Wohnungseigentümerversammlungen während der Corona-Pandemie-Regeln im November 2020
Die Bundesländer haben nach Durchführung der Bund-Länder-Telefonkonferenz in der vergangenen Woche jeweils neue Verordnungen zu Kontaktbeschränkungen in der Corona-Pandemie erlassen. Obgleich stets das einheitliche Vorgehen der Bundesländer in der Pandemie betont wird, unterscheiden sich die Regelungen zu Veranstaltungen in den einzelnen Bundesländern doch. Für die drei mitteldeutschen Bundesländer Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen gilt vorläufig (ohne Gewähr):
- Sachsen
Eigentümerversammlungen sollten, wenn nicht unverzichtbar, verschoben werden. Finden sie statt, sind die Hygieneregeln und Kontaktbeschränkungen einzuhalten (Abstände, Hygienekonzept, Teilnehmerzahl etc.). So ist es den FAQ Stand 2.11.2020 – Hinweisen des Ministeriums zu häufig gestellten Fragen zu entnehmen (https://www.coronavirus.sachsen.de/haeufige-fragen-zu-den-ausgangsbeschraenkungen-und-einschraenkungen-des-oeffentlichen-lebens-5074.html), da dort auf die Regelung zu Gemeinderatssitzungen verwiesen wird.
Der Wortlaut der Verordnung lässt indessen die gegenteilige Rechtsauffassung zu, da in diesem Eigentümerversammlungen als zulässige Ausnahmen vom allgemeinen Veranstaltungsverbot gerade nicht erwähnt und Eigentümerversammlungen keine Gemeinderatssitzungen sind. Quelle: www.coronavirus.sachsen.de Stand 02.11.2020
- Sachsen-Anhalt
Aus den Erläuterungen der Landesregierungen zur neuen Rechtslage in Sachsen-Anhalt geht hervor, dass Veranstaltungen von Vereinen, Organisationen, Einrichtungen und Parteien vorübergehend untersagt sind, ausgenommen notwendige interne Zusammenkünfte, z. B. Dienstberatungen oder Teambesprechungen am Arbeitsplatz, obgleich die Regelung in der sachsen-anhaltinischen Verordnung vom 30.10.2020 keine wesentlich andere Handhabung als in Sachsen vermuten lässt.
- Thüringen
Gemäß § 3 Abs. 2 der Thüringer Verordnung über außerordentliche Sondermaßnahmen zur Eindämmung einer sprunghaften Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 (Thüringer SARS-CoV-2-Sondereindämmungsmaßnahmenverordnung-ThürSARS-CoV-2-SonderEindmaßnVO-) vom 31. Oktober 2020 gelten die neuen Kontaktbeschränkungen nicht für Veranstaltungen im Sinne des § 8 2.ThürSARS-CoV-2-IfS-GrundVO.
Die Verordnungsbestimmungen sind sehr intransparent und unvollständig. Aber selbst diese Lage kann sich wöchentlich ändern, insbesondere durch örtliche Allgemeinverfügungen wegen Überschreitung örtlicher Inzidenzwerte.
- Wohnungseigentumsrecht
Für alle Bundesländer ist dagegen die Rechtsprechung zum Wohnungseigentumsrecht einheitlich: Es darf zu einer geplanten Präsenzveranstaltung kein Teilnehmer willentlich ausgeschlossen werden, der an der Versammlung teilnehmen möchte, vgl. AG Kassel, Urteil vom 27.08.2020, Az. 800 C 2563/20.
Beschlüsse einer Eigentümerversammlung sind nicht nur anfechtbar, sondern sogar nichtig, wenn sie unter Verletzung des Teilnahmerechts als elementaren Kernrechts jeden Eigentümers zustande kommen, was der Fall wäre, wenn der Verwalter in der Einladung zu einer Eigentümerversammlung im Büro des Verwalters darauf hinweist, dass Vollmachten zu erteilen seien und auf persönliches Erscheinen verzichtet werden soll, weil das Büro für Publikumsverkehr geschlossen sei. Die Ausübung des Stimmrechts durch Vollmachten genüge nicht, möglich sein müsse auch die Diskussion und Auseinandersetzung mit den Themen, so das AG Lemgo im Urteil vom 24.08.2020 zu Az. 16 C 10/20.
