Vergabe öffentlicher Aufträge darf von Pflicht zur Zahlung des Mindestlohns abhängig gemacht werden
Im Urteil vom 17.11.2015 hat der Gerichtshof der Europäischen Union (Az. C-115/14) entschieden, dass die Vergabe öffentlicher Aufträge durch Gesetz davon abhängig gemacht werden kann, dass ein Mindestlohn gezahlt wird. Es verstößt nicht gegen das Unionsrecht, wenn ein Bieter, der es ablehnt, sich zur Zahlung des Mindestlohns an seine Beschäftigten zu verpflichten, vom Verfahren zur Vergabe eines Auftrages ausgeschlossen wird.
Sachverhalt:
In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt schloss die Stadt Landau im Juli 2013 das deutsche Unternehmen RegioPost von der Beteiligung an einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrages über die Postdienstleistungen der Stadt aus, weil sich dieses Unternehmen entgegen den Bestimmungen der Vergabebekanntmachung auch nach Aufforderung nicht verpflichtet hatte, den Beschäftigten, die im Fall des Zuschlags zur Ausführung der Leistungen eingesetzt würden, einen Mindestlohn zu zahlen. Sowohl die Vergabebekanntmachung als auch die Vergabeunterlagen nahmen auf ein Gesetz des Landes Rheinland-Pfalz Bezug, wonach in diesem Land öffentliche Aufträge nur an Unternehmen (und Nachunternehmer) vergeben werden dürfen, die sich bei Angebotsabgabe verpflichten, den zur Ausführung der Leistungen eingesetzten Beschäftigten ein Mindestentgelt von (während des im Ausgangsverfahren maßgebenden Zeitraums) 8,70 EUR brutto pro Stunde zu zahlen. Im maßgebenden Zeitraum gab es in Deutschland für die Postdienstleistungsbranche keinen Tarifvertrag über einen verbindlichen Mindestlohn. Erst später wurde dort ein allgemein verbindlicher Mindestlohn ab 01.01.2015 eingeführt. Das von der RegioPost angerufene OLG Koblenz fragte den Gerichtshof an, ob diese Rechtsvorschriften des Landes Rheinland-Pfalz mit dem Unionsrecht und insbesondere mit der Richtlinie 2004/18 über die Koordinierung des Verfahrens zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge vereinbart sind. Nach dieser Richtlinie können die öffentlichen Auftraggeber zusätzlich Bedingungen für die Ausführung des Auftrages vorschreiben, sofern sie mit dem Unionsrecht vereinbar sind und in der Vergabebekanntmachung oder in den Verdingungsunterlagen angegeben werden.
Entscheidungsgründe:
Mit seinem Urteil stellte der Gerichtshof der Europäischen Union fest, dass die Richtlinie 2004/18 Rechtsvorschriften nicht entgegensteht, nach denen sich Bieter und deren Nachunternehmen in einer schriftlichen, ihrem Angebot beizufügenden Erklärung, verpflichten müssen, den Beschäftigten, die zur Ausführung der Leistungen eingesetzt werden sollen, einen im Vorhinein festgelegten Mindestlohn zu zahlen. Der Gerichtshof sieht in der fraglichen Verpflichtung eine nach der Richtlinie grundsätzlich zulässige zusätzliche Bedingung, da sie sich auf die Ausführung des Auftrages bezieht und soziale Aspekte betrifft. Dabei wird ferner darauf hingewiesen, dass diese Verpflichtung im vorliegenden Fall sowohl transparent als auch nicht diskriminierend ist.
René Illgen
Rechtsanwalt
Aktuelle Informationen Nr. 45/2015
Rechtsanwälte Strunz ♦ Alter, Chemnitz