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Verschärfung der Anforderungen für eine öffentliche Zustellung

Nachdem der BGH bereits 2012 in zwei Urteilen zu den Voraussetzungen für die Zulässigkeit der öffentlichen Zustellung Stellung genommen und gefordert hat, der Kläger habe zunächst

  1. den Vorvermieter zu konsultieren,
  2. den Arbeitgeber des Schuldners zu kontaktieren,
  3. die Bewohner des Wohngebäudes zu befragen,
  4. eine schriftliche Auskunft des Einwohnermeldeamtes ist einzuholen und
  5. sich bei Bekannten/Verwandten zu erkundigen,
     

fordert nunmehr das OLG Frankfurt a.M. im Beschluss vom 10.04.2013, Az. 15 W 27/13, zusätzlich die Beauftragung eines Privatdetektives.

1. Hintergrund

Ist der Aufenthaltsort eines Schuldners unbekannt und müssen diesem dennoch nachweislich Erklärungen (z.B. eine Kündigung), Klageschriften oder gerichtliche Entscheidungen zugestellt werden, bietet das Gesetz in §§ 185 ff. der Zivilprozessordnung eine Verfahrensweise, nach deren Durchführung die Erklärung / das Schriftstück als zugestellt gilt, gleichgültig ob der Schuldner tatsächlich davon Kenntnis genommen hat oder nicht.

Hierfür ist glaubhaft zu machen, dass der Aufenthaltsort des Schuldners der Allgemeinheit und nicht nur dem Gläubiger unbekannt ist. Erfolgt die öffentliche Zustellung zu Unrecht, weil die Voraussetzungen dafür nicht vorlagen, das Gericht sie aber dennoch bewilligte, kann der Schuldner auch lange Zeit nach Fristablauf noch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verlangen, so dass das Verfahren quasi nochmals durchzuführen ist und zu Unrecht erlangte Titel keine wirksame Vollstreckungsgrundlage mehr bilden.

Die öffentliche Zustellung erfolgt durch Aushang an der Gerichtstafel. Das Gericht kann jedoch anordnen, dass zusätzlich eine Veröffentlichung im Bundesanzeiger und/oder einer örtlichen Tageszeitung erfolgt, wofür der Gläubiger Vorschuss zu leisten hat.

2. Die Tendenz in der Rechtsprechung und die aktuelle Entscheidung

In der regionalen Gerichtspraxis wurden in der Vergangenheit Anträge auf öffentliche Zustellung meist allein nach Einreichung einer aktuellen Meldeamtsauskunft bewilligt. Bereits kurz nach der Veröffentlichung der Entscheidungen des Bundesgerichtshofes zeigte sich jedoch auch in der Praxis hiesiger Gerichte eine Verschärfung der Anforderungen. Teils recherchieren die Gerichte selbst zusätzlich von Amts wegen, teils fordern sie nochmals Zustellungen an frühere Adressen des Schuldners usw. Die Forderung nach Beauftragung eines Privatdetektives bildet nun – vorläufig – den Höhepunkt. Nach Ansicht des Oberlandesgerichts Frankfurt habe der Gläubiger alles zu unternehmen, was eine „verständige, an der wirtschaftlich sinnvollen Durchsetzung berechtigter Ansprüche interessierte Partei tun würde, gäbe es die Möglichkeit der öffentlichen Zustellung nicht“. Eine solche Partei würde Nachbarn persönlich befragen, weil diese dann oft mitteilungsfreudiger als nach schriftlichen Anfragen seien. Dieser Gläubiger würde sich notfalls auch „fachkundiger Hilfe eines Privatdetektives bedienen“.

3. Praxishinweis

Bereits in der Aktuellen Information 2/13 hatten wir über die aktuelle Rechtsprechung des BGH informiert. Ob die hiesigen Gerichte die Verschärfung aufgrund der Entscheidung des OLG Frankfurt a.M. aufgreifen bleibt abzuwarten. Die Rechtsprechung sowohl des BGH als auch des OLG Frankfurt ist mit einigen praktischen und auch rechtlichen Schwierigkeiten verbunden, die ausweislich der Entscheidungsgründe an den erkennenden Gerichten wohl keine Rolle gespielt haben. So ist ein Arbeitgeber in der Regel aus Datenschutzgründen gar nicht befugt, Auskunft zu persönlichen Daten seiner Arbeitnehmer zu erteilen. Ein Privatdetektiv würde im Übrigen auch keine anderen Recherchen unternehmen als eben diese Personen zu befragen, die der BGH in seinen Entscheidungen im Blick hatte – freilich ebenfalls teilweise unter Verstoß gegen den Datenschutz und im Auftrag des Gläubigers. Schließlich steht dem Gläubiger mit der Einwohnermeldeamtsauskunft ein gesetzliches Informationssystem zur Verfügung, dessen Nutzung der Schuldner doch bewusst verhindert, wenn er unter Verstoß gegen gesetzliche Meldepflichten seinen neuen Aufenthaltsort dort nicht bekannt gibt.

Noreen Walther
Rechtsanwältin