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Abgrenzung von Dienstvertrag und Arbeitsvertrag bei Vorständen / Geschäftsführern

Aufgrund mehrerer aktueller Anfragen und aufgetretener Rechtsstreitigkeiten zu Vorstandsverträgen in Genossenschaften möchten wir eine Abgrenzung zwischen dem Dienstvertrag des hauptamtlichen Vorstandsmitgliedes/ Geschäftsführers sowie dem Anstellungsvertrag des ehrenamtlichen Vorstandsmitgliedes oder Arbeitnehmers näher bringen. Explizit gewinnt dies an Bedeutung, wenn ehrenamtliche Vorstände hauptamtlich bestellt oder Arbeitnehmer zu Vorständen/ Geschäftsführern bestellt werden und die jeweiligen Vereinbarungen zur Beschäftigung abzuändern sind.

Steigt ein Arbeitnehmer zum Vorstand/ Geschäftsführer auf, gelten für ihn bisher einschlägige arbeitsrechtliche Vorschriften (z. B. Kündigungsschutz-, Bundesurlaubs-, Teilzeit- und Befristungsgesetz) nicht mehr, sondern nur noch die Regelungen der §§ 611  BGB sowie des GenG/ GmbhG. Problematisch an dieser Stelle ist vor allem, dass der aufsteigende Arbeitnehmer zumeist durch Beschluss (Aufsichtsrat oder Mitgliederversammlung/ Gesellschafterversammlung) zum Organ bestellt wird, wobei oftmals kein Aufhebungs- oder Änderungsvertrag bzgl. des Arbeitsverhältnisses und kein Dienstvertrags zustande kommt. Im Falle des Widerrufs der Bestellung und/ oder Kündigung des Anstellungsverhältnis, kommt es regelmäßig zum Streit darüber, ob die Rechtsgrundlage der Organstellung des Vorstandes/ Geschäftsführers ein Arbeits- oder ein Dienstvertrag ist.

Dienstvertrag

Grundsätzlich sind Vorstands-/ Geschäftsführerverträge Dienstverträge, wobei durchaus Ähnlichkeiten mit einem Arbeitsvertrag vorliegen können. Die teilweise erheblichen Unterschiede lauten wie folgt:

  • keine Weisungsgebundenheit
  • Sozialversicherungsfreiheit
  • keine Übernahme gesetzlicher oder tariflicher Regelungen zu Urlaub und Vergütung
  • keine Kündigungsgründe u. -fristen, sondern ausführliche Befristungs- und Beendigungsregelungen
  • unternehmerische Entscheidungsfreiheit
  • grds. Unabhängigkeit von der Bestellung/ Abberufung zum Vorstand/ Geschäftsführer durch die Gremien

Das Vorstands/ Geschäftsführer-Dienstverhältnis ist streng vom gesellschaftlichen Organverhältnis zu trennen. Das Organverhältnis beinhaltet den gesellschaftsrechtlichen Status sowie die Rechte und Pflichten des Vorstandes/ Geschäftsführers (Gesellschaftsleitung, Einberufung Mitgliederversammlung, Aufstellung Jahresabschluss usw.). Neben dem Organverhältnis muss nicht notwendig ein Dienstverhältnis existieren, gleichwohl trifft dies oftmals zu. Die Pflichten des Dienstverhältnisses decken sich zumeist auch mit den organschaftlichen Pflichten. Die Organstellung endet in der Regel durch Abberufung durch entsprechenden Beschluss oder durch Niederlegung des Amtes. Wird der Vorstand/ Geschäftsführer aus wichtigem Grund mit sofortiger Wirkung abberufen, verliert dieser zwar dadurch seine Organstellung, nicht jedoch automatisch seine Ansprüche aus dem Dienstvertrag, mit der Folge, dass der Vorstand/ Geschäftsführers auf Erfüllung seiner Vergütungsansprüche bestehen kann.

Arbeitsvertrag

Der Arbeitsvertrag ist immer auch ein Dienstvertrag, gleichzeitig ist ein Dienstvertrag nicht auch immer ein Arbeitsvertrag. Ein Arbeitsvertragsverhältnis ist durch das persönliche Abhängigkeitsverhältnis des Arbeitnehmers vom Arbeitgeber sowie die Weisungsgebundenheit gekennzeichnet. Er muss sich an vorgegebene Arbeitszeiten halten, erbringt er die Arbeitsleistung an einem bestimmten Ort und ist in Arbeitsorganisation eingebunden. Der Vertragsschluss für den Dienstvertrag ist grundsätzlich formlos möglich (mündlich / schlüssiges Verhalten), wogegen der Arbeitsvertrag spätestens einen Monat nach vereinbartem Vertragsbeginn dem Arbeitnehmer schriftlich auszuhändigen ist. Oftmals liegt der Fall vor, dass Arbeitnehmer in leitender Funktion oder Bereichsleitung zu Vorständen/ Geschäftsführern (ehrenamtlich /hauptamtlich) im Beschlusswege bestellt werden, die bestehenden Arbeitsverträge jedoch fortbestehen. Dies kann zu erheblichen Problemen (Stichwort: Scheinselbständigkeit) und hohen Nachzahlungen (Sozialversicherungen etc.) führen.

