Zahlung von Miete/Nutzungsentgelt unmittelbar vor Insolvenzeröffnung – Anfechtbarkeit durch den Insolvenzverwalter
In einem kürzlich ergangenen Urteil des BGH vom 17.10.2024 (Az. IX ZR 244/22) hat dieser entschieden, dass Mietzahlungen, die nach einer wirksamen Kündigung bis zur Herausgabe der Mietsache an den Vermieter gezahlt werden, nicht von einem Insolvenzverwalter zurückgefordert werden können, auch wenn dies im unmittelbaren Vorfeld einer Insolvenz – also in der Krise des Mieters – erfolgt.
Sachverhalt
Die Mieterin und spätere Insolvenzschuldnerin hatte nach der Kündigung eines Gewerbemietverhältnisses durch den Vermieter die Mieträume zunächst noch nicht zurückgegeben, im weiteren Verlauf nach Beendigung des Mietverhältnisses (fortgesetzte Nutzung), aber für noch 10 Monate die vertraglich vereinbarte Miete weitergezahlt. Im Anschluss stellte sie selbst einen Insolvenzantrag. Der Insolvenzverwalter forderte daraufhin die Zahlungen in Höhe von insgesamt rund 100.000 EUR im Rahmen der Insolvenzanfechtung vom Vermieter zurück. Der Insolvenzverwalter meinte, dass die Zahlungen in der Unternehmenskrise die anderen Gläubiger benachteiligten und er daher die gezahlte Miete vom Vermieter zugunsten der Insolvenzmasse gemäß § 133 InsO (Vorsatzanfechtung) vereinnahmen kann.
Entscheidung des Gerichts
Die Mietzahlungen erfolgten aufgrund der Kündigung rein rechtlich nicht mehr aufgrund des Mietvertrages, sondern aufgrund von § 546a BGB (Entschädigung des Vermieters für die verspätete Rückgabe der Mietsache in Höhe der vorherigen Miete). Nach Ansicht des BGH handelte es sich bei diesen regelmäßigen Mietzahlungen allerdings um bargeschäftsähnliche Leistungen gemäß § 142 InsO. Dies sind Leistungen, bei denen unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung in das Vermögen des Insolvenzschuldners fließt. Bei der Zahlung der Miete ist das nach dem BGH auch dann der Fall, wenn das Mietverhältnis gekündigt ist. Leistung und Gegenleistung sind dann immer noch miteinander unmittelbar verknüpft. Der Mieter führt die Zahlung einfach weiter fort und nutzt dafür weiterhin die (gekündigte) Mietsache.
Gemäß § 142 Abs. 1 InsO ist dieses aber anfechtbar, wenn der Mieter unlauter handelte und der Vermieter dies erkannt hat (vgl. § 133 InsO). Diese sog. Vorsatzanfechtung kam vorliegend aber nicht in Betracht, da der Insolvenzschuldner (Mieter) nicht mit dem Vorsatz handelte, die übrigen Gläubiger zu benachteiligen und der Leistungsempfänger (Vermieter) dies auch nicht vermuten musste. Beim Gläubigerbenachteiligungsvorsatz genügt es, dass der Insolvenzschuldner weiß oder billigend in Kauf nimmt, seine anderen Gläubiger nicht vollständig befriedigen zu können. Da dies alles subjektive bzw. innere Tatsachen sind, die unmittelbar von anderen nicht wahrgenommen und nicht leicht festgestellt werden können, stellt die Rechtsprechung sog. Indizien auf, welche für die Annahme eines Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes sprechen, bspw. eine erkennbare Zahlungsunfähigkeit. Trotz einer erkannten Zahlungsunfähigkeit kann ein Gläubigerbenachteiligungsvorsatz aber auch dann verneint werden, wenn der Insolvenzschuldner seine Leistung (regelmäßige Mietzahlung nach § 546a BGB) vornimmt, um unmittelbar eine Gegenleistung zu erhalten, die für die Fortführung des Unternehmens erforderlich ist. Eine solche bargeschäftsähnliche Situation lag in dem vom BGH entschiedenen Fall vor. Der i. S. v. § 142 Abs. 2 InsO erforderliche Maximalzeitraum für die Unmittelbarkeit von 30 Tagen lag ebenfalls vor. Der Vermieter hatte auch keine Hinweise, die auf eine Zahlungsunfähigkeit des Mieters hindeuteten.
Sebastian Tempel
Rechtsanwalt