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Unentschuldigtes Fernbleiben von der Arbeit rechtfertigt in der Regel nicht eine fristlose Kündigung ohne Abmahnung und für die Dauer der vereinbarten Probezeit gilt die Kündigungsfrist von 2 Wochen

Ein unentschuldigtes Fernbleiben von der Arbeit an nur einem einzigen Arbeitstag rechtfertigt es regelmäßig nicht, eine fristlose Kündigung ohne Abmahnung auszusprechen und für die Dauer einer vereinbarten Probezeit gilt die Kündigungsfrist von 2 Wochen gemäß § 622 Abs. 3 BGB (Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 03.06.2020, Az.: 1 Sa 72/20).

 

Sachverhalt

Die Klägerin wurde vom Beklagten mit einer sechsmonatigen Probezeit eingestellt. Für die Dauer der Probezeit sollte laut Arbeitsvertrag eine Kündigungsfrist von einer Woche gelten. Der Beklagte kündigte dann das Arbeitsverhältnis innerhalb der Probezeit mit einwöchiger Kündigungsfrist. In dieser Kündigungsfrist fehlte die Klägerin dann einen Tag unentschuldigt, so dass der Beklagte aus diesem Anlass ein zweites Mal, diesmal fristlos, kündigte.

 

Rechtliche Wertung

Das Landesarbeitsgericht stellte fest, dass ein einmaliges unentschuldigtes Fehlen nicht ausreicht, um eine fristlose Kündigung zu begründen. In der Regel ist eine Abmahnung vor dem Ausspruch einer fristlosen Kündigung erforderlich. Eine Abmahnung zuvor ist dann entbehrlich, wenn von vornherein nicht zu erwarten ist, dass der Arbeitnehmer durch die Abmahnung sein zukünftiges Verhalten ändern wird oder wenn es sich um eine so schwerwiegende Verletzung aus dem Arbeitsverhältnis handelt, dass deren Hinnahme durch den Arbeitgeber für den Arbeitnehmer ausgeschlossen ist. Die zweite Kündigung sei somit unwirksam.

Außerdem stellte das Gericht fest, dass die zweiwöchige Kündigungsfrist, die das Gesetz vorschreibt, nicht einzelvertraglich abänderbar ist. Es wurde also festgestellt, dass die erste Kündigung des Arbeitsverhältnisses erst nach 2 Wochen fristgemäß beendet wurde. Der Beklagte hatte eingewandt, es handele sich um eine Ungleichbehandlung, die gegen europarechtliche Grundsätze verstieße, wenn Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände gemäß § 622 Abs. 4 BGB von der gesetzlichen Frist abweichende Regelungen schaffen dürften, die Einzelparteien aber nicht. Dieser Auffassung folgte das Gericht nicht. Denn es ist seit langem in der Rechtsprechung anerkannt, dass es dem Gesetzgeber erlaubt ist, in einzelnen gesetzlichen Vorschriften Abweichungen zu Ungunsten von Arbeitnehmern zu gestatten, wenn diese in Tarifverhandlungen ausgehandelt sind.

 

René Illgen

Rechtsanwalt