Vorsicht bei Kündigung nach nicht gewährter Wohnungsbesichtigung
Dem Vermieter steht grundsätzlich bei Nachweis eines berechtigten Interesses nach entsprechender Vorankündigung ein Besichtigungsrecht bezüglich des Mietobjektes zur Seite. Gewährt der Mieter dieses grundlos nicht, kann eine vertragliche Pflichtverletzung vorliegen, die zur Kündigung des Mietverhältnisses führen kann. Vorsicht ist hier allerdings geboten, wenn der Geltendmachung des Besichtigungsrechts nur pauschale Vermutungen oder allgemeine, nicht beweisbare Behauptungen von Dritten zugrunde liegen.
Sachverhalt
Dem Vermieter wurde durch Nachbarn mitgeteilt, dass aus der Wohnung einer älteren Mieterin ein strenger Geruch nach Moder und Urin wahrgenommen worden war. Daraufhin kündigte der Vermieter zur Klärung der Situation einen Besichtigungstermin an, auf den die Mieterin jedoch nicht reagierte. Auch weitere Terminvorschläge blieben ohne Erfolg. Der Vermieter kündigte deshalb den Mietvertrag sowohl fristlos als auch fristgerecht mit der Begründung einer anhaltenden Verweigerungshaltung seitens der Mieterin. Seitens der Mieterin gab es auch hierauf keine Reaktion, sodass der Vermieter die Räumungsklage beim Amtsgericht einreichte. Das Amtsgericht gab der Klage statt. Die Mieterin legte gegen das Urteil Berufung ein.
Entscheidung
Das Landgericht gab der Mieterin recht. Die Kündigung sei unwirksam, da aufgrund der Beweissituation eine erhebliche Pflichtverletzung nicht nachweisbar sei. Die Kündigung war lediglich auf Vermutungen und daraus hergeleiteten vermeintlichem Fehlverhalten gestützt worden. Schon das Besichtigungsverlangen wäre hier unverhältnismäßig gewesen, da hier lediglich Vermutungen der Nachbarn zum Anlass genommen worden sind. Das Landgericht konnte vorliegend nicht erkennen, dass der Besichtigungsanspruch durch nachweisbare bzw. stichhaltige Fakten untersetzt war. Vielmehr lag der Verdacht nahe, dass der Vermieter ein kündigungsrelevantes Verhalten provozieren wollte. Der Nachweis eines sanktionswürdigen Fehlverhaltens der Mieterin konnte nicht erbracht werden. Vorliegend hatte jedenfalls der Schutz der Wohnung gemäß Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz Vorrang.
(Landgericht München I, Urteil vom 07.02.2024 – 14 S 10625/23)
René Illgen
Rechtsanwalt