Aktuelles vom Mindestlohn
1. Die Kontrolle der Einhaltung des Mindestlohnes
Nach einer Einschätzung der Bundesregierung haben sich seit der Einführung des Mindestlohnes zum 01.01.2015 die Löhne von 3,7 Millionen Arbeitnehmern erhöht. Damit die dafür zuständige Zollverwaltung die Einhaltung des Mindestlohns kontrollieren kann, müssen bestimmte Arbeitgeber die Arbeitszeit bestimmter Arbeitnehmer nach der Mindestlohndokumentationsverordnung dokumentieren.
Arbeitgeber, die gegen den Mindestlohn verstoßen, können mit einem Bußgeld belegt und von der Vergabe öffentlicher Aufträge ausgeschlossen werden. Ferner kommt eine Strafbarkeit nach § 266 a StGB wegen Vorenthalten und Veruntreuung von Arbeitsentgelt in Betracht, wobei bis zu 5 Jahren Haft drohen. Strafbar ist hier nicht die Nichtzahlung des Mindestlohns an den Arbeitnehmer, sondern das Nichtabführen der zum Mindestlohn gehörenden Sozialbeiträge.
In der Praxis zeigt sich jedoch bisher, dass bei der Bekämpfung von Verstößen gegen das Mindestlohngesetz vom Deutschen Zoll bisher wenige Verstöße festgestellt worden sind. Nach der Jahresbilanz 2015 wurde die sogenannte Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) im Vorjahr rund 400.000 mal tätig. Verglichen mit 2014, dem Jahr vor Einführung der gesetzlichen Lohnuntergrenze von 8,50 € pro Stunde, bedeutet dies ein Rückgang um fast ein Drittel.
Die hierbei Betroffenen kamen mit geringen Geldbußen davon, da von den festgesetzten Geldbußen in Höhe von insgesamt rund 43 Millionen Euro lediglich 200.000 Euro auf Vergehen wegen Nichtgewährung des gesetzlichen Mindestlohns von 8,50 € pro Stunde entfielen.
Hierbei wurden wegen „Nichtgewährung des gesetzlichen Mindestlohns“ im Jahre 2015 lediglich 705 Ermittlungsverfahren eingeleitet. Aufgrund der „Nichtgewährung branchenspezifischen Mindestlöhne“ waren es hingegen 2.016. In der für Lohndumping besonders anfälligen Baubranche ist die bezahlte Kontrolle um nahezu die Hälfte auf knapp 17.000 gesunken. Darüber hinaus wurden beispielsweise in Gaststätten und Hotelgewerbe nur 17 % aller Prüfungen diesbezüglich durchgeführt, wobei es nach den bisherigen Erfahrungen gerade dort zu den häufigsten Zuwiderhandlungen gegen die Bestimmungen des Mindestlohngesetzes kommt.
Der Hintergrund ist ein erheblicher Personalmangel beim Deutschen Zoll. Von den für 2015 vorgesehen 6.865 Planstellen wurden nach Angaben des Finanzministeriums rund 600 nicht besetzt. Die 1.600 zusätzlichen Stellen, die es zur Mindestlohnkontrolle geben soll, werden erst in den Haushaltsjahren 2017 – 2022 eingerichtet. Außerdem wurden im Jahre 2015 über 400 Beschäftigte an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge überstellt.
Es bleibt nunmehr abzuwarten, ob es in der Zukunft mehr Kontrollen wegen Verstößen gegen das Mindestlohngesetz geben wird, was bei der derzeitig bestehenden Personalsituation beim Deutschen Zoll fraglich sein wird. Sollten hier Zollkontrollen erfolgen, sollten Sie uns unverzüglich informieren, um die gesetzlichen Kontrollbefugnisse der Zollmitarbeiter überprüfen zu können und diesen gegebenenfalls zu widersprechen, da in der Praxis teilweise Zollbeamte im Rahmen der Überprüfung unverhältnismäßig vorgegangen sind. So besteht für bestimmte Mitarbeiter und dem Arbeitgeber ein Auskunftsverweigerungsrecht und die Zollbeamten müssen über ein eventuelles Aussageverweigerungsrecht belehren, wenn die Begehung einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit vermutet wird.
2. Wie soll der Mindestlohn im Jahre 2017 aussehen?
Eine erste Anpassung des Mindestlohnes ist für den 01. Januar 2017 vorgesehen. Mitte 2016 muss die sog. Mindestlohnkommission ihr Votum darüber abgeben, wie stark die Erhöhung ausfallen soll.
Die Kommission hat neun Mitglieder. Gewerkschaften und Arbeitgeber sind mit jeweils drei stimmberechtigten Mitgliedern vertreten. Außerdem gibt es noch zwei wissenschaftliche Mitglieder ohne Stimmrecht sowie den neutralen Vorsitzenden.
Die Leitlinie zur Entscheidung über die Höhe des Mindestlohnes ist der sog. Tariflohnindex des Statistischen Bundesamtes. Dafür wählen die Statistiker die wichtigsten Tarifverträge aus und gewichten sie entsprechend ihrer Arbeitnehmerzahl. Grundsätzlich darf die Kommission zwar auch vom sog. Tarifindex abweichen und einen stärkeren Zuschlag empfehlen. Dafür wäre in dem Gremium aber eine 2/3 Mehrheit notwendig, die nicht in Sicht ist. Denn die Arbeitgeberseite plädiert dafür, die allgemeine Tarifentwicklung als Richtschnur für den Mindestlohn zu verwenden.
Für die mögliche Erhöhung des Mindestlohnes 2017 kommt es darauf an, welche Daten man zugrunde legt. In dem Tariflohnindex nimmt das Statistische Bundesamt im Prinzip nur Tariferhöhungen auf, die ab 01. Juni 2016 auch an die Beschäftigten gezahlt werden. Auf dieser Basis kommen die Statistiker auf Tariferhöhungen von bislang 3,2 % seit Ende 2014, dies entspräche einem Mindestlohn von 8,77 €.
Dazu kommen jedoch noch die Tariferhöhungen der Metall- und Elektroindustrie, des öffentlichen Dienstes und im Bau. Unter dieser Berücksichtigung kommen die Statistiker auf eine Tariferhöhung von 3,9 %, also einem Mindestlohn von 8,83 €.
Da die Mindestlohnkommission voraussichtlich auf 0- oder 5 Cent-Werte auf- bzw. abrunden wird, steht ein voraussichtlicher Mindestlohn von 8,85 € pro Stunde im Raum. In diesem Falle würden laut Statistischem Bundesamt rund 4 Millionen Arbeitnehmer in Deutschland davon profitieren.
Es bleibt abzuwarten, wie stark der Mindestlohn ab 01.01.2017 steigen wird, da es nach Aussage des Statistischen Bundesamtes letztlich eine politische Entscheidung ist.
René Illgen
Rechtsanwalt
im Kanzleiforum 06/2016
Rechtsanwälte Strunz ♦ Alter, Chemnitz