Dem steht aber nicht entgegen, wenn der Verwalter im Vorfeld einer Einladung mit den Eigentümern persönlichen Kontakt aufnimmt, um zu erfragen, ob diese eine persönliche Teilnahme wünschen oder Stimmrechtsvollmachten erteilen, ob die Versammlung bis nach der Pandemie verschoben werden soll oder ein Umlaufverfahren gewünscht wird. Dies ermöglicht nur die Vorbereitung und Einleitung des Verfahrens einer Willensbildung, das den Interessen der Eigentümer auch tatsächlich entspricht, und darauf kommt es an. Wünschen zahlreiche Eigentümer eine Teilnahme vor Ort, muss der Raum entsprechend groß angemietet werden, um die Abstände zu wahren.
Für den Fall, dass aufgrund der Bestimmungen im jeweiligen Bundesland zum Zeitpunkt der geplanten Veranstaltung eine Versammlung nicht oder nicht mit der erforderlichen Teilnehmerzahl durchgeführt werden kann, gilt Folgendes:
- Die Willensbildung kann im Umlaufverfahren beschlossen werden. Dazu ist allerdings Allstimmigkeit erforderlich, also die Zustimmung aller Wohnungs- und Teileigentümer zum Verfahren und Beschluss.
- Handelt es sich um eine unaufschiebbare, dringliche Maßnahme im Sinne von § 27 Absatz 3 Nr. 2 WEG, darf der Verwalter ohne Beschlussfassung handeln (z. B. Havariebeseitigung, Fristwahrung etc.).
- Die Versammlung wird nur mit dem Beirat unter Wahrung der Abstands- und Hygieneregeln durchgeführt, unter Inanspruchnahme von Vollmachten und Stimmrechtsweisungen, soweit die Eigentümer dies tatsächlich wünschen und nicht dazu genötigt werden.
Ab Inkrafttreten des reformierten Wohnungseigentumsgesetzes am 01.12.2020 stehen dem Verwalter weitreichende eigene Entscheidungskompetenzen zu, denn nach der Neufassung des § 27 WEG darf der Verwalter über Maßnahmen ordnungsgemäßer Verwaltung, die untergeordnete Bedeutung haben und nicht zu erheblichen Verpflichtungen führen, auch ohne Beschluss entscheiden. Ob es sich um eine solche Maßnahme handelt, ist im Einzelfall sowie anhand der Größe der Gemeinschaft zu beurteilen.
Die gesetzliche Neuregelung lässt auch Umlaufbeschlüsse mit einfacher Mehrheit zu – aber leider erst, wenn die Eigentümer bereits beschlossen haben, dass für einen einzelnen Gegenstand die Mehrheit der abgegebenen Stimmen genügt. Es muss also zunächst eine Willensbildung in einer Eigentümerversammlung zur Durchführung eines Umlaufverfahrens mit einfacher Mehrheit für einen konkreten Einzelfall stattgefunden haben, § 23 Absatz 3 Satz 2 WEG neue Fassung. Dieses Procedere hilft in unserer Fallgestaltung also nicht weiter.
Die Eigentümer können auch vereinbaren, reine Online-Versammlungen durchzuführen. Das setzt aber bereits begrifflich eine Einigung sämtlicher Eigentümer voraus.
Hinweis:
Einzelne Erleichterungen im Sinne des Gesetzes über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie vom 27. März 2020 (BGBl. I S. 569, 570) – wir berichteten in der Aktuellen Information 11/2020 – gelten bis zum 31.12.2021.
Noreen Walther
Rechtsanwältin