>

Urteil des BGH zu Verjährungsfristvereinbarungen wegen Schadenersatzansprüchen

Der BGH hat am 08.11.2017 unter Az. VIII ZR 13/17 ein Urteil verkündet, wonach Vereinbarungen in Wohnungsmietverträgen, durch die die kurze Verjährungsfrist für Schadenersatzansprüche nach Rückgabe der Mietsache (z. B. wegen Sachschäden oder Renovierungskosten) nicht wirksam sind.

Hintergrund:

Gemäß § 548 BGB verjähren die Ersatzansprüche des Vermieters wegen Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache in sechs Monaten, wobei die Frist mit dem Zeitpunkt, in dem er die Mietsache zurückerhält, zu laufen beginnt. Die Ansprüche des Mieters auf Ersatz von Aufwendungen oder auf Gestattung der Wegnahme einer Einrichtung verjähren ebenfalls in sechs Monaten, diese Frist beginnt aber bereits mit der Beendigung des Mietverhältnisses.

Die gesetzlich vorgesehene Frist von 6 Monaten ist zumeist recht knapp, so dass der Vermieter regelmäßig ein erhebliches Interesse an einer Fristverlängerung hat. Wegen § 307 II Nr. 1 BGB ist zunächst vom gesetzlichen Leitbild auszugehen: Der Gesetzgeber hat zum Ausdruck gebracht, dass Streitigkeiten über den Zustand der Mietsache alsbald nach Rückgabe an den Vermieter beigelegt werden sollen. Hintergrund dieser Regelung ist, dass in absehbarer Zeit Rechtsfrieden herrschen soll und dass sich mit zunehmendem Zeitablauf stetig die Nachweisbarkeit verschlechtert. Daraus folgt, dass eine formularvertragliche Verlängerung der Verjährungsfrist auf die Regelfrist von 3 Jahren definitiv ausscheidet. Zur Vermeidung einer unangemessenen Benachteiligung kamen seit 2002 nur vorsichtige Verlängerungen der wechselseitigen Fristen in Betracht. Das heißt, dass auch die Verjährungsfrist für mieterseitige Ansprüche auf Aufwendungsersatz und Gestattung der Wegnahme von Einrichtungen gleichzeitig verlängert werden sollte.

Als zulässig galt bislang eine wechselseitige Fristverlängerung auf ein Jahr, vgl. Kandelhard, NZM 2002, 929 ff.; Gather in Schmidt-Futterer, § 548 Rz. 125; Hau, NZM 2006, 567; Sternel Mietrecht 4. Auflage Rn. XIII 240 ff.. Hintergrund dieser Auffassung war, dass der Vermieter nach dem bis 2001 geltenden Recht praktisch auch eine Frist von einem Jahr ausschöpfen konnte, weil damals innerhalb des ersten halben Jahres der Anspruch auf Vornahme erst mit Fristsetzung geltend gemacht sein musste und damit eine weitere halbjährige Frist zur gerichtlichen Geltendmachung des Erstattungsanspruchs in Kraft gesetzt wurde.

In der Folge hat auch die Kanzlei im Vertragsmuster eine Klausel vorgesehen, wonach die Verjährungsfrist für Schadenersatzansprüche des Vermieters und Verwendungsersatzansprüche des Mieters um jeweils 6 Monate auf je 1 Jahr verlängert wurden. Diese von der Kanzlei vorgeschlagene Klausel wurde auch bereits gerichtlich als wirksam bestätigt, LG Chemnitz Az. 6 T 246/12. 

Das LG Bielefeld hat die Zulässigkeit solcher AGB-Klauseln bereits im Beschluss vom 30.06.2014,
Az. 22 S 100/14 bezweifelt, in jedem Fall aber die zusätzliche Vereinbarung einer Verjährungshemmung, falls der Schuldner nach Umzug seine neue Adresse nicht mitteilt, als unwirksam betrachtet. Einen solchen Hemmungstatbestand sieht der Mustermietvertrag nicht mehr vor.

Die Entscheidung:

Der BGH hat ausweislich der Pressemitteilung vom heutigen Tage aber eine grundlegende Kehrtwende in der Rechtsprechung vollzogen. Demnach seien Klauseln, die die kurze Verjährungsfrist von 6 Monaten zugunsten des Vermieters verlängern, generell als Formularklausel unwirksam, weil sie den Mieter unangemessen benachteiligen, § 307 BGB.

Das Urteil selbst ist noch nicht veröffentlicht. So ist derzeit noch die konkret beanstandete Klausel unbekannt.

 

Praxishinweise:

Die Mietvertragsmuster für neu abzuschließende Mietverträge sind zu aktualisieren. Die Kanzlei ändert den Mustermietvertrag im Servicebereich.

Bereits abgeschlossene Mietverträge, die diese Klausel beinhalten, müssen nicht geändert werden. Aber da die Klausel unwirksam ist, gelten die kurzen gesetzlichen Fristen von 6 Monaten.

Bis zum Ablauf der Frist von 6 Monaten ab dem Tag des Herausgabeangebots durch den Mieter müsste

  1. der Mieter schriftlich unter Fristsetzung mit Zugangsnachweis durch den Vermieter aufgefordert werden, die (ganz konkret zu bezeichnenden) Mängel in der Wohnung zu beseitigen,
  2. nach Fristablauf die Ersatzvornahme durch den Vermieter veranlasst und verauslagt werden,
  3. der Mieter daraufhin zur Erstattung der verauslagten Kosten unter Fristsetzung mit Zugangsnachweis aufgefordert werden und
  4. Klage erhoben bzw. Mahnbescheid beantragt werden.

Maßgebend für den Fristbeginn ist nicht immer der Tag, an dem die Übernahme stattfand, sondern der, an dem der Mieter seinen Besitz aufgeben wollte oder aufgegeben hat – z. B. durch Einwurf der Schlüssel in den Briefkasten des Vermieters. Hat der Vermieter keine Zeit für einen Übernahmetermin oder lehnt er die Rücknahme der Wohnung wegen einzelner Mängel ab, läuft die Frist also dennoch! Eine Verweigerung der Rücknahme bei beendetem Mietvertrag ist nur statthaft, wenn die Wohnung in erheblichem Maße nicht beräumt ist. Anderenfalls ist der Übergabetermin durchzuführen und der Mieter lediglich aufzufordern, noch Restarbeiten an konkret zu bezeichnenden Mängeln nachzuholen.

 

Noreen Walther
Rechtsanwältin

Aktuelle Information Nr. 44/2017

Rechtsanwälte Strunz ♦ Alter, Chemnitz