Gestaltungsmöglichkeiten bei Bestellungsabsicht

Bei der vertraglichen Umsetzung des Aufstiegs eines Arbeitnehmers zum Vorstand/ Geschäftsführer (Organ) sind folgende Lösungen anzutreffen:

  1. Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Aufhebungsvertrag zum Arbeitsverhältnis und Abschluss eines Dienstvertrages – empfohlen
  2. Abschluss eines schriftlichen Dienstvertrags ohne Aufhebung des Arbeitsverhältnisses (gem. BAG, Urt. v. 19.07.2007 – 6 AZR 774/06 = automatische Aufhebung des Arbeitsvertrages)
  3. keine Beendigung des Arbeitsverhältnisses + kein Abschluss eines Dienstvertrags

(hier liegt nur eine Bestellung als rein korporativer Akt vor, HÄUFIG GENUTZT) – abzuraten

Rechtsfolgen zur häufigen Variante 3

Soll sich die Bestellung zum Vorstand/ Geschäftsführer nicht auf das Anstellungsverhältnis auswirken, bleibt das Arbeitsverhältnis die alleinige Rechtsgrundlage der Organstellung und der neue Vorstand/ Geschäftsführer weiterhin Arbeitnehmer (Fall 3.A). Dies widerspricht wegen organschaftlicher Haftungs- und Leitungsaufgaben zwar der Auffassung des BGH, kann gemäß BAG jedoch im Einzelfall ausnahmsweise auch eine Arbeitnehmereigenschaft der Geschäftsführung begründen. Diese Art der Umsetzung ist jedoch aufgrund vieler Unwägbarkeiten nicht zu empfehlen.

Die Parteien können neben dem fortbestehenden Arbeitsverhältnis aber auch einen zusätzlichen Dienstvertrag abschließen (Fall 3.B). Dieser bedarf keiner Form und kann auch durch schlüssiges Verhalten abgeschlossen werden. Bestellt der Aufsichtsrat oder die Mitgliederversammlung/ Gesellschafterversammlung einen langjährigen Arbeitnehmer zum Vorstand/ Geschäftsführer und bezahlt ihm eine laufende Vergütung für die Übernahme der Geschäftsverantwortung, ist von einer stillschweigenden Verständigung eines Dienstverhältnisses auszugehen.

Die vorliegende doppelte Vertragsgrundlage liegt aber nicht im allgemeinen Interesse der Gesellschaft. Zudem kommen für den neuen Vorstand/ Geschäftsführer keine Haftungserleichterungen mehr in Betracht, da auch wesentliche Aufgaben und Pflichten ohnehin dem GenG/ GmbHG (auch Aktiengesetz) entstammen. Der gemeinsame Wille von Gesellschaft und Organ geht dann vielmehr dahin, keine Veränderung der alten Vertragsgrundlage herbeizuführen, gleichwohl ist die Diskrepanz zwischen der Aufgaben- und Haftungserweiterung des neuen Organs und der parallele Wille zur Fortführung eines nicht mehr benötigten Arbeitsverhältnisses weder zielführend noch gefahrenlos für die Gesellschaft und den neuen Vorstand/ Geschäftsführer.

Letztlich ist aber auch die inhaltliche Umwandlung des bestehenden Arbeitsverhältnisses in einen Dienstvertrag möglich (Fall 3.C). Kommt das bisherige Arbeitsverhältnis des Vorstandes/ Geschäftsführers nicht als einzige vertragliche Grundlage seiner Organstellung in Betracht (Fall 3.A) und tritt der Dienstvertrag als zusätzliche vertragliche Grundlage nicht neben das Arbeitsverhältnis (Fall 3.B), kommt noch die inhaltliche Umwandlung des Arbeitsverhältnisses in Betracht (Fall 3.C). Die allgemeine Meinung in Rechtsprechung und Literatur verneint jedoch diesen Weg, da die Umwandlung eines Arbeitsverhältnisses in ein freies Dienstverhältnis der Form des § 623 BGB bedarf.

Fazit

Es ist daher dringend zu empfehlen, vor entsprechenden Bestellungen der Organe die vertraglichen Grundlagen ausreichend zu klären. Im Nachhinein sollten unklare Arbeits- und Dienstverhältnisse ebenfalls nachvereinbart werden. Bestellt eine Gesellschaft einen ihrer Arbeitnehmer zum Vorstand/Geschäftsführer, ohne das Arbeitsverhältnis durch schriftlichen Aufhebungsvertrag zu beenden oder einen Vorstand/Geschäftsführer-Dienstvertrag abzuschließen, bleibt das bisherige Arbeitsverhältnis die einzige vertragliche Grundlage der Organstellung. Der neue Vorstand/Geschäftsführer ist aber nicht weiterhin Arbeitnehmer. Die rechtliche Stellung eines Vorstands/Geschäftsführers, der keinen tätigkeitsbezogenen und arbeitsbegleitenden Weisungen der Mitglieder/Gesellschafter unterliegt, lässt sich weder nach Auffassung des BGH noch des BAG mit dem Arbeitnehmerstatus vereinbaren. Es entspricht weder der Interessenlage noch den Willenserklärungen der Parteien, neben den neuen Dienstvertrag des Vorstandes/Geschäftsführers ein zusätzliches ruhendes Arbeitsverhältnis treten zu lassen. Der Schutzzweck des § 623 BGB und die Interessenlage von Gesellschaft und Vorstand/Geschäftsführer sprechen vielmehr dafür, in dem Eintritt des Vorstands/Geschäftsführers in die Organstellung eine inhaltliche Umwandlung des bisherigen Arbeitsverhältnisses in ein Dienstverhältnis zu sehen. Diese Umwandlung berücksichtigt in ausreichendem Maß das Schutzinteresse des bisherigen Arbeitnehmers und dient der Rechtssicherheit auf beiden Seiten.

Sebastian Tempel

Rechtsanwalt

im Kanzleiforum 03/2015

Rechtsanwälte Strunz ♦ Alter, Chemnitz