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Urteil des BGH zur Handhabung des Modernisierungsbegriffes im Sinne von § 22 Absatz 2 WEG

Nach Ansicht des Bundesgerichtshofes, verkündet im Urteil vom 18.02.2011, Az. V ZR 82/10, gibt die in § 22 Abs. 2 WEG „angeordnete entsprechende Heranziehung der mietrechtlichen Regelung des § 559 Abs. 1 BGB Anlass zu einer großzügigeren Handhabung des Modernisierungsbegriffes“.

Der Entscheidung lag folgender Sachverhaltung zugrunde, über den zuvor das AG Dresden im Urteil vom 10.06.2009 bzw. das LG Dresden im Urteil vom 31.03.2010 befunden hatten:

In einer Mehrhausanlage teilten sich jeweils zwei Wohneinheiten einen Schornstein, welcher jeweils mehrere cm tief in das Sondereigentum hineinragte. Später beschlossen die Eigentümer, die Schornsteine zu verschließen. Die Kläger bauten eigenmächtig darüber hinaus auch den in ihre Einheit hineinragenden Schornsteinteil zurück.

Mehrere Jahre später begehrten die Sondereigentümer, die sich ursprünglich den Schornstein mit den Klägern teilten, die Wiederöffnung zum Betrieb eines Kamins – zusätzlich zur bereits vorhandenen Heizungsanlage. Die Eigentümer stimmten dem mit doppelt qualifizierter Mehrheit zu und hoben den Erstbeschluss insoweit wieder auf.

Der BGH stellte fest, dass es sich hierbei um eine Maßnahme der Modernisierung des Gemeinschaftseigentums handele, weil der Modernisierungsbegriff aufgrund der Verweisung auf die mietrechtliche Bestimmung großzügig auszulegen sei: „…Denn zum einen kommen den Wohnungseigentümern auch solche Verbesserungen zugute, von denen im Mietrecht nur der Vermieter, nicht aber auch der Mieter profitiert. Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass das mit der Erweiterung der Beschlusskompetenz nach § 22 Abs. 2 WEG verfolgte gesetzgeberische Anliegen darin besteht, den Wohnungseigentümern – unabhängig von dem Bestehen eines Reparaturbedarfs – die Befugnis einzuräumen, mit qualifizierter Mehrheit einer Verkehrswertminderung durch Anpassung der Wohnungsanlage an die „Erfordernisse der Zeit“ entgegenzuwirken (vgl. BT-Drucks. 16/887 S. 29 f.; Hogenschurz in Jennißen, aaO, § 22 Rn. 62; Merle in Bärmann, aaO, § 22 Rn. 327; Timme/Elzer, aaO). Deshalb genügt es, dass die Maßnahme aus der Sicht eines verständigen Wohnungseigentümers eine sinnvolle Neuerung darstellt, die voraussichtlich geeignet ist, den Gebrauchswert der Sache nachhaltig zu erhöhen (BT-Drucks., aaO, S. 30…)…“

Zudem führe die Möglichkeit eines Kaminbetriebs zu einer Erhöhung des Gebrauchswertes durch Schaffung einer zusätzlichen, unabhängigen und alternativen Beheizungsmöglichkeit in Zeiten der „Verknappung fossiler Brennstoffe“. Dies mache die Wohnung auch attraktiver.

Die Eigenart der Wohnanlage werde hierdurch nicht geändert.

Es liege auch kein unbilliger Nachteil i.S.v. § 14 WEG vor, denn dafür genüge nicht schon, dass sich ein Eigentümer beeinträchtigt fühlen könnte. „…Vor dem Hintergrund der von dem Gesetzgeber angestrebten Erweiterung des Gestaltungsspielraums der Wohnungseigentümer ist vielmehr von einer Ausweitung dessen auszugehen, was ein – zumal mit qualifizierter Mehrheit überstimmter – Wohnungseigentümer hinzunehmen hat (vgl…). Dabei liegt es auf der Hand, dass Umstände, die zwangsläufig mit der Modernisierung verbunden sind, für sich alleine nicht zur Bejahung eines unbilligen Nachteils führen können (Merle …). Unbillig sein können nur darüber hinausgehende Nachteile, die bei wertender Betrachtung und in Abwägung mit den mit der Modernisierung verfolgten Vorteilen einem verständigen Wohnungseigentümer zumutbarer Weise nicht abverlangt werden dürfen…“

Zudem seien nur solche Maßnahmen relevant, die  für einen Eigentümer zu größeren Nachteilen als für alle anderen führen. Unbilligkeit sei anzunehmen, wenn eine treuwidrige Ungleichbehandlung der Eigentümer stattfinde.

Die Auslegung des Modernisierungstatbestandes eröffnet damit einen deutlich weiteren Handlungsspielraum für die Eigentümer als bislang angenommen.

Noreen Walther
Rechtsanwältin