Wann liegt eine grundlegende Umgestaltung der Wohneigentumsanlage vor?
Bauliche Veränderungen können seit der WEG Reform zum 1.12.2020 mit einfacher Stimmenmehrheit beschlossen werden. Sie dürfen aber nicht beschlossen werden – und sind damit anfechtbar, wenn durch die Baumaßnahme die Wohnanlage grundlegend umgestaltet oder ein Wohnungseigentümer ohne sein Einverständnis gegenüber anderen unbillig benachteiligt werden würde, § 20 Absatz 4 WEG. Zur Frage, wann eine grundlegende Umgestaltung vorliegt, hat sich jüngst das Landgericht Köln im Urteil vom 26.01.2023 zu Az. 29 S 136/22 geäußert.
Der Sachverhalt:
Eine aus 3 Gebäuden mit je 4 Wohnungen bestehende Anlage sollte baulich verändert werden. Den insgesamt 6 Erdgeschosswohnungen sind jeweils Sondernutzungsrechte am rückseitigen Garten zugewiesen worden, die innenliegenden 4 Erdgeschosswohnungen verfügen zudem über befestigte Terrassen. Sämtliche Wohnungen sind mit Balkon errichtet worden, wobei an den unteren Balkonen kleine Treppen in die Sondernutzungsflächen führen. Eine gehbehinderte Eigentümerin einer Außenwohnung im Erdgeschoss beabsichtigt die Aufschüttung einer Terrasse in eine Höhe von rund 65 cm, die Ersetzung eines Doppelfensters durch eine verschließbare Schiebetür, weil die vorhandene Balkontür zu schmal sei, und den Anbau einer Rampe. Der Beschluss ist mehrheitlich als privilegierte Maßnahme nach § 20 Absatz 2 WEG zustande gekommen, aber erfolgreich angefochten worden.
Die Entscheidung des LG Köln:
Streitig war einzig, ob die Veränderung zu einer grundlegenden Umgestaltung der Wohneigen-tumsanlage führen würde, die bejahten das Amts- und das Landgericht. Die Revision zum BGH wurde jedoch zur grundsätzlichen höchstrichterlichen Klärung zugelassen.
Unter Beachtung der Hinweise des Gesetzgebers in der Gesetzesbegründung BT-Drs. 19/18791, S. 61) erkannte das Gericht, dass es auf die Einzelfallumstände sowie hinsichtlich des Bezugspunktes auf die Anlage als Ganzes ankommt. Eine Änderung der Eigenart der Wohnanlage wie nach altem Recht stehe der Beschlussfassung noch nicht entgegen. Auch Störungen der Symmetrie, also die Entstehung eines uneinheitlichen Gesamteindrucks, seien nicht ausschlaggebend.
Hier sei maßgebend, dass die rückwärtige Fassaden für das rückwärtige Aussehen der Anlage prägend sei und der Umbau die charakteristische Gestaltung verändere. Die aufgeschüttete Terrasse würde der Gesamtanlage, die derzeit allenfalls einem mittleren Wohnstandard entspreche, ein luxuriöseres Gepräge geben, das zur übrigen Gestaltung nicht passe. Die Eigentümer der oberen Wohnungen könnten vergleichbare rückwärtige Zugänge nicht anlegen, so dass die Wohnungen unterschiedliche Standards aufweisen würden. Zwar sei dies baulich und in der Teilungserklärung so angelegt, aber aufgeschüttete Terrassen sehe die Vereinbarung der Eigentümer auch für die anderen Wohnungen mit Terrassen nicht vor. Zudem sei die Veränderung trotz Hecken „ausreichend sichtbar“. Die Ersetzung des Wohnzimmer-fensters durch eine bodentiefe Schiebetür sei „so krass“, dass sich die Anlage als Ganzes hierdurch verändere. Zudem sei die Maßnahme auch zur Herstellung von Barrierefreiheit weder erforderlich noch angemessen, weil das Balkonfenster statt dessen ersetzt werden könne und eine Treppe am Balkon bereits vorhanden sei, die durch eine Rampe ersetzt oder ergänzt werden könnte.
Die Einzelheiten können dem Urteil nicht gänzlich nachvollziehbar entnommen werden, das Gericht verweist auf – nicht veröffentlichte – Lichtbilder.
Dennoch ist erkennbar, dass der unbestimmte neue Rechtsbegriff der „grundlegenden Umgestaltung der Wohnanlage als Ganzes“ erwartungsgemäß zu Auslegungsschwierigkeiten führt. Eine alsbaldige Klärung durch den BGH erscheint wünschenswert.
Noreen Walther
Rechtsanwältin