Schmerzensgeld für Asbestbelastung einer Wohnung
Das Landgericht Dresden hat in seinem rechtskräftigen Urteil vom 25.02.2011, Az.: 4 S 73/10, einem Mieter einer mit asbestbelasteten Baustoffen versehenen Wohnung ein Schmerzensgeld in Höhe von 20.000,00 € für dessen „Siechtumsangst“ zugesprochen. Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Sachverhalt
Der Kläger bewohnte eine Altbauwohnung des Beklagten, die zu DDR-Zeiten modernisiert und mit „Baufathermplatten“ versehen worden waren und die daher in der höchsten Kategorie asbestbelastet ist („Sanierungsdringlichkeitsstufe I“). Diese Platten sind so beschaffen, dass es bei bestimmungsgemäßer Beanspruchung zu einer kontinuierlichen Faserfreisetzung kommt, die mit zunehmendem Alter und Beanspruchung zunimmt. In der Wohnung war es zudem zur Ablagerung sichtbaren Asbeststaubes gekommen. Der Sachverständige kam zu dem Ergebnis, dass es daher mehr als ein Jahrzehnt nach dem Einbau der Platten zwangsläufig zu einer Asbestbelastung der Wohnung gekommen ist. Der Kläger hatte die Beklagte kurz nach Beginn des Mietverhältnisses auf die Asbestbelastung der Wohnung hingewiesen, ohne dass der Beklagte etwas unternahm. Der Kläger litt nunmehr seit einigen Jahren aufgrund der ihm bewussten erhöhten Gefahr an einem schweren, nicht selbst verschuldeten, Lungenleiden bösartig zu erkranken und verfrüht zu sterben z. B. an Todesangst, depressiven Stimmungslagen, Lethargie und dem Verlust von Lebensfreude.
Entscheidung
Nach Auffassung des Gerichtes kommt es auf die genaue Höhe der Schadstoffbelastung nicht an, sondern das Feststehen der Schadstoffbelastung als solche stellt einen Mangel der Wohnung i. S. d. § 536 BGB dar, der im konkreten Fall zur vollständigen Aufhebung der Gebrauchstauglichkeit der Wohnung geführt hat. Die Mangelhaftigkeit resultiert daraus, dass das Einatmen von Asbestfasern zu einem erhöhten Risiko führt, an Lungenkrebs oder anderen Lungenleiden zu erkranken und damit die Wohnung nicht als Lebensmittelpunkt geeignet ist.
Das Gericht hat dem Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 20.000,00 € nach § 823 Abs. 1 BGB zugesprochen. Die potenzielle Gefahr des Ausbruches einer schweren Lungenkrankheit, als solches, durch die eingeatmeten Asbestfasern stellt für das Gericht keine Verletzung der Gesundheit dar. In der vom Kläger geschilderten psychischen Beeinträchtigung sah das Gericht jedoch eine Verletzung der Gesundheit des Klägers, welche durch die Asbestbelastung der Wohnung verursacht worden ist.
Das Landgericht hat auch ein Verschulden des Beklagten angenommen. Aufgrund der Mitteilung des Klägers über die Asbestbelastung hätte der Beklagte eine umfassende Untersuchung der Baumaterialien durchführen lassen müssen. Zudem hätte eine solche aber auch deshalb durchgeführt werden müssen, weil dem Beklagten die besondere Asbestproblematik zu DDR-Zeiten sanierten Altbauwohnungen hätte bekannt sein müssen.
Ein Mitverschulden des Klägers, weil er trotz Kenntnis der Asbestbelastung nicht aus der Wohnung ausgezogen ist, hat das Gericht verneint. Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes hat das Gericht die grob fahrlässige Untätigkeit des Beklagten und die psychische Beeinträchtigung des Klägers, an der dieser nun schon mehrere Jahre litt, berücksichtigt.
Fazit
Die Entscheidung zeigt, dass dem Vermieter von Wohnraum, welcher zu DDR-Zeiten errichtet oder saniert worden ist, bekannt sein muss, dass das Gebäude mit Asbest belastet sein kann und er deshalb verpflichtet ist, die Wohnungen entsprechend zu untersuchen und in einen Zustand zu versetzen, indem keine Freisetzung von Asbestfasern möglich ist. Andernfalls besteht die Gefahr, dass Mieter aufgrund der Mangelhaftigkeit Ansprüche gegenüber dem Vermieter geltend machen können, die bis zu Schadenersatz und Schmerzensgeldansprüchen reichen können, weil der Mieter tatsächlich erkrankt oder unter konkreten psychischen Beeinträchtigungen leidet, weil er mit der durch Asbest verursachten Gesundheitsgefahr leben muss. Dafür muss der Mieter jedoch konkrete Beeinträchtigungen darlegen und beweisen. Dennoch sollten Vermieter die „Asbestproblematik“ nicht auf die „leichte Schulter“ nehmen.
Jana Lippmann
Rechtsanwältin