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VOB/B nicht als Ganzes vereinbart – Folgen der Inhaltskontrolle

Bereits in der Vergangenheit hatte der Bundesgerichtshof über die Wirksamkeit einzelner Vertragsklauseln in einem Bauvertrag zu entscheiden, soweit die VOB/B nicht als Ganzes vereinbart wurde. Hierbei wurde schon mehrfach geurteilt, dass einzelne Klauseln einer Inhaltskontrolle nicht standhalten. So auch im neuerlichen Urteil vom 19.01.2023:

 

Sachverhalt

Die Parteien schlossen einen Bauvertrag zur Durchführung von Straßen- und Tiefbauarbeiten, wobei die VOB/B in der jeweils geltenden Fassung in den Vertrag einbezogen wurde. Im Rahmen der Bauausführung rügte die Beklagte die Qualität des verbauten Betons durch die Klägerin. Unter Fristsetzung, sowie Androhung der fristlosen Kündigung und Ersatzvornahme, wurde die Klägerin mehrfach zur Mangelbeseitigung aufgefordert. Dem Begehren ist die Beklagte nicht nachgekommen, daraufhin kündigte die Beklagte den Vertrag fristlos und führte die angekündigte Ersatzvornahme durch.

Die Klägerin macht Restwerklohn nach dem Ausspruch einer fristlosen Kündigung der Beklagten geltend.

 

Rechtliche Würdigung

Eine wirksame Kündigung nach den §§ 4 Nr. 7 S. 3 in Verbindung mit § 8 Nr. 3 Abs. 1 S. 1 Var.1 VOB/B ist vorliegend nicht gegeben. Nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 16. Dezember 1982 unterlagen die Klauseln der VOB/B ursprünglich keiner Inhaltskontrolle, wenn der Verwender die VOB/B ohne ins Gewicht fallende Einschränkung übernommen hatte. Begründet wurde das damit, dass die VOB/B im Gegensatz zu anderen Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht nur die Interessen einer Vertragspartei verfolge, sondern im Ganzen einen einigermaßen ausgewogenen Ausgleich der beteiligten Interessen enthalte.

Diese Rechtsprechung wurde dahingehend abgeändert, dass jede vertragliche Abweichung von der VOB/B dazu führt, dass diese nicht als Ganzes vereinbart ist, unabhängig davon, welches Gewicht der Eingriff hat. Damit ist die Inhaltskontrolle auch dann eröffnet, wenn nur geringfügige inhaltliche Abweichungen von der VOB/B vorliegen. Ob eventuell benachteiligende Regelungen im vorrangigen Vertragswerk möglicherweise durch andere Regelungen „ausgeglichen“ werden, ist unerheblich.

Vorliegend war die VOB/B nicht als Ganzes in den Vertrag einbezogen. Beispielsweise wurde § 2 Nr. VOB/B (a.F.) dahingehend geändert, dass Einheitspreise fest und unveränderbar sind.

Die Beklagte kann die ausgesprochene Kündigung nicht auf § 4 Nr. 7 Satz 3 i.V.m. § 8 Nr. 3 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 VOB/B (a.F.) stützen, da die Klauseln bei Verwendung durch den Auftraggeber der Inhaltskontrolle nicht standhalten.

Die Kündigungsregelung benachteiligt den Auftragnehmer unangemessen und ist daher unwirksam. Nach dem Wortlaut ist § 4 Nr. 7 Satz 3 i.V.m. § 8 Nr. 3 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 VOB/B (a.F.) dahingehend auszulegen, wonach bei ganz geringfügigen und unbedeutenden Vertragswidrigkeiten oder Mängeln die Kündigung aus wichtigem Grund eröffnet ist. Die Klausel widerspricht demnach dem gesetzlichen Leitbild des BGB und ist daher als unwirksam anzusehen.

 

Michelle Freitag
Rechtsanwältin

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