwendung einer Energiesperre unter den erleichterten Bedingungen wegen einer inkongruenten Deckung gem. § 131 InsO anfechtbar ist. Nach der Rechtsprechung liegt eine inkongruente Deckung beispielsweise vor, wenn der Schuldner aufgrund einer drohenden oder bereits begonnen Zwangsvollstreckung Zahlungen leistet (vgl. BGH, NJW 2007, 848). Einige Instanzgerichte hatten sich bereits mit der Frage zu befassen, ob diese BGH-Rechtsprechung auf die Fälle einer drohenden Energiesperre übertragbar ist. Das OLG Köln lehnte dies in mehreren Entscheidungen aus dem Jahr 2006 ab (OLG Köln, NZI 2007, 176; OLG Köln Beschluss vom 31.08.2006, Az.: 2 U 3/06; OLG Köln, Beschluss vom 07.09.2006, Az.: 2 W 19/06). Die Androhung einer Stromsperre sei mit der Androhung oder Durchführung der Zwangsvollstreckung nicht vergleichbar. Der Gläubiger bemühe zur Beitreibung nicht staatliche Mittel sondern die Ausübung vertraglicher Zurückbehaltungsrechte. Dies sei nicht rechtsmissbräuchlich. Auch der BGH bestätigte mit seiner Entscheidung, vom 23.04.2009 (Az.: IX 82/06, GWR 2009, 156), dass ein auf den Schuldner ausgeübter Druck, der nicht durch Drohung mit einer Zwangsvollstreckungsmaßnahme oder durch Androhung der Stellung eines Insolvenzantrages erfolgt, eine daraufhin erfolgte Zahlung des Schuldners nicht inkongruent macht und damit eine Anfechtung unter erleichterten Bedingungen ermöglicht. Ein Inkongruenzanfechtung gem. § 131 InsO dürfte daher in aller Regel bei Zahlungen auf eine Sperrandrohung hin nicht in Betracht kommen.

Fazit

Grundsätzlich darf der Energieversorger mit der Sperrung Druck auf den Schuldner ausüben. Einmalzahlungen können unter den erschwerten Voraussetzungen der §§ 130, 133 InsO angefochten werden können, Ratenzahlungen dagegen in aller Regel. Die vertragliche Bestellung von Sicherheiten dürfte nur anfechtungssicher möglich sein, wenn der Schuldner noch nicht in Zahlungsschwierigkeiten ist, zu einem Zeitpunkt also, zu dem sich die Frage nach Sicherheiten noch gar nicht stellt. Es ist schwierig, mit den komplizierten Regelungen zur Insolvenzanfechtung sind in der Praxis richtig umzugehen. Wir beraten Sie gern.

Im nächsten Kanzleiforum lesen Sie: Teil 2 – Zahlungen zur Abwendung einer fristlosen Kündigung des Mietvertrages.

Jacqueline Klemd
Rechtsanwältin

im Kanzleiforum 03/2012

Rechtsanwälte Strunz ♦ Alter, Chemnitz