Aktuelle Anfragen und Forderungen wegen Insolvenzanfechtung
In den letzten Monaten lagen in der Kanzlei wieder vermehrt Anfragen und Problemstellungen unserer Mandanten zu Anfechtungsbegehren von Treuhändern und Insolvenzverwaltern vor, die kraft ihres Amtes Zahlungen, Verrechnungen und sonstige Rechtsgeschäfte und Rechtshandlungen von Vermietern und anderen Gläubigern angefochten haben und die Rückzahlung von teilweise nicht unerheblichen Beträgen nebst Zinsen ab Eröffnung der jeweiligen Insolvenzverfahren verlangten. Wie wir bereits in Referaten und Seminaren stetig erinnern, sind diese Anfechtungsforderungen zum Teil jedoch pauschal und zumeist nicht (vollständig) begründet, so dass vor allem bei Beträgen, die für Unternehmen zumeist noch als verschmerzbar gelten, keine weitere inhaltliche Überprüfung stattfindet und stattdessen gezahlt wird.
Übersicht
Im Wesentlichen fechten Insolvenzverwalter bei Vermietern wegen inkongruenten oder kongruenten Deckungsgeschäften (§§ 130, 131 InsO), wegen unmittelbar nachteiligen Rechtshandlungen (§ 132 InsO), wegen vorsätzlicher Gläubigerbenachteiligung (§133 InsO) und wegen unentgeltlicher Leistung (§ 134 InsO) an.
Voraussetzung ist bei den §§ 130, 131, 132 133 InsO stets eine (drohende) Zahlungsfähigkeit des Schuldners. Bereits hier fehlen meistens ausreichende Belege, vielmehr wird dies oft nur pauschal behauptet. Möglicherweise liegt nämlich nur eine Zahlungsstockung oder nur ein zeitweiliger Liquiditätsengpass vor. Liegt jedoch eine anfechtbare Rechtshandlung in der Krise vor, sind dann insoweit gepfändete Gegenstände zurückzugeben, abgetretene Forderungen zurück abzutreten, eingezogene Beträge wieder auszukehren, dingliche Sicherheiten freizugeben (Aufhebung) und auf Pfandrechte zu verzichten. Ist bereits eine Verwertung erfolgt, steht der Insolvenzmasse das Surrogat, d. h. der an diese Stelle getretenen Vermögenswertigkeiten, zu.
Teilweise muss den Gläubigern für eine erfolgreiche Anfechtung seitens des Insolvenzverwalters auch eine Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit und vom Vorsatz des Schuldners, seine Gläubiger zu benachteiligen, nachgewiesen werden. Hierbei reicht es oftmals jedoch nicht aus, von nichts gewusst zu haben oder nicht entsprechende Schlüsse gezogen zu haben. Die derzeit doch recht insolvenzverwalterfreundliche Rechtsprechung lässt bereits zahlreiche Indizien ausreichen, um dem Gläubiger subjektiv Wissen bzw. Kenntnis zu unterstellen (Beweiserleichterungen).
Beispiele
Relevant im Bereich der Vermietung, der Genossenschaftsmitgliedschaft sowie im Bereich der allgemeinen Forderungsbeitreibung sind folgende einzelne Beispiele, die bei Ihnen sofort Anlass zu einer erweiterten Überprüfung geben sollten:
- Übertragung von Genossenschaftsmitgliedschaften auf Dritte, zumeist Ehepartner, Kinder oder Mitbewohner
- Verwendung von Guthaben aus Betriebskosten- und Kautionsabrechnungen bzw. Auseinandersetzungsguthaben für andere Mietverhältnisse bzw. für Forderungen gegen Dritte
- Zahlungen von Dritten (z. B. Untermietern oder Schuldnern von Mietern/ Mitgliedern) auf Verbindlichkeiten der Mieter/ Mitglieder gegenüber dem Vermieter
- Freiwillige Verpfändung und Entgegennahme von sonst nicht üblichen Sicherheiten bei erheblichen Forderungsrückständen
- Einräumung von Kreditlinien bzw. Erweiterungen von Kreditlinien sofern Rückstände stetig auflaufen oder bestehen
- Ausübung des Vermieterpfandrechts an Vermögensgegenständen, die aller Wahrscheinlichkeit nach unter (verlängertem) Eigentumsvorbehalt stehen oder sicherungsübereignet sind (Stichwort: Geschäftsraumausstattung)
- Hin- und Herzahlen in einem cash-pool-System von verbundenen Unternehmen (gemeinsame Master- und Unterkonten)
Explizit ist letztlich auch darauf hinzuweisen, dass Insolvenzverwalter Auskunftsansprüche, d. h. Ansprüche auf Mitteilung über die nur bei Ihnen bekannten Hintergründe und oben genannten Vorgänge der bereits dem Grunde nach ermittelten Rechtshandlungen, auch einklagen können.
Abgrenzung zur sog. Rückschlagsperre
Von der Insolvenzanfechtung ist die Rückschlagsperre nach § 88 InsO zu unterscheiden. Hiernach werden in einem Zeitraum von einem Monat (bis ggf. drei Monaten im Verbraucherinsolvenzverfahren) im Vollstreckungswege erlangte Sicherheiten mit Verfahrenseröffnung absolut unwirksam. Vor dem Dreimonatszeitraum zwangsweise erlangte Sicherheiten und Zahlungen sind – außer in besonderen Ausnahmefällen – aufgrund des Vorrangs der Einzelzwangsvollstreckung aber nicht anfechtbar und müssen vom Gläubiger nicht wieder aufgegeben werden.
Fazit
Wir empfehlen Ihnen, sich bei Forderungsschreiben von Insolvenzverwaltern, die über die üblichen Freigabeerklärungen nach § 109 InsO hinausgehen, etwas Zeit zu nehmen und diese Forderungen zu hinterfragen und detailliert zu überprüfen. Hierfür stehen wir Ihnen mit unserem Beratungsangebot wie üblich jederzeit und selbstverständlich weiterhin gern zur Verfügung.
Sebastian Tempel
Rechtsanwalt
im Kanzleiforum 12/2014
Rechtsanwälte Strunz ♦ Alter, Chemnitz