Urteile des BGH zur Gaspreisänderung bei Kopplung an den Heizölpreis
Der VIII. Senat des Bundesgerichtshofs hat am 24.03.2010 zwei Urteile zur Wirksamkeit von Preisänderungsklauseln in Erdgaslieferverträgen gefällt, die das bisherige System der Preisbildung und Preisänderung im Bereich der leitungsgebundenen Energielieferung stark verändern werden.
Sachverhalt
In den beiden von Bundesgerichthof unter den Aktenzeichen VIII ZR 178/08 und VIII ZR 304/08 verhandelten Sachverhalten waren jeweils Verbraucher gegen die in Sonderverträgen vereinbarten Preisgleitklauseln für Erdgas vorgegangen. In beide Fällen war der Arbeitspreis für die Gaslieferung unmittelbar an die Entwicklung des Preises für leichtes Heizöl nach den Notierungen des Statistischen Bundesamts gekoppelt (AP = 0,092 HEL oder AP = 2,43 + (0,092 * (HEL-19,22)) + 0,2024).
Entscheidung
Der BGH hat die Klauseln für unwirksam erklärt. Nach der Pressemittelung des BGH (die Urteile sind noch nicht veröffentlicht) wurde eine unangemessene Benachteiligung gemäß § 307 I S.1 BGB darin gesehen, dass zwar die Preisentwicklung des Brennstoffpreises in der Klausel berücksichtigt, eventuelle Kostensenkungen in anderen Bereichen, wie etwa bei den Netz- und Vertriebskosten, hingegen nicht berücksichtigt wurden.
Hier überträgt der BGH seine Rechtsprechung zur Preisbildung nach billigem Ermessen in Verträgen nach den allgemeinen Tarifen auf den Bereich der Sonderverträge, wonach eben bei der Preisbildung nicht nur Kostenänderungen für den Energiebezug vom Vorlieferanten, sondern eben auch Kostenänderungen in anderen Bereichen zu berücksichtigen sind. Ziel eine Preisänderung sei lediglich die Weitergabe von tatsächlichen Kostenveränderungen und nicht die Möglichkeit den Gewinn durch einseitige Abwälzung von Kostensteigerungen unter Ausblendung von Kostenreduktionen zu steigern.
Praxishinweis
Entgegen erster Medienberichte hält der BGH nicht die Kopplung an den Heizölpreis für problematisch, sondern die ungenügende Berücksichtigung anderer Kostenfaktoren.
Die Entscheidungen sind zwar in Verbraucherverfahren ergangen, da die Unwirksamkeit aber auf § 307 I S. 1 BGB gestützt wurde, sind sie auch auf Gaslieferverträge für Unternehmen übertragbar. Das gilt dann auch für die Bezugsverträge der regionalen Gasversorger mit ihren Vorlieferanten. Die Erwägungen des BGH wären zudem auch auf andere Energielieferungsverträge übertragbar. Zumindest im Bereich der Fernwärmelieferung sind die beanstandeten Formeln ebenfalls üblich.
Im Ergebnis sollte jeder Sondervertragskunde prüfen, ob unter den Maßstäben der neuen BGH-Rechtsprechung die vereinbarten Preisanpassungen wirksam waren oder ob die Preisänderungen insbesondere der Jahre 2008 und 2009 mit ihren erheblichen Kostensteigerungen unrechtmäßig erfolgten und entsprechende Rückforderungsmöglichkeiten bestehen. Rückforderungen aus ungerechtfertigter Bereicherung könnten für Rechnungen aus dem Zeitraum nach dem 01.01.2007 bestehen. Bei älteren Rechnungen könnte sich der Versorger auf Verjährung berufen.
Martin Alter
Rechtsanwalt