>

Aktuelles Immobiliensteuerrecht (II): Neuregelungen zur Zinsschranke

Mit der Unternehmenssteuerreform 2008 hat der Gesetzgeber die Abzugsfähigkeit von Schuldzinsen beschränkt, § 4h EStG. Danach konnten Zinsaufwendungen insoweit steuermindernd berücksichtigt werden, wie in demselben Wirtschaftsjahr Zinserträge erwirtschaftet worden sind. Sind mehr Zinsaufwendungen als -erträge angefallen, beschränkte sich die Abzugsfähigkeit der Zinsen auf 30 % des steuerlichen Gewinns vor Zinsen und Abschreibungen (sog. steuerliche EBITDA = Earnings before Interest, Taxes, Depreciation and Amortization). Es bestand eine Freigrenze in Höhe von 1 Mio. Euro, die zeitlich befristet auf 3 Mio. Euro erhöht werden konnte. Der Vortrag nicht abziehbarer Zinsen wurde auf die Freigrenze angerechnet, so dass bei Bestandshaltern ein struktureller „Freigrenzenverbrauch“ eingetreten ist.

Die Einführung der Zinsschrankenregelung erfolgte vor allem, um für Großunternehmen (z.B. IKEA) einerseits Anreize zu einer Gewinnverlagerung ins Inland zu schaffen und andererseits eine Verlagerung von Zinsaufwand nach Deutschland zu verhindern. Die Steuerpraxis hat jedoch gezeigt, dass nicht nur Großunternehmen, sondern auch vielfach mittelständische Unternehmen der Immobilienwirtschaft betroffen sind. Die Freigrenze war bei fremdfinanzierten Modernisierungsvorhaben schnell erreicht, so dass sich vor allem renditeschwache Immobilienunternehmen einer Substanzbesteuerung gegenüber sahen, die die wirtschaftliche Situation des Unternehmens noch verschlechterte.

In Zeiten der Finanzkrise war dies eine höchst unerwünschte Wirkung der Zinsschranke. Mit dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz 2010 gab es daher 3 Änderungen der Zinsschrankenregelung:

Anhebung der Freigrenze

Zum einen erfolgte eine dauerhafte Anhebung der Freigrenze von 1 Mio. Euro auf 3 Mio. Euro. Zuvor war nur eine kurzfristige Anhebung für die Dauer von 2 Jahren möglich. Mit dieser Anhebung werden vor allem kleinere und mittlere Bestandshalter entlastet. So ist beispielsweise ein Unternehmen mit einer Eigenkapitalquote von 20 % bei einem Durchschnittszinssatz von 4,5% mit Investitionsvolumina von bis zu 83 Mio. Euro von der Zinsschranke befreit. Die Neuregelung gilt auch für die Veranlagungszeiträume 2008 und 2009.

Erhöhung der Toleranzgrenze für den Eigenkapital-Quoten-Vergleich („Escape“)

Nach dem bisher geltenden Recht war beim Eigenkapitalvergleich im Rahmen der sog. „Escape-Klausel“ ein Unterschreiten der Eigenkapitalquote des Unternehmens im Vergleich zum Konzern um 1% unschädlich. Diese Toleranzgrenze ist nunmehr von 1% auf 2% erhöht worden. Dies dürfte zu einer geringfügigen Entlastung führen, insbesondere im Bezug auf die Anwendung der Zinsschranke bei Änderungen der Eigenkapital/Fremdkapitalstrukturen in konzerngebundenen Unternehmen. Die Neuregelung findet erstmals ab dem Veranlagungszeitraum 2010 Anwendung.

Einführung des sog. EBITDA-Vortrags

Zum Zweiten ist mit dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz die Möglichkeit des sog. EBITDA-Vortrags eingeführt. Bislang war der steuerliche Abzug der Nettozinsaufwendungen bislang auf 30 % des steuerlichen EBITDA des Wirtschaftsjahrs begrenzt, wenn keine Ausnahmetatbestände eingriffen. Die steuerliche Abzugsfähigkeit der Nettozinsaufwendungen hing dadurch vom Ergebnis eines ganz bestimmten Wirtschaftsjahrs ab. Nun ist es möglich, Jahre, in denen die Ergebnisgrenze der Zinsschranke unterschritten wurde, mit Folgejahren, in denen die Zinsschranke eingreift bzw. die periodische Ergebnisgrenze überschritten wird, auszugleichen. Zukünftig kann ein Vortrag des in einem Wirtschaftsjahr nicht ausgeschöpften Zinsabzugspotenzials (d. h. der Differenz zwischen 30 % des steuerlichen EBITDA und den Nettozinsaufwendungen) in die folgenden fünf Wirtschaftsjahre erfolgen. Der Vortrag ist auf 5 Jahre befristet. Die Verrechnung ist erstmals ab dem Veranlagungszeitraum 2010 möglich. Auf Antrag können die nicht verbrauchten EBITDA 2010 um die kalkulatorisch ermittelten und nicht verbrauchten EBITDA 2007 – 2009 erhöht werden. Allerdings entsteht kein EBITDA-Vortrag in Jahren, in denen die Zinsschranke wegen der Anwendung der Freigrenze, der Konzernklausel oder der Escape-Klausel nicht anwendbar ist.

Jacqueline Köppen
Rechtsanwältin

im Kanzleiforum 06/2010

Rechtsanwälte Strunz ♦ Alter, Chemnitz