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Wohnnutzung im Teileigentum

Der BGH hat im Urteil vom 16.07.2021 zu Az. V ZR 284/19 grundlegende Hinweise zur gerichtlichen Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen wegen Wohnnutzung in einem Teileigentum gegeben.

 

  1. Inhaber des Unterlassungsanspruchs und Auswirkungen der Reform 2020

Unterlassungsansprüche gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 1 WEG, § 1004 BGB übt seit 1.12.2020 gemäß § 9a Absatz 2 WEG der Verband aus, eines Vergemeinschaftungsbeschlusses bedürfe es nicht mehr, auch nicht für am 1.12.2020 bereits laufende Prozesse, weil eine gesetzliche Übergangsregelung fehle.

 

  1. Grundsätze der Umwandlung von Teil- in Wohneigentum

Die Regelung in einer Teilungserklärung, ob es sich bei einer Sondereigentumseinheit um Wohneigentum oder nicht Wohnzwecken dienendes Teileigentum handelt, ist eine Vereinbarung. Deren Änderung bedarf also ebenfalls einer Vereinbarung. Ein Mehrheitsbeschluss genügt nicht, es sei denn, die Teilungserklärung enthält eine solche Öffnungsklausel.

Der betreffende Sondereigentümer kann auch nicht eigenmächtig beim Grundbuchamt eine Umschreibung des Teil- in Wohneigentum durchführen lassen, er bedarf der Mitwirkung aller anderen Sondereigentümer, vgl. BGH Az. V ZB 7/13.

 

  1. Duldungspflicht bei nicht störender Änderung der Nutzungsart

Die Nutzung von Teileigentum zu Wohnzwecken ist grds. unzulässig und zu unterlassen, § 1  Abs. 3 WEG. Ausnahmsweise kann die Wohnnutzung dennoch zulässig sein, nämlich wenn die Wohnnutzung typischerweise nicht mehr stört als die jeweils zulässige Nutzung des Teileigentums, vgl. BGH Az. V ZR 203/18.

Die Zweckbestimmung wird nicht um ihrer selbst willen vereinbart, sondern, so der BGH, um das Maß der hinzunehmenden Störungen festzulegen. Wird dieses Maß nicht überschritten, ist das Unterlassungsinteresse nicht schutzwürdig.

Also ist zunächst zu prüfen, welche Art von Gewerbe nach der Teilungserklärung zulässig wäre. Stört die Wohnnutzung typischerweise nicht mehr als die nach der Teilungserklärung denkbar störendste Art der gewerblichen Nutzung, dann ist die Wohnnutzung zulässig.

Wohnnutzung sei nicht per se störender. Lediglich wenn es sich um eine reine gewerbliche Anlage mit speziellem Charakter, wie ein Ärztehaus handele, könne dies anders zu beurteilen sein, vgl.  BGH Az. V ZR
307/16 (Ärztehaus).

Bestehe die Anlage aber auch oder gar überwiegend aus Wohnungen, sei das nicht vergleichbar. Eine gewerbliche Nutzung könne genauso oder gar mehr stören als eine Wohnnutzung. Ist der gewerbliche Nutzungszweck nicht weiter eingeschränkt, wäre auch ein Barbetrieb, ein Waschsalon oder eine Gaststätte zulässig. Gewerbe mit Publikumsverkehr, Lärm- und Geruchsemmissionen, die baurechtlich zulässig sind, müssten dann als Vergleich herangezogen werden.

Unerheblich sei, wie die Wohnnutzung konkret stattfinde. Wenn es dort Gebrauchsüberschreitungen (z. B. Lärm) gebe, könne insoweit konkret Unterlassung verlangt werden. Für die Grundfrage, ob überhaupt Wohnnutzung im Teileigentum stattfinden dürfe, komme es aber gerade auf die generalisierende Betrachtung an, ob Wohnnutzung typischerweise – und nicht im konkreten Einzelfall mehr störe als die denkbar störendste gewerbliche Nutzung.

Jedoch dürfte auch in die Betrachtung einbezogen werden, ob die anderen Eigentümer durch die vereinbarungswidrige Wohnnutzung mit zusätzlichen Kosten belastet werden würden.

 

 

Noreen Walther

Rechtsanwältin