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Umwidmung von Teilen der Erhaltungsrücklage möglich?

Am Anfang des Jahres sind eine ganze Anzahl von Zahlungen durch die Verwaltungen zu leisten, die möglicherweise durch noch nicht eingegangene Vorschüsse seitens der Eigentümer die Liquidität der Gemeinschaft an ihre Grenzen bringen können. Mit der WEG-Reform ist nun die Möglichkeit kodifiziert worden, neben der Erhaltungsrücklage weitere Rücklagen, wie eine Liquiditätsrücklage, zu beschließen. Selbst die Umwidmung von Teilen der Erhaltungsrücklage ist möglich, solange der Beschluss ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht.

 

Sachverhalt

Die WEG beschließt im Oktober 2021 mehrheitlich die Abtrennung eines Teils der Erhaltungsrücklage und daraus die Bildung einer Liquiditätsrücklage. Gegen den Beschluss wendet sich ein Eigentümer mit Beschlussmängelklage. Er wendet ein, dass die Erhaltungsrücklage der grundsätzlichen Zweckbestimmung in der Instandhaltung bzw. Erhaltung des Gemeinschaftseigentums unterliege und daher nicht für andere Zwecke verwendet werden dürfe.

Die Liquidität könne die Gemeinschaft mit anderen Mitteln stärken, eine Liquiditätsrücklage könne nur das letzte Mittel darstellen. Außerdem würde die Erhaltungsrücklage durch die Kürzung nicht mehr für zukünftige Erhaltungsmaßnahmen ausreichen. Der Beschluss widerspräche daher ordnungsgemäßer Verwaltung.

 

Entscheidung

Die Anfechtungsklage hatte keinen Erfolg. Das Gericht vertrat die Auffassung, dass der Beschluss vorliegend ordnungsgemäßer Verwaltung i.S. des § 19 Abs. 1 WEG entspräche, da er dem Interesse der Gesamtheit der Eigentümer diene. Die WEG hat nachvollziehbar vorgetragen, dass ein finanzieller Engpass im ersten Quartal des Jahres zu befürchten sei aufgrund nicht vollständig eingehender Wohngeldzahlungen und eintretender Fälligkeiten z.B. der Jahresprämien der Versicherungen.

Des Weiteren stehe es im Ermessen der Gemeinschaft, alternative Lösungen, wie etwa einen Überziehungskredit abzulehnen, zumal ein solcher Beschluss mit höheren Kosten verbunden wäre.

Das Gericht stellte darüber hinaus fest, dass die verbleibende Erhaltungsrücklage für bevorstehende Erhaltungsmaßnahmen ausreichend sei. Der Kläger war für gegenteiligen Vortrag beweisfällig geblieben.

(AG Lübeck, Urteil vom 18.03.2022 -35 C 52/21 WEG)

 

René Illgen  
Rechtsanwalt

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