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Auswirkungen des nachträglichen Anbaus von Balkonen in der WEG

Es ist umstritten, ob Balkone als Räume überhaupt sondereigentumsfähig sind, weil sie eben nicht abgeschlossen, sondern offen sind1. M. E. ist dies aber mit der h. M. zu bejahen2.

Sondereigentum können aber jedenfalls nur der Luftraum, der Bodenbelag über der Isolierschicht und der Innenanstrich der Brüstung sein, denn § 5 WEG bestimmt, dass tragende Bestandteile (also z. B. die Bodenplatte) und die von außen sichtbaren Teile (wie Brüstung, Geländer und Außenwand des Gebäudes) zwingend im Gemeinschaftseigentum stehen3. Auch Isolierschicht, Trittschalldämmung und Estrich sowie die Abdichtungsanschlüsse zwischen Gebäude und Balkon sind zwingend als Gemeinschaftseigentum einzuordnen4. Balkone können also nicht insgesamt dem Sondereigentum zugeordnet werden5. Aber das ist auch bei Wohnräumen der Fall, in denen die tragende Bodenplatte, tragende Wände sowie die Außenfenster zwingend zum Gemeinschaftseigentum gehören.

 

  • 5 WEG lautet:

(1) Gegenstand des Sondereigentums sind die gemäß § 3 Absatz 1 Satz 1 bestimmten Räume sowie die zu diesen Räumen gehörenden Bestandteile des Gebäudes, die verändert, beseitigt oder eingefügt werden können, ohne dass […]  die äußere Gestaltung des Gebäudes verändert wird. […]

(2) Teile des Gebäudes, die für dessen Bestand oder Sicherheit erforderlich sind, […]

 

Nach dem vielfach kritisierten Beschluss des OLG München vom 23.09.2011 zu Az. 34 Wx 247/11 gehört ein (jedenfalls von Anfang an vorhandener) Balkon auch ohne gesonderte Erklärung zum Sondereigentum, weil es sich um einen wesentlichen Bestandteil i. S. v. § 94 BGB handle (Minderheitsmeinung). Nach der „natürlichen Anschauung“ könne der Balkon nur von einer bestimmten Wohnung aus begangen werden. Nach ganz h. M. bedarf es dagegen zur Überführung in Sondereigentum einer ausdrücklichen Zuordnung in der Teilungserklärung und im Grundbuch6. So ist es auch in § 5 Abs. 1 WEG geregelt:

Gegenstand des Sondereigentums sind die gemäß § 3 Absatz 1 Satz 1 bestimmten Räume …

Das gilt ebenfalls für nachträgliche Anbauten7. Beim nicht dem Sondereigentum zugeordneten Balkon entsteht nur ein faktisches Sondernutzungsrecht wegen der exklusiven Begehbarkeit durch den begünstigten Eigentümer8.

 

Zwischenergebnis 1:

Nachträglich angebaute Balkone stehen im Gemeinschaftseigentum. Eine Überführung der Balkone in Sondereigentum ist nur hinsichtlich des Luftraumes, nicht aber hinsichtlich der nach außen sichtbaren und konstruktiven Bestandteile möglich.

 

Die Überführung in Sondereigentum berührt die sachenrechtlichen Grundsätze. Damit ist eine Beschlussfassung nicht möglich, es mangelt an der sog. Beschlusskompetenz. Ein dennoch gefasster Beschluss wäre also nicht nur anfechtbar, sondern sogar nichtig.

Vielmehr bedarf es einer Vereinbarung sämtlicher Wohnungs- und Teileigentümer9. Diese kann auch mündlich oder handschriftlich zustande kommen, sog. schuldrechtliche Vereinbarung. Erfolgt jedoch später in der Gemeinschaft ein Eigentümerwechsel, ist der Erwerber an diese schuldrechtliche Vereinbarung nicht gebunden. Soll die Vereinbarung also zukunftsfest sein, muss sie bei einem Notar beurkundet und im Grundbuch eingetragen werden, sog. dingliche Vereinbarung; § 10 Abs. 3 WEG.

Es kann stattdessen durch Vereinbarung auch ein echtes Sondernutzungsrecht eingeräumt werden10. Für deren Vereinbarung gelten die vorstehenden Ausführungen entsprechend. Mit der Einräumung von Sondernutzungsrechten ist aber keine Klärung der Kostentragung und Erhaltungslast verbunden, dies muss ausdrücklich mit vereinbart werden. Anderenfalls bleibt es bei der bisherigen Zuständigkeit der Gemeinschaft.

 

Zwischenergebnis 2:

Zur Überführung der Balkone – soweit möglich – in Sondereigentum (oder Begründung von Sondernutzungsrechten) ist eine notariell beurkundete und im Grundbuch eingetragene Nachtragsvereinbarung zur Teilungserklärung notwendig. Voraussichtlich sind auch ein Nachtrag zur Abgeschlossenheitsbescheinigung11, und die Vorlage eines aktuellen Aufteilungsplans erforderlich12.

 

Gehört ein Bestandteil oder Raum zum Sondereigentum, sind daran bestimmte Rechtsfolgen geknüpft. So richtet sich die Zulässigkeit baulicher Veränderungen am Sondereigentum nach §§ 13, 20 WEG, diese sind damit leichter möglich als am Gemeinschaftseigentum. Die Nutzungsbefugnisse stehen im Sondereigentum allein dem Sondereigentümer zu. Jedoch hat bei Balkonen faktisch ohnehin kein anderer Zugang. Der wichtigste Aspekt betrifft jedoch die Erhaltungslast und Kostentragung diesbezüglich. Gemäß § 16 WEG tragen sämtliche Wohnungseigentümer die Kosten der Erhaltung des Gemeinschaftseigentums, bis etwas anderes geregelt ist. Nun wurde zum 01.12.2021 aber eine gesetzliche Öffnungsklausel in § 16 WEG eingeführt, die es ermöglicht, mit einfachem Mehrheitsbeschluss die Kosten für Erhaltungsmaßnahmen einem Sondereigentümer zuzuweisen. Absatz 2 Satz 2 lautet:

Die Wohnungseigentümer können für einzelne Kosten oder bestimmte Arten von Kosten eine von Satz 1 oder von einer Vereinbarung abweichende Verteilung beschließen.

Der Gesetzgeber wollte hier also nicht nur die Änderung des Umlagemaßstabes für einzelne Kostenarten erleichtern, sondern auch die generelle Kostenzuweisung in Beschlusskompetenz überführen, z. B., dass jeder Sondereigentümer die Kosten der Erhaltung der Außenfenster, die sich allein in seinem Bereich befinden, allein trägt, vgl. Bundestags-Drucksache 168/20 Seite 60.

 

Zwischenergebnis 3:

Die WEG kann mit einfacher Stimmenmehrheit beschließen, dass jeder Sondereigentümer, der nachträglich in den Genuss eines Balkons gelangt ist, die Kosten der Erhaltung der Balkonanlage selbst tragen muss. Soweit dies konstruktive Bestandteile anbelangt, wie die Trägerkonstruktion, Abdichtung etc., könnten die am Balkonstrang beteiligten Eigentümer die Kosten anteilig tragen. Soweit es die Erhaltung von Bestandteilen ohne Auswirkung auf andere betrifft, könnte jeder Sondereigentümer allein kostentragungspflichtig sein. Das müsste – auch je nach Beschaffenheit des Balkons – konkret ausformuliert werden.

Es ist aber nicht zulässig, den Sondereigentümern die Vornahmepflicht für die Erhaltungsmaßnahmen am Gemeinschaftseigentum aufzuerlegen, dafür gibt es keine Beschlusskompetenz. Wenn also insoweit keine Vereinbarung zustande kommt, obliegt die Instandhaltung und Instandsetzung weiter der WEG, der Verwalter muss prüfen und organisieren, also Aufträge im Namen und auf Rechnung der WEG auslösen. Die Balkonnutzer müssten dann nur der WEG die Kosten intern erstatten13.

 

 

Noreen Walther
Rechtsanwältin

 

1 – vgl. Nachweise bei Hügel/Elzer, 3. Aufl. 2021, WEG § 3 Rn. 32; 2 – vgl. Köther: Abgrenzung von Gemeinschafts- und Sondereigentum in der notariellen Praxis, RNotZ 2021, 377; 3 – vgl. BGH 15.1.2010, Az. V ZR 114/09; Staudinger/Rapp, BGB, 2018, § 3 WEG Rn. 24; 4 – vgl. BGH, Urt. v. 9.12.2016, Az. V ZR 124/16; 5 – vgl. AG Hamburg-St. Georg, Az. 980 a C 7/20 WEG; 6 – vgl. KG Az. 1 W 493/16, Rapp in RNotZ 2012, 42; Steiner, NZM 2020, 578; 7 – vgl. OLG Celle, Az. 4 W 33/08; 8 – vgl. BeckOK WEG/Leidner, 46. Ed. 1.10.2021, WEG § 5 Rn. 46; Hügel Wohnungseigentum-HdB, § 2 Begründung und Veränderung von Wohnungseigentum; 9 – vgl. Hügel/Elzer, 3. Aufl. 2021, WEG § 5 Rn. 55; 10 – vgl. Hügel Wohnungseigentum-HdB, § 2 Begründung und Veränderung von Wohnungseigentum; 11 – MüKoBGB/Krafka, 8. Aufl. 2021, WEG § 5 Rn. 21, 22; 12 – vgl. Hügel Wohnungseigentum-HdB, § 2 Begründung und Veränderung von Wohnungseigentum; 13 – vgl. Steiner, NZM 2020, 578